Sabine ZimmermannDIE LINKE - Förderung und Integration von Arbeitslosen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal ein Dankeschön an die Kolleginnen und Kollegen der Grünen, dass sie diesen Antrag heute vorgelegt haben und uns allen in diesem Hause die Möglichkeit geben, noch einmal über das Thema Arbeitsmarkt zu reden. Es ist erschreckend, wie sich die Bundesregierung weigert, die realen Fakten auf dem Arbeitsmarkt zur Kenntnis zu nehmen. Jeden Monat klopfen Sie sich stolz auf die Schulter, wie toll doch der Arbeitsmarkt bei uns in Deutschland funktioniert.
Es ist aber, ehrlich gesagt, nur die halbe Wahrheit, wenn Sie im Februar eine Arbeitslosigkeit von 3 Millionen Menschen verkünden. Rechnen wir die 1-Euro-Jobber, die Erwerbslosen in Weiterbildung, die Erwerbslosen über 58 Jahren und die arbeitsunfähigen erkrankten Erwerbslosen hinzu, sind wir schon bei 3,8 Millionen. Rechnen wir dann auch noch die sogenannte stille Reserve hinzu, also vor allem diejenigen, die resigniert haben und sich gar nicht mehr bei der Arbeitsagentur melden, sind wir sogar schon bei 4 Millionen Menschen.
4 Millionen erwerbslose Menschen hier in Deutschland: Ich weiß nicht, an Ihrer Stelle würde ich nachts gar nicht mehr schlafen können, wenn ich Monat für Monat immer die falschen Zahlen verkünden würde.
(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ihre Zählweise ist bekannt aus der Vergangenheit!)
– Hören Sie mir zu. Dann kann ich Ihnen das weiter erklären, lieber Kollege.
Frau Nahles sagt Monat für Monat ebenfalls nicht, dass der bejubelte Beschäftigungsaufbau an Langzeiterwerbslosen, Älteren und Menschen mit Behinderung vorbeigeht. Sie sagt natürlich auch nicht, dass viele der neuen Jobs mit Niedriglöhnen, in Teilzeit oder nur befristet angeboten werden. Kaum in den Arbeitsmarkt integriert – Kollegin Pothmer hat es schon gesagt –, sind gerade diese Menschen gleich wieder arbeitslos bzw. bleiben trotz Arbeit im Hartz-IV-Bezug.
Genau deshalb finden wir es gut, dass die Grünen heute einen Antrag für eine bessere Arbeitsförderung vorlegen. Nur, Kollegin Pothmer, leider muss ich sagen, dass dieser Antrag natürlich deutlich hinter unserem Fünf-Punkte-Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zurückbleibt.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Der ist besser! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr seid einfach nicht zu toppen!)
Immerhin fordern die Grünen aber auch, dass das versprochene Fördern bei Hartz IV endlich einzulösen ist. Die Bundesregierung scheint stattdessen zu glauben, dass sie mit dem Mindestlohn – man kann auch sagen: Modell Schweizer Käse –, ihre Hausaufgaben bereits erledigt hätte.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Heute Morgen haben Sie sie noch gelobt!)
Ich sage Ihnen: Der Mindestlohn kann nur ein Anfang sein, aber auch nur dann, wenn er richtig gemacht ist, Kollege Rosemann. Also weg mit den Ausnahmen, auch für die langzeiterwerbslosen Menschen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Regierung muss auch aufhören, vom Fordern und Fördern zu schwadronieren, solange sie das Fordern immer besser und das Fördern immer weniger versteht. Es macht doch einfach keinen Sinn, Druck auf Erwerbslose auszuüben, wenn man weiß, dass gar nicht genug Arbeitsplätze vorhanden sind. Noch immer kommen bundesweit mehr als drei Erwerbslose auf eine offene Stelle.
Entscheidend ist nun einmal in den meisten Fällen – ich glaube, da sind wir beide uns einig – die Qualifikation. Je weniger qualifiziert, desto schlechter sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Mit Sanktionen verändern Sie an dieser Situation überhaupt nichts. Deshalb fordert die Linke: Weg mit den Sanktionen!
(Beifall bei der LINKEN)
Gerade für den Personenkreis mit den geringsten Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt fordert die Linke eine Initiative für eine gute öffentlich geförderte Beschäftigung im Umfang von 200 000 Stellen. Die SPD hat den sozialen Arbeitsmarkt vergessen. Abgesehen von den Grünen und uns redet niemand mehr darüber. Schade.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen dringend einen Ausbau der Weiterbildung und Qualifizierung. Ohne einen guten Berufsabschluss ist auf dem Arbeitsmarkt einfach nichts zu erreichen. Es ist fatal, dass mit den Hartz-Gesetzen die Weiterbildung immer weiter eingebrochen ist. Immer wieder melden sich bei mir Erwerbslose, die gern weitergebildet werden möchten, die eine Weiterbildung machen wollen, diese aber nicht genehmigt bekommen. Deshalb sagen wir: Hier muss es einen Rechtsanspruch für die Betroffenen geben.
(Beifall bei der LINKEN)
Wer wirklich eine andere Arbeitsmarktpolitik will, muss auch Geld in die Hand nehmen. Das betrifft nicht nur die Mittel für die Weiterbildung, sondern auch ausreichend und gut qualifiziertes Personal in den Jobcentern und Arbeitsagenturen. Stattdessen sind die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik in den letzten Jahren massiv gekürzt worden, nämlich um 40 Prozent, obwohl die Arbeitslosigkeit nur um 5,7 Prozent zurückgegangen ist.
(Zuruf der Abg. Kerstin Griese [SPD])
– Frau Giese, es ist leider so. Sie haben in diesem Bereich seit 2010 eine Einsparung um 40 Prozent vorgenommen. Das widerspricht sich.
Meine Damen und Herren der Großen Koalition, es ist offensichtlich: Diese Regierung hat andere Schwerpunkte als die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Dann sagen Sie aber auch ehrlich, dass die langzeiterwerbslosen Menschen abgeschrieben sind, und klagen Sie nicht über einen angeblichen Fachkräftemangel, wenn Sie hier die enormen Potenziale nicht nutzen wollen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt Dr. Matthias Bartke das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4699586 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 91 |
Tagesordnungspunkt | Förderung und Integration von Arbeitslosen |