Klaus ErnstDIE LINKE - CETA-Abkommen EU/Kanada
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister, lieber Sigmar! Wir alle wissen: Es geht nicht um die Rückspiegel und auch nicht um die Blinklichter. Sie werden sehr oft als Grund angeführt, weshalb wir Freihandelsabkommen bräuchten. Wer schon einmal in einer Automobilfabrik war, der weiß, dass kein Auto auf dem Band aussieht wie das vorherige. Es gibt andere Sitze, andere Farben und auch andere Rückspiegel. Das ist also wirklich ein vorgeschobenes Argument.
(Beifall bei der LINKEN – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Differenzierung!)
Es geht um etwas vollkommen anderes – da liegt die Gefahr bei diesem Abkommen –:
Erstens. Wer setzt die Standards? Sind das die Parlamente, die Regierungen? Oder gibt es regulatorische Räte, die künftig unter Ausschluss der Parlamente, unter Ausschluss von demokratisch gewählten Vertretern Standards setzen?
(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Alles öffentlich im Internet!)
– Jetzt hören Sie doch einmal zu. Das würde Sie in diesem Falle bilden.
(Beifall bei der LINKEN)
Wer also setzt die Standards? Die große Gefahr ist – Sigmar, du weißt es –, dass die Standards eben nicht von den demokratisch gewählten Vertretern, sondern von den regulatorischen Räten gesetzt werden.
Zweitens. Bei den Schiedsgerichten war die Position: Eigentlich wollen wir sie nicht. Aber jetzt ist die Frage: Kommen sie, oder kommen sie nicht? Die Frage, ob es eine Handelsgerichtsbarkeit gibt, ist schön und nett; das brauche ich nicht zu wiederholen. Aber wir wissen doch genau, dass es bei CETA und TTIP keine Rolle mehr spielt.
Wenn das so ist, dann bleibe ich dabei: Wenn wir in dem CETA-Abkommen die Einführung von Schiedsgerichten nicht verhindern, mit welchem Argument wollen wir den Amerikanern sagen: „Nein, bei dem Abkommen mit den Kanadiern haben wir diese Regelung zwar aufgenommen, aber bei euch machen wir das nicht“? Das hat auch ein amerikanischer Geschäftsmann in einer Veranstaltung zu diesem Thema – ich war dabei – selbst gesagt: Wenn diese Regelung mit den Kanadiern möglich ist, dann wollen auch wir sie.
Das bedeutet im Klartext: Wenn wir im CETA-Abkommen die Einführung von Schiedsgerichten nicht ablehnen – die Einrichtung eines Handelsgerichtshofes wäre eine Alternative gewesen –, dann werden diese Schiedsgerichte auch in TTIP übernommen. Das wollen wir nicht. Das ist der entscheidende Punkt.
(Beifall bei der LINKEN – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Aber wir wollen das!)
– Aber ihr bekommt das vielleicht nicht.
Der nächste Punkt, auf den ich eingehen will, ist die Angst vor Vereinbarungen, die die Kanadier und die Amerikaner mit den Asiaten treffen. Von Ihnen ist das Argument gekommen, wir dürften diese Debatte nicht angstbesetzt führen. Diese Debatte wird aber angstbesetzt geführt. Schließlich sagen Sie: Die anderen machen ein Abkommen ohne uns. – Ich sage Ihnen: Ja und? Glaubt ihr wirklich, dass die Amerikaner keinen Daimler, keinen Porsche oder kein anderes deutsches Auto mehr wollen, bloß weil sie mit den Chinesen ein Abkommen geschlossen haben? Das glaubt doch kein Mensch.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir werden unsere Produkte und unsere Maschinen, die auf unserer wirklich ausgezeichneten Infrastruktur basieren, trotzdem vermarkten können, auch wenn die Chinesen mit den Amerikanern ein Abkommen schließen. Warum auch nicht? Es wird für uns sogar leichter. Wenn in diesen Ländern die Regulierungen einfacher sind, dann heißt das für unsere Lieferungen in diese Länder, dass wir die hohen Standards, die wir in der Bundesrepublik und in Europa wollen, nicht aufzugeben brauchen.
Wenn diese Länder aber ihre Waren zu uns liefern wollen, dann sagen wir: Wir haben bestimmte Standards. Wir wollen zum Beispiel, dass bei der Verbindung vom Traktor zum Hänger die Welle verkleidet ist, sodass man sich daran nicht verletzen kann. Wir wollen zum Beispiel – das habe ich vorhin angeführt –, dass unsere Schutzkleidung bestimmten Standards unterliegt. In Amerika sind die Standards für Schutzkleidung anders, vielleicht nicht schlechter, aber anders. Deshalb sind sie nicht eins zu eins übertragbar.
Ich sage Ihnen: Wenn wir diese Debatte angstbesetzt führen wollen, dann müssen wir sagen: Die anderen machen ein Abkommen, und wir sind nicht dabei. – Wenn wir sie aber im Interesse der Bürger führen wollen, dann müssen wir sagen: Wir wollen unsere Standards nicht aufgeben, weil sie zum Nutzen der Bürger sind. – Deshalb müssen wir bei dem, was da passiert, aufpassen.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Becker [SPD]: Sie wollen es doch gar nicht! – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Unbelehrbar!)
Nächster Redner ist der Kollege Klaus Barthel, SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4667285 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | CETA-Abkommen EU/Kanada |