05.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 91 / Tagesordnungspunkt 13

Sebastian HartmannSPD - Regionalisierungsgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn das eine sehr dramatische Beschreibung war, Frau Kollegin Leidig, wir debattieren heute über die Regionalisierungsmittel und die auskömmliche Finanzierung des Nahverkehrs.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Aber Herr Ferlemann hat das in der letzten Ausschusssitzung so gesagt!)

Das Wort „Regionalisierungsmittel“ ist ein sperriges Wort.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Eben nicht!)

– Sie müssen jetzt zuhören. – Es geht im Kern um die Mittel, die den Bundesländern zustehen, um ihre Aufgabe, die sachgerechte Finanzierung des Nahverkehrs, sicherzustellen, um nicht mehr und nicht weniger.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das sagt Herr Ferlemann anders! Es geht um viel mehr!)

Gleichzeitig – da gebe ich Herrn Staatssekretär Ferlemann recht – blicken wir auf eine erfolgreiche Bahnreform zurück mit einer Aufgabenzuweisung an die Länder, was den Nahverkehr angeht, und einer Aufgabenzuweisung an den Bund, was den Fernverkehr angeht. Zugleich haben wir als Bund tatsächlich die Verantwortung, wenn wir an das Eisenbahnverkehrsunternehmen und das Eisenbahninfrastrukturunternehmen Bahn AG denken. Das ist unsere Verantwortung.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Da bin ich gespannt!)

Insofern: Es geht heute Abend um eine zentrale Unterscheidung, um zwei grundsätzlich voneinander zu trennende Sachverhalte. Das eine ist das kurzfristige Nachholen einer ausgebliebenen Dynamisierung, die auf breiteKritik gestoßen ist. Sie wird heute Abend durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung nachgeholt – 1,5 Prozent mehr Geld für den Nahverkehr in Deutschland; knapp 110 Millionen Euro –,

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht doch hinten und vorne nicht!)

damit diese Aufgabe in den Ländern erfüllt werden kann.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kosten steigen noch viel stärker!)

Das andere, was dringend geboten und davon wirklich zu trennen ist, ist eine grundlegende Revision der Regionalisierungsmittel, um dauerhaft und zukunftsfähig die Aufgaben im Nahverkehr zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen. Das eine ist vom anderen zu trennen; denn wir müssen uns ausreichend Zeit nehmen,

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zeit hattet ihr!)

um zu einer dauerhaften Lösung bei der Revision der Regionalisierungsmittel für die nächsten 15 Jahre zu kommen. Sie können gerne versuchen, das zu vermischen. Sie können versuchen, den Menschen etwas anderes einzureden. Aber darum geht es heute Abend nicht. Wir holen jetzt diese Dynamisierung nach. Aus Sicht der SPD – das sage ich Ihnen auch in aller Klarheit – ist es unerlässlich, dass wir bis Mitte des Jahres 2015 zu einer dauerhaften Lösung, was die Frage der Regionalisierungsmittel und ihrer Zukunft angeht, kommen, um diese Aufgabe auch in den nächsten Jahren ausreichend zu finanzieren. Das ist die Planungssicherheit, die die Bundesländer und die Verkehrsträger brauchen, um das gute Niveau, das Millionen von Nutzerinnen und Nutzern vom Nahverkehr in unserem Land erwarten, sicherzustellen, und die wir brauchen, damit wir ausreichend Zeit für die Lösung dieser Frage haben. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zeit hattet ihr! – Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

– Jetzt machen Sie es nicht schlimmer, als es ist, Frau Kollegin Leidig. Wer als Opposition im Ausschuss versucht, diesen Gesetzentwurf, den wir heute Abend beschließen werden und der vorsieht, den Ländern über 110 Millionen Euro mehr an Nahverkehrsmitteln zu überweisen, von der Ausschusstagesordnung abzusetzen und dann noch gegen den Antrag der Bundesregierung stimmt, will den Bundesländern die Zahlung von insgesamt 110 Millionen Euro vorenthalten, die wir hier jetzt zur Verfügung stellen wollen. So ist es.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber den Gesetzentwurf der Länder haben Sie von der Tagesordnung genommen! Die GroKo war das!)

