Karl LauterbachSPD - Gesundheitsversorgung
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich auch im Namen unserer Fraktion Minister Gröhe eine gute Besserung wünschen.
(Beifall)
Ich hoffe, dass er sich rasch erholt. Ich kann bezeugen, dass er schon stark kränkelnd noch bis Dienstagmorgen an diesem Gesetzentwurf gearbeitet hat. Er hat sozusagen seine letzte gesunde Sitzung mit uns verbracht. Dafür an dieser Stelle vielen Dank.
Wir werden bei diesem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz folgende Philosophie beachten: Das deutsche Gesundheitssystem hat sehr viele Stärken. Sehr vieles hat sich bewährt. Wir wollen das Bewährte besser machen. Wir wollen nicht die Grundsätze des Systems infrage stellen. Von daher ist es ein System, welches ständig reformiert wird, welches wächst, welches international beachtet wird und mittlerweile ein Vorbild für die Reformen von Gesundheitssystemen in aller Welt geworden ist. Aber wir haben in diesem System Probleme. Wir wollen diese Probleme pragmatisch, unbürokratisch und konkret angehen. Das ist der Grund, weshalb ich glaube, dass dieses Gesetz seinen Namen verdient. Es ist ein echtes GKV-Versorgungsstärkungsgesetz.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Die drei Probleme, auf die wir eingehen, sind wie folgt zu beschreiben:
Erstens. Wir haben in Deutschland im Vergleich zur Zahl der Fachärzte relativ wenige Hausärzte. Die Zahl der Fachärzte steigt, die Zahl der Hausärzte sinkt etwas. Das erste Problem ist also eine Fehlverteilung zwischen Hausärzten und Fachärzten.
Das zweite Problem ist: Wir haben eine ausgesprochen ungleiche Arztverteilung. Die Ärzte sind oft dort geballt zu finden, wo die Lebensqualität aus der Sicht von Patienten und Ärzten als höher empfunden wird: in den Großstädten, insbesondere in den wohlhabenden Teilen der Großstädte. Wir haben eine zunehmende Unterversorgung in ländlichen Gebieten und in den Vorstädten. Wir haben eine im europäischen Vergleich besonders hohe Arztdichte – es gibt nur ein europäisches Land, das eine noch höhere Arztdichte hat als Deutschland –, gleichzeitig aber eine Unterversorgung in ländlichen Gebieten und in den Vorstädten. Das ist das zweite Problem, welches wir angehen.
Das dritte Problem ist: Wir haben an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sehr viele Übergangsprobleme.
Diese drei Probleme wollen wir mit über 20 konkreten Maßnahmen angehen. Wegen der Kürze der Zeit konzentriere ich mich nur auf ein paar wichtige, um das System zu illustrieren.
Ich fange mit der Kritik von Herrn Weinberg an. Herr Weinberg sagte, das Hauptproblem sei die große Zahl von Privatversicherten in Deutschland, die im Alter mehr bezahlen müssten, als erwartet worden sei. Das ist nicht ganz falsch. Aber falsch ist, dass wir dagegen nichts tun. Derzeit ist es so, dass viele Arztsitze in überversorgten Gebieten dort nur wegen der hohen Zahl von Privatpatienten weiterverkauft werden; denn mit wenigen Privatpatienten kann man in einer überversorgten Region in kürzerer Arbeitszeit zum Teil mehr Gewinn machen als in einer Versorgerpraxis in der Vorstadt. Was tun wir dagegen? Wir sorgen dafür, dass ein solcher Arztsitz demnächst von den Kassenärztlichen Vereinigungen zurückgekauft werden muss, um dann in der Vorstadt eröffnet zu werden. Das ist schon eine Lösung dieses Problems. Es ist dann unmöglich, sich dort niederzulassen, wo es – auch weil es dort viele Privatpatienten gibt – schon zu viele Ärzte gibt. Ein solcher Arztsitz wird dann in eine unterversorgte Region in der Vorstadt oder auf dem Land verlagert. Das ist doch eine sinnvolle Maßnahme, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist der einzige Weg, die Ärzte unbürokratisch und kurzfristig besser im Land zu verteilen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Eine weitere Maßnahme ist die Einrichtung der Terminservicestellen. Jeder in Deutschland hat demnächst die Möglichkeit, innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin zu bekommen. Es gibt eine Nummer, die man anruft. Dort wird dann ein Termin bei einem niedergelassenen Facharzt vermittelt. Kann ein solcher Termin nicht vermittelt werden, dann bekommt man einen Termin in einer Klinik und kann dort in die Ambulanz gehen. Man hat somit die Sicherheit, innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin zu bekommen. Das ist etwas, was wir benötigen. Das ist etwas, was wir angesichts der hohen Facharztdichte, die wir in Deutschland in den Kliniken und bei den niedergelassenen Ärzten haben, darstellen können. Wir sorgen also für eine unbürokratische Verbesserung des Zugangs der Patienten, die einen Facharzttermin benötigen, und zwar innerhalb von vier Wochen.
(Beifall bei der SPD)
Eine weitere sehr wichtige Maßnahme, die wir durchführen, ist: Wir verbessern den Zugang zu unseren Hochschulkliniken. Wir haben in Deutschland sehr leistungsfähige Hochschulkliniken. Sie versorgen einen großen Teil der ambulanten Fälle, insbesondere der komplexen, der komplizierten Fälle. Sie werden dafür aber unterbezahlt. Sie machen mit jedem dieser Patienten im Durchschnitt einen Verlust; das ist natürlich nicht hinzunehmen. Dieser Verlust wird durch die stationären Einnahmen kompensiert. Wir vergüten die Hochschulkliniken jetzt in einer Art und Weise, dass sie kostendeckend arbeiten. Wir vereinfachen auch dort den Zugang. Wir vereinfachen die Ermächtigungen dieser Kliniken. Wir vereinfachen im Prinzip die Nutzung unserer Hochschulmedizin, und zwar bei Qualität und Quantität. Auch das ist für viele Patienten eine deutliche Verbesserung des Angebotes. Das, was wir hier gemacht haben, war überfällig und wird von den Patienten, aber auch von den Ärzten gewünscht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir werden die Organisation im Hinblick auf chronisch Kranke, die an Depressionen oder Rückenleiden erkrankt sind, was zu massiven Beeinträchtigungen der Lebensqualität und zu hohen volkswirtschaftlichen Verlusten führt, verbessern. Für sie führen wir die bewährten Chronikerprogramme, die wir schon für Zuckerkranke und für Herzkranke anbieten, ein. Auch das ist eine unbürokratische Verbesserung der Versorgung. Wir werden ferner die Regelungen für qualitätsorientierte Selektivverträge verbessern.
Ich komme zum Schluss. Zusammengefasst ist das eine Reform nicht gegen Ärzte, sondern das ist eine Reform für Ärzte und für Patienten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir verbessern die Möglichkeiten für Ärzte, sich dort niederzulassen und dort zu arbeiten, wo sie unter den heutigen Bedingungen gerne arbeiten und wo ihre Arbeitszeiten ihren Lebensvorstellungen angepasst werden können. Außerdem verbessern wir den Zugang zu Qualität und zur Erreichbarkeit in unserem System. Insofern ist das aus meiner Sicht ein Gesetz, das seinen Namen verdient: eine GKV-Versorgungsstärkung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Harald Terpe ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4696155 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 91 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheitsversorgung |