05.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 91 / Zusatzpunkt 3

Elke FernerSPD - Aktuelle Stunde zur Beschäftigungssituation von Frauen

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Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Arbeitsmarktzahlen sind der beste Indikator dafür, wie es um die Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft bestellt ist. Die Zahlen sind, ehrlich gesagt, ernüchternd. Ich finde nicht – das möchte ich ausdrücklich sagen –, dass das irgendwie alleine Sache der Frauen ist, weil sie so viel Teilzeit arbeiten wollen; denn die Situation hat strukturelle Ursachen, und an diese Ursachen müssen wir ran.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mittlerweile liegt der Teilzeitanteil bei den erwerbstätigen Frauen bei über 50 Prozent, das heißt, mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen hat meist kein eigenständiges, existenzsicherndes Einkommen. Häufig sind sie auf das Zusatzeinkommen des Partners angewiesen. Das hat zur Folge, dass Lohnersatzleistungen in der Regel nicht existenzsichernd sind, und das hat vor allen Dingen zur Folge, dass im Alter die eigene Rente nicht zum Leben ausreicht. Das darf man nicht einfach so hinnehmen. Wir müssen diese Spaltung auf dem Arbeitsmarkt überwinden. Wir müssen den Wunsch der Beschäftigten und die Wirklichkeit zusammenführen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist mitnichten so, Frau Kollegin Freudenstein, dass Frauen, die in Teilzeit arbeiten, genau die Arbeitszeit haben, die sie wollen. Aus den Zeitstudien und aus anderen Untersuchungen wissen wir, dass die teilzeitbeschäftigten Frauen ihre Arbeitszeit eigentlich Richtung vollzeitnahe Erwerbstätigkeit aufstocken wollen, also 30 Stunden plus ein bisschen und nicht 20 Stunden und ein bisschen weniger.

Wir wissen, dass auch die jungen Väter ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. 60 Prozent der jungen Paare möchten gerne partnerschaftlich für die Familie, für Kinder und für pflegebedürftige Angehörige, da sein. Gleichzeitig möchten sie nicht darauf verzichten, ihrem Job nachzugehen und Karriere zu machen. Aber dieser Wunsch geht mit der Wirklichkeit nicht zusammen. Deshalb ist es ein bisschen billig, zu sagen: Die Frauen wollen das. Ich sage: Nein, die meisten Frauen wollen das eben nicht!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen Verbesserungen in diesem Bereich. Deshalb haben wir bereits in dieser Wahlperiode Verbesserungen eingeleitet. Mit dem Elterngeld Plus haben wir das Elterngeld um Partnerschaftlichkeitskomponenten erweitert. Wir haben bei der Familienpflegezeit und bei der Pflegezeit deutliche Verbesserungen für die Vereinbarkeit von Familie und Pflege getroffen.

Was jetzt noch fehlt, das sind weitere Schritte hin zu einer echten Familienarbeitszeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als Manuela Schwesig diesen Vorschlag letztes Jahr in die Debatte eingebracht hat, ist er in Teilen belächelt worden, aber mittlerweile sind Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften usw. an ihrer Seite. Wir als SPD-Fraktion werden weiter für eine Familienarbeitszeit kämpfen, die es Männern wie Frauen ermöglicht, ihre Arbeitszeit aufgrund familiärer Verpflichtungen zu reduzieren und gleichzeitig ihrem Job nachgehen zu können und keine Karriereeinbußen und keine finanziellen Einbußen hinnehmen zu müssen, nur weil man – oder besser gesagt: „frau“ – Teilzeit arbeitet.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit bin ich beim zweiten Thema, nämlich beim Thema „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“. Nein, es ist nicht so, dass die Frauen einfach nur die falschen Berufe wählen. Wenn es so viele Frauen gibt, die als Journalistinnen arbeiten: Warum gibt es dann so wenig Chefredakteurinnen bei den Rundfunkanstalten, bei den Zeitungen, bei den Wochenzeitungen? Warum werden Journalistinnen schlechter bezahlt als Journalisten?

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Warum wird das Heben von Steinen eigentlich besser bewertet als das Heben von Menschen in Pflegeeinrichtungen?

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Warum wird derjenige, der unsere Waschmaschine repariert, besser bezahlt als diejenige, die unsere Kinder erzieht?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das sind die Diskussionen, die wir führen müssen, wenn es um das Thema „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ geht.

Ich will ausdrücklich widersprechen – auch wenn das Statistische Bundesamt der Auffassung ist, dass aus dem bereinigten Gender Pay Gap bestimmte Komponenten herausgerechnet werden müssen –: Es ist für meine Begriffe nicht statthaft, dass Teilzeitbeschäftigung herausgerechnet wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass Teilzeitbeschäftigte bei gleicher Arbeit schlechter bezahlt werden. Das ist schon heute nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht erlaubt, aber es passiert trotzdem.

Eben bei der Debatte über das Thema Mindestlohn haben wir gehört, dass von Arbeitgebern teilweise versucht wird, bestehende Regelungen, die sie jahrelang nicht eingehalten haben, auch in Zukunft nicht einhalten zu müssen. Es darf nicht alleine auf den Schultern der einzelnen Beschäftigten lasten, dafür zu sorgen, dass er oder sie zu seinem oder ihrem Recht kommt. Dafür brauchen wir ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit, und das werden wir in dieser Wahlperiode auch angehen – das steht im Koalitionsvertrag –; denn es geht darum, dass gleiche Arbeit bzw. gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt wird, dass es mehr Lohngerechtigkeit gibt. Ich würde mir wünschen, dass wir hier es alle noch erleben werden, dass der Equal Pay Day auf den 1. Januar fällt; dann nämlich werden Frauen und Männer für die gleiche Arbeit auch das gleiche Geld bekommen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Ursula Groden-Kranich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4698938
Wahlperiode 18
Sitzung 91
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Beschäftigungssituation von Frauen
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