27.02.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 89 / Tagesordnungspunkt 20

Heribert HirteCDU/CSU - Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Das Bilanzrecht steht nicht gerade auf der Hitliste unserer Themen. Wir sind die Letzten am Freitagnachmittag, und der Saal ist nicht mehr besonders gefüllt. Das ist ziemlich traurig. Deshalb möchte ich eingangs sagen – fast würde ich sagen: vor allen Dingen auch für die Zuhörer –, worum es bei Bilanzen eigentlich geht. Herr Pitterle hat das im Übrigen auch schon ganz ähnlich getan.

In erster Linie geht es darum, den Wert eines Unternehmens zu ermitteln und darzustellen; denn wir müssen wissen, wie viel ein Unternehmen wert ist, um feststellen zu können, ob es etwas an die Gesellschafter und die Arbeitnehmer ausschütten kann. Außerdem müssen wir dies wissen, wenn die Anteile dieser Unternehmen gehandelt werden. Bei Aktiengesellschaften geht es in erster Linie um die Frage: Was ist die Aktie wert?

Früher haben wir hier – ich sage es einmal so – Erbsenzählerei betrieben. Wir haben alle Einzelteile addiert – die Maschinen, die Schornsteine und die Grundstücke – und gesagt: Das ist der Unternehmenswert. Nach dem Bilanzrecht geht man auch heute noch so vor. Allerdings wissen wir, dass der Unternehmenswert deutlich höher ist als die Summe der Einzelteile. Deshalb nehmen wir heute im Bilanzrecht selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände zur Kenntnis und beziehen die Forschungs- und Entwicklungskosten ein. Das alles ist richtig, weil es Teil einer – ich sage dies ganz bewusst – Nachhaltigkeitsstrategie ist, zu der wir im Bilanzrecht auch noch weitere Vorstöße erwarten. In diesem Zusammenhang – darüber diskutieren wir gerade – ist auch auf die CSR-Richtlinie auf europäischer Ebene – die Corporate-Social-Responsibility-Richtlinie – hinzuweisen, die das einbeziehen wird.

Wichtig ist aber die Vergleichbarkeit der Werte, da solche Unternehmensanteile auch grenzüberschreitend gehandelt werden. Deshalb gibt es hierfür einen europäischen Rechtsrahmen – bislang in Form von zwei Richtlinien. Die eine regelt den Einzelabschluss, die andere regelt den Konzernabschluss. Dieser Rechtsrahmen wird in der schon angesprochenen EU-Bilanzrichtlinie zusammengefasst und ist aufgrund der Vergleichbarkeit wichtig, und wir gehen bei manchen Punkten sogar noch über die bestehenden internationalen Rechnungslegungsstandards für die Vergleichbarkeit hinaus.

Diese Zusammenfassung ist der Kern des Gesetzentwurfs; denn wir müssen die Richtlinie in deutsches Recht umsetzen. Deshalb enthält der Gesetzentwurf – dies muss man auch sagen – auch viele technische und sprachliche Details.

Politisch wichtiger aber ist die Ausnutzung der Wahlmöglichkeiten und der Spielräume, die die Richtlinie eröffnet. Dazu hat Staatssekretär Lange ja schon einiges gesagt. Wir wollen die Schwellenwerte des § 267 HGB anheben, die der Abgrenzung von kleinen, mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften dienen. Hinter diesen Schwellenwerten stehen unterschiedlich intensive Prüfungsmaßstäbe und Offenlegungsstrategien. Das bedeutet: Dahinter stehen auch Kosten.

Man muss deutlich sagen: Wir brauchen Transparenz, aber sie ist nicht umsonst zu haben. Bei einem großen börsennotierten Unternehmen gehen die Jahresabschlusskosten in die Millionen. Herr Pitterle, es ist richtig, dass Sie richtige Zahlen und die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers wollen, aber wir müssen abwägen zwischen den Kosten, die das Ermitteln der richtigen Zahlen auslöst, und dem Gewinn des Unternehmens, der für das Ermitteln genau dieser richtigen Zahlen geschmälert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unsere Abwägung geht hier einen Schritt weiter in die richtige Richtung. Wenn die gesamten erwirtschafteten Gewinne eines Unternehmens für die Eigenkontrolle verwendet werden, dann ist das Unternehmen tot.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir heben deshalb die Schwellenwerte auf das EU- weit höchstzulässige Maß an. Das bedeutet, wie gesagt, eine deutliche Kostenersparnis. Für kleine Kapitalgesellschaften wird die Bilanzsumme von knapp 5 auf 6 Millionen Euro und die Umsatzgrenze von 9,7 auf 12 Millionen Euro angehoben. Für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften erhöht sich die Bilanzsumme von 19 auf 20 Millionen Euro, und die Umsatzerlöse steigen auf 40 Millionen Euro.

Für Kleinstkapitalgesellschaften gibt es, so meint man, eine Gegenentwicklung. Allerdings ist das meines Erachtens eine sachliche Richtigstellung. Bestimmte vermögensverwaltende Kapitalgesellschaften, in denen es durchaus auch zu Missbrauch kommen kann, erhalten – das ist ganz in Ihrem Sinne – keine Prüfungserleichterungen. Insgesamt – das sollte man deutlich sagen – geht es für den deutschen Mittelstand um eine Kostenersparnis von circa 90 Millionen Euro. Vielen Dank für den Vorschlag.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Zusammenhang mit diesen Zahlen gibt es eine ganze Reihe von technischen Einzelheiten. Bestimmte Angabepflichten – darauf möchte ich hinweisen – werden für die kleinen Kapitalgesellschaften entfallen. Umgekehrt gesagt – damit sind wir wieder bei der größeren Richtigkeit von Zahlen, aber auch bei den damit verbundenen Kosten –: Für die großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften werden weitere Angabepflichten eingeführt. Wir steigern in diesem Punkt die Transparenz. Deshalb müssen wir bei den kleinen Kapitalgesellschaften, die uns am Herzen liegen, die Angabepflichten ein bisschen verringern.