Kollege Hartmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Leidig?

Ja, selbstverständlich, Frau Kollegin Leidig.

(Gustav Herzog [SPD]: Hartmann, muss das sein?)

– Das sagt Herr Kauder manchmal.

Kollege Hartmann, ich finde, dass Sie hier in völlig unredlicher Weise die Debatte verzerren. Fakt ist, dass die Länder gemeinsam einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der ganz anders aussieht als der des Bundes.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und der wurde von der Tagesordnung genommen!)

Unsere Auffassung ist nach wie vor, dass wir diesen Vorschlag der Länder thematisieren, behandeln und auch beschließen sollten, weil die Länder viel gründlicher mit den Problemen vertraut sind, weil sie viel nachvollziehbarer dargelegt haben, warum sie dauerhaft eine Lösung brauchen und nicht nur eine Zwischenlösung für ein Jahr, nachdem ja völlig offen ist, wie es weitergeht, weil sie Anschlussverträge für auslaufende Verkehrsverträge aushandeln müssen, und zwar nicht für ein Jahr, sondern für die nächsten 15 Jahre. Das ist unser Anliegen als Opposition gewesen. Ich kann überhaupt nicht begreifen, warum Sie sich gegen Ihre eigenen Ministerpräsidenten stellen.

(Thomas Viesehon [CDU/CSU]: Das ist doch keine Rede! Nur eine Frage!)

Wo ist die Frage, Frau Kollegin?

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ich habe eine Intervention gemacht!)

Die Kollegin hatte das Wort zu einer Frage oder Bemerkung. Das habe ich Sie auch gefragt. Das gibt die Geschäftsordnung her. Ihnen steht es jetzt frei, auf diese Bemerkung zu antworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das möchte ich tun.

Dazu müssen Sie stehen bleiben, Frau Leidig.

Ich werde jetzt auf Ihre Intervention antworten. Das entspricht ja auch dem Gebot des parlamentarischen Miteinanders. – Sie stimmen mir sicherlich zu, Frau Kollegin, dass Ihre Fraktion im Ausschuss in der vergangenen Woche dafür gestimmt hat, den Tagesordnungspunkt „Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung“ von der Tagesordnung abzusetzen. Als Sie damit keinen Erfolg hatten, haben Sie sogar gegen diesen Entwurf gestimmt. In diesem Entwurf sind 109,5 Millionen Euro mehr für den Nahverkehr vorgesehen. Das entspricht einer Dynamisierung um 1,5 Prozent.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kosten steigen weiter!)

Das sind insgesamt 109,5 Millionen Euro mehr Mittel, die wir den Ländern zur Verfügung stellen, damit sie den Nahverkehr ausreichend finanzieren können. Ich nehme Ihre Wortwahl auf. Sie haben zu Recht gesagt, dass es sich um eine Zwischenlösung handelt. Das ist ein gutes Stichwort. Sie erkennen, dass es um eine Zwischenlösung geht. Diese brauchen wir, um zu einer dauerhaften Revision der Regionalisierungsmittel zu kommen. Um nicht mehr und nicht weniger geht es uns.

Wenn ich dann den Punkt aus Ihrer Frage aufnehme – das müssen Sie jetzt auch zulassen –, dass es tatsächlich einen Entschließungsantrag der Grünen gibt, in dem vorgesehen ist, einerseits die entsprechenden Zahlen des Bundesgutachtens in Höhe von 7,65 Milliarden Euro zur Grundlage für das Haushaltsjahr 2015 zu machen, muss ich sagen: Das ist in sich nicht schlüssig. Wenn Sie einerseits die 7,65 Milliarden Euro

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mindestens!)

aus dem Gutachten des Bundes als auskömmlich ansehen und auf der anderen Seite auf der Grundlage eines anderen Gutachtens verhandeln wollen, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, müssen Sie sich schon entscheiden: Gilt das Gutachten des Bundes, oder gilt das Gutachten der Länder von KCW? Das ist der Punkt.

