05.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 91 / Tagesordnungspunkt 12

Peter WeißCDU/CSU - Rentenrechtliche Anrechnung von Mutterschutzzeiten

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Status des sogenannten besonders langjährig Versicherten – mit 45 Beitragsjahren –, der zum Beispiel nach der Neuregelung eine abschlagsfreie Rente mit 63 beantragen kann, war und ist für denjenigen gedacht, der wirklich lange gearbeitet

(Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Ist Kindererziehung keine Arbeit?)

und mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen unseren Staat und unsere Sozialsysteme stabilisiert hat, als ein Dankeschön für lebenslange Arbeitsleistung. Das war der allererste Grund, warum wir das gemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei diesen 45 Jahren sind selbstverständlich auch die drei Jahre berücksichtigt, die für jedes Kind als Kindererziehungszeit bei der Rente angerechnet werden, und die insgesamt zehn Jahre Kinderberücksichtigungszeit, also Zeiten, in denen weder gearbeitet werden muss noch Beiträge gezahlt werden müssen.

(Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Das ist ja heftig heute!)

Zehn Jahre zusätzlich schenken wir den Müttern bei der Berechnung der 45 Jahre.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann kommt es doch auf die vier Wochen nicht an, Herr Kollege Weiß!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir, diese Koalition, haben die Mütterrente verbessert, indem wir für vor 1992 geborene Kinder die Kindererziehungszeiten verdoppelt haben.

(Beifall des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])

Wir haben dafür gesorgt, dass auf die 45 Jahre, die notwendig sind, um den Status des besonders langjährig Versicherten zu erreichen, zehn Jahre Kinderberücksichtigungszeit angerechnet werden. Mehr als diese Große Koalition hat bisher niemand in Deutschland für die Rente der Mütter getan.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann nehmen Sie doch die vier Wochen dazu!)

Angesichts dieser Tatsachen ist es infam und lächerlich, was die Linken hier abziehen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Linke rechnet immer damit, dass nicht jeder die genauen Regelungen des Rentenrechts kennt und ihre Parolen sich deswegen irgendwo verfangen können.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist eine böswillige Unterstellung! Das wissen Sie!)

Wenn eine Frau heute oder morgen, also mitten im März, in Mutterschutz geht, dann zählt der gesamte März als Beitragszeit.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aha! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie persönlich der Frau geschenkt?)

– Langsam. – Wenn das Kind im April auf die Welt kommt, dann zählt der gesamte April für das erste Jahr Kinderberücksichtigungszeit, sprich: null Lücke in der Rentenbiografie. Das ist die bestehende gesetzliche Regelung.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Wenn in den kommenden Jahren ein zweites oder drittes Kind geboren wird, dann ist das in den seltensten Fällen zwölf Jahre nach dem ersten Kind der Fall. Die Frau ist also noch mitten in der Kinderberücksichtigungszeit, die dann neu berechnet wird. Das heißt, der von Herrn Birkwald geschilderte Fall, dass bei mehreren Kindern mehrere Lücken entstehen können, trifft nicht zu.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es gibt keine Kinder, die elf Monate auseinander sind, oder was?)

In der Regel gibt es eine geschlossene Rentenbiografie aller Mütter, die Kinder gebären, was die Berechnung der 45 Jahre anbelangt.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Er hat es einfach nicht verstanden!)

Nun habe ich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefragt: Ist dem Ministerium zumindest ein einziger Fall bekannt, in dem zwischen Eintritt der Mutterschutzfrist und der Geburt des Kindes zwei Monatswechsel liegen

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sechs Wochen! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: In 50 Prozent der Fälle trifft das zu, außer bei Frühgeburten!)

und aus diesem Grund bei der Berechnung von 45 Beitragsjahren zum Bezug einer abschlagsfreien Rente tatsächlich vier Wochen fehlen könnten? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mir am 2. März geantwortet: Dem Ministerium ist kein einziger solcher konkreter Fall bekannt. – Es ist doch bemerkenswert, dass, obwohl es gar keinen bekannten Fall gibt, in dem jemandem wirklich diese Zeit fehlt, die Linken einen solchen Antrag einbringen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesetzentwurf! – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Warum gibt es dann eine Petition dazu? Das verstehe ich nicht!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land gehen wirklich davon aus, dass es um 45 Beitragsjahre geht, in denen man sich durch harte Arbeit seine Rente verdient hat.

Kollege Weiß, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Birkwald?

Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Wenn das alles so wäre, wie Sie sagen, dann gäbe es keinen Grund, dass es a) eine Petition dazu gibt und b) das Ministerium darauf antwortet. Ich habe hier noch eine, die die schöne Nummer 51802 hat. Sie ist relativ kurz. Heute rief in meinem Büro eine Kollegin vom Deutschlandfunk an und bezog sich auf diese Gerechtigkeitslücke. Es gibt sie also sehr wohl.

Ich habe eben in meiner Rede gesagt, dass es nicht viele Fälle gibt und dass deshalb auch der Finanzbedarf nicht so groß ist. Hier geht es aber um das Prinzip. Es ist richtig, was Sie gesagt haben: In dem Monat, in dem das Kind geboren wird, gilt der Schutz schon; aber in dem Zeitraum davor nicht. Das sind bis zu vier Wochen. Vermutlich werden es nicht so viele Fälle sein. Die Erfahrung können wir noch gar nicht haben, weil das Gesetz erst seit kurzem gilt. Wir wissen aber, dass es bisher 232 000 Anträge gibt, 77 333 ungefähr von Frauen. Die Mütter müssen Sie aus diesen herausfiltern. Diese Zahl kann das Ministerium bisher gar nicht vorlegen.

Regeln Sie diese Zeit. Fügen Sie in den § 51 Absatz 3 a SGB VI die entsprechende Passage ein. Es kostet Sie nicht viel, außer ein bisschen Goodwill. Dann kann keiner Mutter mehr etwas passieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Verehrter Herr Kollege Birkwald, ich habe auch nachgefragt, ob den Petitionen, die eingereicht worden sind und die Sie zitieren, jeweils seitens der Petenten ein konkreter Fall zugrunde liegt, in dem wegen Nichtanrechnung von Mutterschutzzeiten exakt aus diesem Grund die 45 Jahre nicht erreicht werden. Die Antwort ist: In keiner der eingereichten Petitionen gibt es einen solchen Fall.

Das heißt, weder dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist so etwas bekannt noch der Deutschen Rentenversicherung, noch liegt den Petitionen, die bei uns eingereicht worden sind, diese Fallkonstellation zugrunde. Sprich: Sie haben einen Antrag zu einer Sache gestellt, zu der es überhaupt keinen konkreten Fall eines Menschen gibt, der irgendeinen Nachteil hat. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so ähnlich wie mit der Tarifeinheit! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das Problem ist, dass es von uns kommt!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, die wesentliche Aussage ist, dass wir in der Tat bei der Berechnung der 45 Beitragsjahre eine ausgesprochen frauen- und mütterfreundliche Konstellation gewählt haben. Vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist das Instrument der Kinderberücksichtigungszeiten nicht bekannt, nämlich dass ab der Geburt des letzten Kindes zehn Jahre mit berücksichtigt werden, auch wenn in diesen zehn Jahren nicht gearbeitet wurde und keine Beiträge gezahlt worden sind.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird immer gearbeitet! – Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Kindererziehung ist auch Arbeit!)

Die Anerkennung von Kindererziehungs- bzw. -berücksichtigungszeiten bei der Berechnung der 45 Jahre ist sozusagen der wichtigste Beitrag, den wir zur Mütterrente geleistet haben.

