Richard PitterleDIE LINKE - Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In welches Unternehmen würden Sie lieber investieren: in eines mit guten oder in eines mit schlechten Zahlen? Doch wohl sicher in das mit den guten Zahlen. Ärgerlich nur, wenn diese guten Zahlen gar nicht stimmen und Ihr Geld am Ende futsch ist, weil ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen geschönte Zahlen abgesegnet hat. Ich werde Ihnen gleich noch erklären, was das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu tun hat.
Grundsätzlich soll mit dem heutigen Entwurf die EU- Bilanzrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Im Großen und Ganzen geht es dabei darum, die Rechnungslegung von Unternehmen in der Europäischen Union zu harmonisieren und teilweise auch zu vereinfachen, indem Standards vereinheitlicht werden. Von der Maschinenbaufirma im Ländle über die kleine Whiskybrennerei in den schottischen Highlands bis hin zum europaweit tätigen Großkonzern, künftig sollen alle Unternehmen auf der weiten Wiese des europäischen Binnenmarktes nach denselben Regeln spielen, insbesondere was ihre Jahresabschlussrechnungen angeht.
Damit sind wir schon bei einem springenden Punkt und den eingangs erwähnten geschönten Zahlen: Denn wenn man sich schon mit EU-konformen Regelungen zu Jahresabschlüssen der Unternehmen in Deutschland beschäftigt, dann muss man sich dringend auch mit den immer wieder zutagetretenden Mängeln bei der Kontrolle dieser Jahresabschlüsse durch die Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer auseinandersetzen. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, hier haben Sie nach wie vor Scheuklappen auf. Ich will es Ihnen kurz erklären: Die Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer kontrollieren die Jahresabschlüsse und sitzen somit an einer Schlüsselstelle, wenn es um die Einschätzung des tatsächlichen wirtschaftlichen Zustands eines Unternehmens geht. Hier liegt ein Problem: Die Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer müssen einerseits bei ihrer Tätigkeit objektiv sein, werden – paradoxerweise – andererseits aber von denen bezahlt, deren Rechnungen sie prüfen müssen und von denen sie sich Folgeaufträge erhoffen oder versprechen. Vorsichtig gesagt: Eine Interessenkollision liegt hier nicht fern, und es besteht die Gefahr der Kungelei.
Schlecht ist auch, dass enorm viel Macht in wenigen Händen liegt: Weltweit dominieren nämlich die sogenannten Big Four; das sind die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften KPMG, Ernst & Young, PricewaterhouseCoopers und Deloitte, die schon des Häufigeren für Negativschlagzeilen gesorgt haben.
Nehmen wir einmal die Finanzkrise: Eine der Ursachen der Krise war, dass die Jahresabschlüsse verschiedener Banken von diesen großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nur sehr mangelhaft geprüft wurden und geschönte Zahlen am Ende zu einem Riesencrash geführt haben. Das sind leider keine Einzelfälle. Immer wieder gibt es Kritik wegen der hier herrschenden Interessenkonflikte und daraus resultierenden Mängeln bei der Prüfung. Ganz nebenbei: PricewaterhouseCoopers zum Beispiel hat auch bei Steuerumgehungsmodellen der Luxemburg-Leaks-Affäre kräftig mitgeholfen, Riesensummen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler am Fiskus vorbeizuschleusen. – Sehr vertrauenerweckend, nicht wahr?
Das größte Problem ist, dass es keine unabhängige Aufsicht über die Tätigkeit der Wirtschaftsprüfungsunternehmen gibt. Sowohl die Wirtschaftsprüferkammer als auch die Abschlussprüferaufsichtskommission kranken an der Verquickung eigentlich streng zu trennender Interessen. Immer wieder wurde das hier zuständige Bundeswirtschaftsministerium darauf hingewiesen; trotzdem hat die Bundesregierung seit Jahr und Tag nichts unternommen, um für Abhilfe zu sorgen.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch die Antworten der Bundesregierung auf zwei kürzlich ergangene Anfragen der Linken zeugen vor allem von Realitätsverweigerung. Angeblich sei alles in Ordnung, Interessenkonflikte gebe es nicht. Da kann ich nur sagen: Wer’s glaubt, wird selig.
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Die bestehenden Interessenkonflikte im Bereich der Wirtschaftsprüfung müssen abgestellt und die Unabhängigkeit der Prüferinnen und Prüfer von den auftraggebenden Unternehmen sichergestellt werden. Es darf nicht sein, dass wir uns nur mit der Harmonisierung der Zahlen der Jahresabschlüsse beschäftigen – da werden wir uns, glaube ich, sehr schnell einig –, wir dürfen auch die Aufsicht über diese Zahlen nicht aus dem Blick verlieren. Die Linke wird dafür sorgen, dass dies nicht geschieht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Professor Dr. Hirte von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4667770 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie |