27.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 89 / Tagesordnungspunkt 19

Alexander HoffmannCDU/CSU - Verfolgung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten

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Danke. – Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir am Ende der Debatte, das eine oder andere Stichwort aus den bisherigen Reden aufzugreifen, um es ein bisschen zu kommentieren und zu verfeinern.

Zunächst noch einige Sätze zum Umfang der Regelung. Wir haben eine Hausaufgabe aufbekommen – so will ich es einmal nennen – aus der UN-Resolution 2178, die zwei Zielrichtungen hat. Die eine Zielrichtung betrifft die Sicherstellung der Strafbarkeit der Reise oder des Versuchs einer Reise, wenn diese Reise erfolgt, um terroristische Handlungen zu begehen, sie zu planen, sie vorzubereiten, sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich als Terrorist ausbilden zu lassen.

Dazu haben Sie, Kollege Ströbele, gefragt, inwieweit wir dort aktuell Strafbarkeitslücken haben. Der Tatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, wie wir ihn heute schon formuliert haben, erfordert eine konkrete Unterstützungshandlung. Die ist bei der Reisetätigkeit eben noch nicht erfolgt. Wenn wir warten, bis die betreffende Person außer Landes ist, ist es zu spät.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist Quatsch! Dafür gibt es doch den § 129!)

Die zweite Zielrichtung bezieht sich auf die Erhöhung der Mindeststrafbarkeit für die Terrorismusfinanzierung, verbunden mit dem Verzicht auf die Erheblichkeitsschwelle. Das sind die Hausaufgaben, und wir können konstatieren: Ja, es wird geliefert.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Finanzierung ist die klassische Form der Unterstützung! – Gegenruf der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Eben!)

Aber, meine Damen, meine Herren, ich gestatte mir trotzdem die Frage: Ist das nicht eine Minimallösung, die wir im Moment haben? Denn angesichts des weltweiten Terrors, angesichts seiner Grausamkeit – Kollege Heveling hat sie vorhin geschildert – traue ich mich schon, die Frage zu stellen: Hätten wir nicht mehr regeln können?

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Noch mehr Rechte einschränken! Noch mehr Freiheiten einschränken!)

Ob man mehr regeln kann und mehr regeln muss, ist abhängig von der Frage: Ist denn mehr erforderlich?

Da komme ich zur Sympathiewerbung; denn die ist aktuell nicht strafbar. Es ist vorhin angeklungen: Der § 129 a versteht den Begriff des Werbens so, dass das bloße Befürworten, das bloße Eintreten für eine bestimmte Ideologie oder der Aufruf zum Dschihad eben nicht strafbar sind.

Meine Damen, meine Herren, vergegenwärtigen wir uns, dass aktuell im Namen von bestimmten Ideologien weltweit Menschen massakriert, vergewaltigt, enthauptet und verbrannt werden.

Da komme ich zum Stichwort „Aktionismus“, weil es vorhin ja auch hieß: Die Regelung ist doch nicht notwendig; wir verlagern das viel zu weit vor. – Dazu will ich sagen: Es gibt ja die Institution des abstrakten Gefährdungsdelikts.

Der Rechtsstaat hat schon auch die Aufgabe, durch die Rechtsordnung und durch Strafgesetze ganz klar zu zeigen, was er missbilligt, und er hat auch die Aufgabe, ganz klar zu zeigen, welche Handlungen in einer Gesellschaft keinen Platz haben. Das tun wir mit diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil es mir am Herzen liegt, möchte ich noch kurz auf die Bedenken der Bundesdatenschutzbeauftragten eingehen, die sie in einem Schreiben formuliert hat, das Ihnen sicherlich vorliegt. Frau Voßhoff hat Bedenken wegen der mittelbaren datenschutzrechtlichen Auswirkungen – so schreibt sie es – und begründet das mit folgender Erklärung – den Satz will ich kurz zitieren –: So kann unter Umständen schon derjenige in den Anschein der Terrorismusfinanzierung geraten, der bei einem Terrorverdächtigen einen Gebrauchtwagen kauft. – Das geht ein bisschen in die Richtung, Kollege Ströbele, die Sie vorhin beschrieben haben, wenn zum Beispiel eine Oma ihrem Enkel Geld gibt, ohne zu wissen, was er damit macht.

