Ingbert LiebingCDU/CSU - CETA-Abkommen EU/Kanada
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, den Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, vorgelegt haben, enthält aus meiner Sicht selbst die Begründung dafür, weshalb er unpassend ist. Sie schreiben in Ihrem Antrag:
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Kaum!)
Aber Sie legen schon heute einen Antrag vor, in dem Sie fordern, das Ganze abzulehnen, obwohl die Unterlagen noch nicht einmal übersetzt sind und noch nicht für eine parlamentarische Beratung zur Verfügung stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen. Entweder sind Sie grundsätzlich dagegen; dann können Sie sich jede parlamentarische Beratung sparen und brauchen nicht mehr zu verhandeln oder über irgendetwas zu reden. Dann bleibt es dabei: Sie sind dagegen – das nehmen wir zur Kenntnis –, und wir diskutieren sachlich. Oder Sie sagen, Sie wollen parlamentarische Beratungen und Diskussionen, aber dann dürfen Sie nicht gleich zu Beginn einen solchen Antrag vorlegen, in dem Sie schon heute Ihre Ablehnung dokumentieren. Das passt alles nicht zusammen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die deutsche Übersetzung wird bis Ende dieses Jahres vorliegen. Danach findet die Ratsbefassung statt, und auch das Europäische Parlament wird sich damit befassen. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Zusammenhang – und zwar unabhängig davon, ob es förmlich ein gemischtes Abkommen mit Zustimmungspflicht ist oder nicht – ausreichend Zeit haben werden, uns hier im Parlament mit den Vertragstexten, wenn sie denn vorliegen, zu befassen. Wir wollen uns diese Zeit für ernsthafte Debatten, für Prüfungen der Ergebnisse der Verhandlungen und für die Diskussion in und mit der Öffentlichkeit nehmen. Das muss sein. Diese Zeit nehmen wir uns ordnungsgemäß.
Aber wir führen diese Diskussion erst einmal mit dem grundsätzlich positiven Bekenntnis, dass wir einen freien und fairen Handel wollen. Gerade wir Deutsche profitieren als Exportnation davon ganz besonders; dies ist von den Rednern der Koalition und von Bundeswirtschaftsminister Gabriel heute ja auch eindrucksvoll dokumentiert worden. Deswegen verdammen wir eben nicht gleich alles, sondern sehen auch die Chancen. Wir wissen, dass freier Handel auch faire Bedingungen braucht. Auch dafür soll dieses Abkommen sorgen.
Aber nun gibt es sicherlich auch viele Besorgnisse nach dem Motto „Was verändert sich durch derartige Abkommen?“. Wir nehmen diese Besorgnisse ernst.
Ich möchte zum Abschluss der Debatte einen bestimmten Teil der kritischen Diskussionen betrachten, nämlich die Diskussionen, die in den Kommunen stattfinden. Wir stellen quer durch die Republik fest, dass sich Kreistage und Stadtvertretungen mit diesem Handelsabkommen befassen. Manchmal wundert man sich zwar, wer dabei alles sehr schnell zum Experten für Welthandel wird, aber wir stellen fest, dass es Besorgnisse gibt, gerade hinsichtlich der Frage: Welche Auswirkungen hat dies für die kommunale Betätigung vor Ort?
Diese Frage ist durchaus berechtigt. Warum? Andere Länder kennen diese Form von kommunaler Selbstverwaltung – ein Erfolgsmodell in Deutschland – leider nicht. Sie kennen nicht die positiven Erfahrungen von Kommunen, die Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge für die Gesellschaft erbringen. Eine Vielzahl von Resolutionen erreichen uns, in denen gefragt wird: Gerät die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr? Können wir noch vor Ort entscheiden? – Das sind die Fragen, die uns gestellt werden. Darauf müssen wir Antworten geben.
Auch die kommunalen Spitzenverbände und der Verband Kommunaler Unternehmen haben dies thematisiert und uns ihre Position mitgeteilt. Sie stellen folgende Fragen: Bleibt die kommunale Organisationshoheit erhalten, oder wird sie durch diese Handelsabkommen beeinflusst? Gibt es Auswirkungen auf Ausschreibungs- und Beschaffungswesen? Bleibt unser hohes Niveau bei den Umwelt- und Gesundheitsstandards erhalten? Diese Fragen sind berechtigt. Nicht berechtigt ist aber einseitige Panikmache, mit der schon vorher pauschal festgestellt wird, dass all dies jetzt in Gefahr gerät, abgeschafft wird, als ob CETA quasi die Demokratie aushebeln würde. Diese Panikmache ist, wie gesagt, unberechtigt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Sorgen der Kommunen, die in den vielen Resolutionen zum Ausdruck kommen, nehmen wir ernst. Dies wird sicherlich auch Thema in den parlamentarischen Beratungen werden.