Ich möchte eine Querbemerkung dazu machen, weil wir das im Moment diskutieren: Stichwort „Frauenquote“. Wir wollen die Angaben im Zusammenhang mit der Frauenquote in den Lagebericht aufnehmen. Ich selbst habe das vor einiger Zeit vorgeschlagen und halte das für richtig. Man muss auch hier dazusagen: Das löst gewaltige Kosten aus. Aber wir müssen eben genau diese Abwägung vornehmen. An dieser Stelle zeigt sich, dass wir im Wege des politischen Prozesses versuchen, ein richtiges Maß zwischen diesen Kosten und dem Informationszugewinn zu erreichen.

Was ist sonst noch? Die Transparenz bei den Kapitalgesellschaften & Co. – das ist die GmbH und Co. – wird erhöht. Dadurch wird die Vergleichbarkeit mit der Kapitalgesellschaft verbessert. Für diejenigen, die sich ein bisschen mit Bilanzrecht beschäftigt haben: Die Angaben unter dem Strich – das sind die sogenannten Eventualverbindlichkeiten – werden in den Anhang verschoben.

Was den Konzernabschluss angeht, bleibt die phasengleiche Gewinnvereinnahmung zulässig. Das bedeutet, ein Gewinn kann auf der Obergesellschaftsebene schon zu dem Zeitpunkt vereinnahmt werden, wenn dieser auf der Untergesellschaftsebene eingegangen ist, obwohl er eigentlich erst im nächsten Jahr verzeichnet wird. Aber aus Gläubigerschutzgründen wird dort eine Ausschüttungssperre vorgesehen. Ob das möglicherweise gesellschaftsrechtlichen Folgeanpassungsbedarf nach sich zieht, wird man sehen müssen.

Von der Einführung neuer Berichtspflichten für den Rohstoffsektor aus Gründen der Korruptionsvermeidung haben wir schon gehört. Meine Kollegin Launert wird das wahrscheinlich gleich ein bisschen intensiver ansprechen.

Kein Gesetzentwurf ohne Verbesserungsmöglichkeiten, auch wenn mir bewusst ist, dass das Verfahren relativ schnell gehen soll. Da möchte ich nur drei Punkte ansprechen.

Erstens. Der Begriff der Umsatzerlöse soll, zurückgehend auf die Richtlinie, neu definiert werden. Dabei soll einerseits die Umsatzsteuer ausgeklammert werden, andererseits aber – das ist hier entscheidend – die bisherige Beschränkung auf die für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit typischen Umsätze fallen gelassen werden.

Daran, dass das wirklich die Vergleichbarkeit in der Zahlenabfolge und der Zeitfolge fördert, habe ich gewisse Zweifel, obwohl ich sehe, dass die Richtlinie genau dies so vorgibt. Darüber, ob man hier möglicherweise eine höhere Transparenz im Sinne eines Vergleichs zwischen dem, was aus der normalen Geschäftstätigkeit in Abgrenzung von den anderen Umsätzen erzielt wird, erreichen kann, sollten wir reden.

Zweitens. Man wird weiter darüber nachdenken müssen, ob man bei den Offenlegungsanforderungen im Rahmen der von der Richtlinie vorgegebenen Wahlrechte für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen nicht noch etwas nachsteuern kann. Bei aller Sympathie für Transparenz: Es ist ganz sicher nicht im Sinne deutscher Unternehmen, wenn man auf der ganzen Welt mit einem Mausklick – so ist es im Augenblick – durch Abrufen der Daten des elektronischen Bundesanzeigers sämtliche Angaben des Lageberichtes nachverfolgen kann.

Dabei geht es nicht nur um die gerade schon zitierten Daten zur Geschlechterparität oder Gleichbehandlung, die vielleicht in irgendeiner Form aufgenommen werden, sondern es geht vor allen Dingen darum, dass der Lagebericht zukunftsorientierte Daten umfasst und damit letztlich auch die Geschäftsidee des Unternehmens in sehr großer Weise offenlegt. Darüber, ob das wirklich in der Weise offengelegt werden muss, wie wir das im Augenblick im Entwurf vorsehen, werden wir reden müssen.

Drittens. Tochtergesellschaften sind unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht zur Aufstellung eines Einzelabschlusses befreit, wenn sie in den Konzernabschluss ihrer Mutter einbezogen sind. Eine der Voraussetzungen ist, dass die Mutter die Verluste der Tochter übernimmt. Hier könnte man den Text des Gesetzentwurfes so lesen, dass es dabei möglicherweise zu einer Verschärfung gegenüber dem geltenden Recht kommt. Ich habe Zweifel, ob das so gewollt ist und ob es, wenn es so gewollt sein sollte, den hiervon betroffenen Unternehmen wirklich dient.

Das alles wollen wir gemeinsam beraten. Ich freue mich auf die gemeinsamen Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Gambke von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4667771
Wahlperiode 18
Sitzung 89
Tagesordnungspunkt Umsetzung der EU-Bilanzrichtlinie
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