Ich bin über das Argument von Frau Voßhoff durchaus verwundert. Denn das ist heute wie schon seit Jahrzehnten strafrechtliche Realität in jedem Ermittlungsverfahren. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Wenn ich von einem Privatmann oder von einem Gebrauchtwagenhändler ein Fahrzeug kaufe, gegen den wegen des Verdachts auf Hehlerei ermittelt wird, dann wird selbstverständlich auch geprüft, ob das Fahrzeug, das ich erworben habe, Hehlerware ist. Wenn sich das bestätigt, dann wird, zum Beispiel weil der Kaufpreis 30 oder 40 Prozent unter dem Marktwert lag, auch aufgrund der Preisgestaltung geprüft, ob ich unter Umständen billigend in Kauf genommen habe, Hehlerware zu erwerben. Das ist die Realität.

Ein weiterer Punkt ist wichtig, Kollege Ströbele. Er entkräftet das Beispiel, das Sie vorhin angeführt haben. Der Gesetzentwurf erfordert einen Vorsatz. Er verlangt nämlich, dass die Geldleistung in dem Wissen erfolgen muss, dass damit Terrorismus finanziert wird. Die Hürde ist also durchaus hoch. Der von Ihnen genannte Fall würde demnach schon herausfallen.

Des Weiteren wurde gefragt, wie der Zweck der Reise konkretisiert werden soll und wie man das nachweisen will. Auch Frau Voßhoff äußert Bedenken wegen der Speicherung der Telekommunikationsdaten. Meine Damen und Herren, Sie wissen, was jetzt kommt. In diesem Punkt sind wir uns noch nicht ganz einig. Aber wenn man sich die Augen und Ohren zuhält, darf man sich meiner Meinung nach nicht darüber beschweren, dass man weder etwas sieht noch etwas hört. Das heißt, wenn wir Terrorismus effektiv bekämpfen wollen, dann müssen wir uns ehrlich machen und auch offen über die Frage diskutieren, wie wir im Bereich der Speicherung von Verbindungsdaten Verbesserungen erreichen können. Sonst konstruieren wir einen Tiger, der vielleicht auf dem Papier gut aussieht, aber keine Zähne hat und nicht beißen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Schluss möchte ich noch etwas zum Thema Prävention sagen. Ein guter Rechtsstaat kümmert sich nicht nur um gesetzliche Formulierungen bzw. darum, was er strafrechtlich verbieten will, sondern er darf auch die Prävention nicht aus dem Blick verlieren. Was den vorliegenden Gesetzentwurf angeht, sollten wir uns die Zeit nehmen, parallel dazu zu überlegen, wie wir im präventiven Bereich zu Verbesserungen kommen können.

Diese Woche hat die hessische Justizministerin unsere Arbeitsgruppe besucht und von dem Projekt „Violence Prevention Network“ im Bundesland Hessen berichtet. Dort wurden Fachstellen mit Beratern eingerichtet, an die sich Angehörige wenden können, wenn sie merken, dass sich ein Familienmitglied radikalisiert. Wir sollten unbedingt darüber nachdenken, ob es nicht die Möglichkeit gibt, ein solches Projekt bundesweit aus der Taufe zu heben.

Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass es Diskussionen um die Finanzierung gibt. Aber ich glaube, wenn wir die Terrorismusbekämpfung wirklich abrunden wollen, dann muss auch die Prävention eine Rolle spielen.

Meine Damen, meine Herren, ich freue mich auf die weiteren Beratungen und auf die Anhörung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4667602
Wahlperiode 18
Sitzung 89
Tagesordnungspunkt Verfolgung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten
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