Die Ziele der kommunalen Verbände teile ich ausdrücklich. Die Rechte unserer verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung dürfen nicht beeinträchtigt werden. Sie werden es auch nicht. Nach all dem, was uns auf dem Tisch liegt und was wir von der Bundesregierung, vom Wirtschaftsministerium an Informationen bekommen haben, kann man sagen – auch der Bundeswirtschaftsminister weist immer wieder darauf hin –, dass diese Besorgnisse ungerechtfertigt sind. Wir müssen uns damit beschäftigen, aber wir können erklären, dass diese Kernbereiche kommunaler Selbstverwaltung nicht berührt werden.
CETA verpflichtet nicht zu neuen Privatisierungen oder zu Liberalisierungen. All das, was in diese Richtung behauptet wird, sind Märchen. Aber für alle Bereiche, die nach unserem Recht schon liberalisiert sind, bekommen nach diesem Abkommen die Unternehmen aus Kanada, die sich hier beteiligen wollen, die gleichen Rechte wie die Unternehmen aus Deutschland oder aus anderen europäischen Ländern, zum Beispiel britische, französische oder dänische Unternehmen. Wer wollte bestreiten, dass das sinnvoll ist?
CETA enthält auch keine Einschränkung der Kommunen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Betätigung über das geltende Recht hinaus. Dies gilt genauso für die Inhouse-Vergabe. Was heute nach deutschem und europäischem Recht möglich ist, wird durch dieses Abkommen nicht berührt. Insofern sind auch hier die Besorgnisse ohne Grund.
CETA schließt auch Rekommunalisierungen nicht aus. Ein gängiges Argument, wonach die Kommunen nicht mehr frei darüber entscheiden könnten, ist falsch. Dort, wo sie nach deutschem Recht frei entscheiden können, werden sie das auch künftig tun können. Das ist uns und auch mir persönlich sehr wichtig.
Herr Kollege Liebing, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Ich finde, wir haben diese Debatte lange genug geführt. Jetzt sollten wir am Freitagmittag auch einmal zum Ende kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich nenne auch das Stichwort Sparkassenwesen. Das Sparkassenwesen gibt es in anderen Ländern in dieser Form nicht. Natürlich kommt dann die Frage: Hat das Auswirkungen auf diese spezielle Form des kommunalen Bankenwesens, auf die Sparkassen? Auch hier sind die Besorgnisse ernst zu nehmen. Aber wir können versichern: CETA wird keine negativen Auswirkungen auf das Sparkassenwesen haben. CETA verändert auch nicht das öffentliche Ausschreibungswesen. Die Kommunen legen ihre Ausschreibungsbedingungen weiterhin selber fest.
Es gibt teilweise schon sehr abstruse Behauptungen in den Diskussionen. Ich habe das selber in Schleswig-Holstein in einer Kreistagsdebatte einmal erlebt, in der behauptet wurde, ein kanadisches Unternehmen könne jetzt, wenn es bei einer Ausschreibung verloren habe, seinen entgangenen Gewinn bei einem Schiedsgericht einklagen.
(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)
– So ein Quatsch. Ganz genau. – Nichts anderes als Quatsch ist das. Denn nur bei einem Verstoß gegen geltendes Recht ist es möglich, Schadensersatz einzuklagen. Und wer wollte bestreiten, dass das nicht sinnvoll wäre! Nach nationalem Recht ist es eine Selbstverständlichkeit, dass dann, wenn gegen Recht und Gesetz verstoßen wird, Schadensersatz fällig ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Es läuft aber nicht nach dem Motto „Ich bewerbe mich bei einer Ausschreibung und setze darauf, dass ich nicht den Zuschlag bekomme, und dann klage ich den entgangenen Gewinn ein!“ ab. Das zu behaupten, ist wirklich Quatsch. Die Wirklichkeit ist eine andere.
So können wir als Fazit feststellen, dass der Antrag der Linken in der Sache falsch ist. Er kommt auch zur Unzeit, weil wir uns ja später – dann, wenn alle Unterlagen vorliegen – ausführlich hier im Parlament mit diesem Abkommen beschäftigen werden.
(Andrea Wicklein [SPD]: Sehr richtig!)
Die sorgfältige Beratung ist sichergestellt. Dafür werden wir auch sorgen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4667348 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | CETA-Abkommen EU/Kanada |