Ich bin gerne bereit, zu sagen: Ja, wir wollen uns das im Detail noch einmal anschauen. Aber dass die Reformen, die wir zugunsten der Frauen und Mütter in unserem Land durchgeführt haben, jetzt in einer Bundestagsdebatte mit Beispielen, die an den Haaren herbeigezogen sind und für die es bisher keinen einzigen konkreten Beleg gibt, schlechtgeredet werden, zeigt, wie die Linke arbeitet: Sie hetzt die Leute auf und verunsichert sie, während sie die Wahrheit, die Fakten über unser Rentenrecht verschweigt. Das lassen wir ihr nicht durchgehen; das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Die Leute denken sich doch so etwas nicht aus! Sie nehmen den Einzelnen nicht ernst!)

Ihrem Gesetzentwurf können wir schon deswegen nicht zustimmen, weil das, was Sie zur Geburt eines oder mehrerer Kindern aussagen, auf jeden Fall grundlegend falsch ist. Einem Gesetzentwurf, der falsche Behauptungen beinhaltet, werden wir erst recht nicht zustimmen. Auch das ist klar.

Ich will wiederholen, was bei 45 Beitragsjahren angerechnet wird – das ist doch ganz beachtlich –: selbstverständlich Pflichtbeiträge aus Beschäftigung. Neu mit aufgenommen haben wir Zeiten aus selbstständiger Tätigkeit, wenn zuvor 18 Jahre Pflichtbeiträge gezahlt worden sind. Auch das ist eine Neuerung. Wir haben Zeiten des Wehr- und Zivildienstes integriert. Wir haben Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes aufgenommen, die sogenannten Kinderberücksichtigungszeiten, die ich schon erwähnt habe. Es werden Zeiten berücksichtigt, in denen Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Leistung bei Krankheit oder Übergangsgeld bezogen worden sind. Wir haben Zeiten des Bezugs von Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Winterausfallgeld, von Insolvenzgeld und Konkursausfallgeld mit eingerechnet. Hinzu kommen zu Recht Ersatzzeiten, wie zum Beispiel die politische Haft in der ehemaligen DDR. Das alles zählt bei 45 Beitragsjahren mit. Ich finde, das ist beachtlich.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann könnt ihr die vier Wochen noch mit aufnehmen!)

In der Tat zählen sogenannte Anrechnungszeiten nicht mit, zum Beispiel Zeiten eines Schulbesuchs, eines Fachschulbesuchs oder eines Hochschulbesuchs, Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe oder des Bezugs von Arbeitslosengeld II, Zurechnungszeiten und zusätzliche Wartezeitmonate aufgrund eines Versorgungsausgleichs oder eines Rentensplittings. Ich finde, das, was wir bei den 45 Jahren mitrechnen, ist mehr als das, was die allermeisten Bürgerinnen und Bürger in unserem Land vermuten.

Das, was wir mit dem Rentenpaket beschlossen haben und zum 1. Juli vergangenen Jahres in Kraft gesetzt haben, kann sich sehen lassen. Sehen lassen kann sich auch das, was wir für die Mütter getan haben, nämlich die Verdoppelung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder und die Einrechnung der Kinderberücksichtigungszeiten, also die Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes, in die 45 Jahre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, das Rentenpaket ist ein Rentenpaket, mit dem wir uns klar dazu bekennen: Die Erziehung von Kindern ist ein Beitrag zur Stabilisierung unseres sozialen Sicherungssystems. Die Erziehung von Kindern ist eine wichtige Voraussetzung, eine Basis dafür, dass unsere Gesellschaft auch in Zukunft lebendig und leistungsfähig bleibt. Was Eltern leisten, ist eine großartige Leistung, die man nicht allein durch Geld und Rentenpunkte anerkennen kann, die aber zu Recht auch durch Geld und Rentenpunkte mit anerkannt werden soll. Ich finde, mit den Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung in unserem Rentenrecht können wir uns sehen lassen. Wir brauchen dazu keinen Linken-Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Kollege Markus Kurth hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4699862
Wahlperiode 18
Sitzung 91
Tagesordnungspunkt Rentenrechtliche Anrechnung von Mutterschutzzeiten
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