Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Kleinanlegerschutzgesetz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir ein Gesetz vorliegen haben, das versucht, die Marktbedingungen fairer zu gestalten, insbesondere in den Bereichen, wo es bisher große Lücken gab. Wir unterstützen, dass jetzt die Finanzaufsichtsbehörde BaFin bestimmte Angebote untersagen kann. Das ist eine langjährige Forderung von uns; denn es ist notwendig, dass eine Aufsichtsbehörde dann, wenn etwas schiefläuft, eingreifen kann; dafür haben wir sie ja.
Wir finden es auch richtig, dass man diesen Punkt angeht: Manchmal kann es aufgrund von Interessenverquickungen bei den Anbietern bestimmter Vermögensanlagen so sein, dass das Projekt zwar insgesamt sinnvoll aussieht, auch eigentlich gar nicht schlecht ist, man als Anleger aber trotzdem nichts bekommt, in die Röhre schaut, weil die Rendite an bestimmte Gruppen, die sich das untereinander aufteilen, abgezweigt wird. Es ist richtig, dass da etwas getan wird.
Genau dasselbe gilt im Grundsatz auch im Bereich Werbung. Wir sehen das in anderen Ländern. Es ist richtig, dass Aufsichtsbehörden auch da agieren können und dass man in der Werbung nicht irgendein Bild verbreiten kann, das nachher mit der Sachlage und mit der Zielgruppe nichts zu tun hat.
Trotzdem muss ich zwei Bereiche ansprechen, bei denen wir nicht zufrieden sind. Das eine ist die Frage: Warum schließen Sie diese Lücke eigentlich erst jetzt? Das kann ich Ihnen nicht ganz ersparen. Wir haben schon 2007 bei der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie MiFID gesagt: Der Graue Kapitalmarkt braucht eine Regelung. Wir haben uns 2009 auf Initiative der Grünen in einer Anhörung gemeinsam damit beschäftigt und die Lücken identifiziert. Es gab in der letzten Legislaturperiode zwei Gesetze – 2011 das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts und das AIFM-Umsetzungsgesetz –, bei denen wir diese Fragen schon auf dem Tisch hatten. Warum braucht es erst immer neue Skandale, bis wir endlich tätig werden? Ich finde, es ist notwendig, faire Marktbedingungen zu schaffen und nicht erst abzuwarten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wir brauchten nur eine bessere Bundesregierung!)
Die zweite Frage ist: Passt eigentlich das, was im Gesetz steht, für die Wirklichkeit insgesamt? Unsere Meinung ist: Wir brauchen einen sinnvollen Verbraucherschutz, der der wirtschaftlichen Realität in unserem Land entspricht. Das heißt, so wie wir bei den Versicherungen eine unterschiedliche Regelsetzung für den großen Allianz-Konzern auf der einen Seite und einen kleinen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auf der anderen Seite haben, so können wir in Bereichen, in denen sich Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel in einer Energiegenossenschaft zusammentun, nicht dasselbe Regelwerk haben wie für große Fondsgesellschaften.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
An dieser Stelle ist es notwendig, zum einen im Gesetzentwurf, zum anderen darüber hinaus nachzulegen.
Mit Blick auf den Gesetzentwurf – Sie haben schon erste Schritte in diese Richtung gemacht und die Kritik aufgegriffen, dass man bei der Prospektpflicht Ausnahmen schaffen muss – müssen wir über einzelne Regelungen gemeinsam nachdenken. Das eine ist: Wie hoch setzen wir die Grenze bei der Ausnahme? Ich glaube, dass wir – das hat der Bundesrat unterstützt – mit 1 Million Euro zu kurz greifen. Die normalen Investitionskosten beispielsweise für eine Windanlage, eine Solaranlage oder ein größeres Wohnprojekt liegen bei über 1 Million Euro. Damit ist dem Gedanken, den wir alle haben, dass wir eine sinnvolle Ausnahme machen, noch nicht in der richtigen Weise Rechnung getragen.
Das Zweite betrifft die Werbung. Uns allen ist schon aufgefallen, dass wir noch einmal gemeinsam darüber reden müssen, Werbung im heutigen Zeitalter auf die Presse zu konzentrieren und im Fernsehen und Internet anders zu behandeln.
Es gibt aber Punkte, die nicht im Gesetzentwurf stehen. Darauf will ich noch einmal hinweisen, weil es für uns ganz wichtig ist. Wir bekommen die Rückmeldung von vielen guten Initiativen, dass es in der Verwaltungspraxis bei der Definition, was ein öffentliches Angebot ist, und auch der Umsetzung des Kapitalanlagegesetzbuches, das wir gemeinsam verabschiedet haben, noch etwas hakt. Ich fände es gut, wenn kleine Initiativen in der Verwaltungspraxis angemessen berücksichtigt würden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich will noch eine Kritik aufgreifen, die an uns herangetragen wird und die wir ernst nehmen müssen. Die Kritik an der Prospektpflicht lautet: Der Prospekt ist zum einen teuer und deswegen für kleinere Initiativen nicht tragbar. Es ist richtig, dass wir Ausnahmen machen und schauen, wie wir die guten Informationen anders sicherstellen können. Zum anderen bringt der Prospekt so, wie er heute ist – diese Kritik ist ebenfalls zu berücksichtigen –, den Kunden gar nichts. Diese Kritik müssen wir ernst nehmen; denn es geht nicht um Schutz, der in vielen Papierbergen zum Ausdruck kommt, sondern um faire Marktbedingungen für alle Beteiligten. Ich glaube, dass es eine Möglichkeit gibt, in Richtung Standardisierung zu gehen. Andere Länder machen uns das vor. Wenn wir es schaffen, gemeinsam für faire Marktbedingungen in den verschiedenen Teilen des Marktes zu sorgen, die auch das bürgerschaftliche Engagement und alternative Formen des Wirtschaftens unterstützen, dann sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg.
Für Bündnis 90/Die Grünen sage ich: Wir wollen nicht nur, dass diesen keine Hürden in den Weg gelegt werden, sondern wir wollen, dass der Ansatz einer solidarischen Ökonomie, einer Gemeinwohlökonomie in unserem Land wachsen und gedeihen kann. Es sind gute Initiativen. Deswegen hoffe ich, dass wir gute Lösungen finden und den Gesetzentwurf, der viele richtige Punkte hat und viele Punkte von uns aufgreift, an entscheidenden Stellen noch einmal nachbessern.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Alexander Radwan, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4667440 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | Kleinanlegerschutzgesetz |