Sie sehen, dass der Teufel im Detail steckt. Wir brauchen ausreichend Zeit für die Aufgabe, zwischen dem Bund und den Ländern eine Einigung hinsichtlich der Finanzierung des Nahverkehrs zu erzielen. Dazu müssen wir kommen. Das ist das Ziel, das wir verfolgen. Deswegen brauchen wir die kurzfristige Dynamisierung. Ich danke Ihnen, Frau Leidig, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, das darzustellen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir haben in der Tat eine aufschlussreiche Anhörung durchgeführt. In dieser aufschlussreichen Anhörung ging es nicht nur um die finanzielle Erhöhung der Mittel, sondern wir haben auch Hinweise bekommen, wie wir ein zukünftiges Regulierungsregime gestalten können. Stations- und Trassenpreise sind das Stichwort. Natürlich wollen wir nicht mehr in eine Situation kommen wie in der Vergangenheit, dass die gezahlten Mittel nicht mit der tatsächlichen Kostenentwicklung im Eisenbahnsektor übereinstimmen.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das riskieren Sie dann!)

Wir wollen nicht, dass es zu Abbestellungen im Nahverkehr kommt. Deswegen brauchen wir ausreichend Zeit, um diese Gutachten und die Erkenntnisse bewerten zu können, nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch inhaltlich. Sie können sich darauf verlassen, dass die Große Koalition das tun wird.

Ich habe etwas dazu gesagt, wie Sie im Ausschuss vorgegangen sind. Vermischen Sie bitte hier im Plenum nicht die kurzfristige Nachholung der Dynamisierung, also die Zurverfügungstellung von mehr Mitteln – auch wir hatten die zunächst ausgebliebene Dynamisierung kritisiert – mit der dauerhaften Lösung für die Zukunft der Regionalisierungsmittel. Da haben wir einiges an Diskussionsbedarf. Die Ergebnisse der Gutachten sind zu plausibilisieren, die Hinweise sind aufzunehmen, und über das Regulierungsregime haben wir auch auf Bundesebene zu diskutieren.

Ich sage auch: Anerkennung an die Länder. Ja, die Länder haben sich auch auf den Weg gemacht. Die Länder haben nicht nur über die Höhe der Mittel entschieden, sondern sie haben darüber hinaus mit dem sogenannten Kieler Schlüssel auch zu einer anderen Verteilung der Mittel gefunden, um abzubilden, dass sich Verkehre, Einwohnerentwicklung und bestellte Zugkilometer tatsächlich auseinanderentwickelt haben. Doch es ist unsere Aufgabe, das auf Bundesebene zusammenzufassen und damit den Nahverkehr und den Fernverkehr als gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern zu begreifen.

Wir brauchen dafür Zeit. Denn auf der Bundesebene verantworten wir Finanzierungskreisläufe wie die nun getroffene Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II, auf der Bundesebene tragen wir auch die Regulierungsverantwortung, zum Beispiel durch den Eisenbahninfrastrukturbeirat, und setzen damit den europäischen Rechtsrahmen. Das ist eine gemeinsame Aufgabe. Es wird nicht ausreichen, zwei Zahlen aus zwei Gutachten abzuschreiben. Vielmehr müssen wir diese wichtige Aufgabe für die nächsten 15 Jahre sicherstellen.

Noch kurz etwas zum Stichwort „Transparenznachweise“. Hier sind die Bundesländer angesprochen. Ja, wir als Bund werden 7,41 Milliarden Euro überweisen, wenn wir heute Abend den Gesetzentwurf so verabschieden, wie ihn die Bundesregierung vorgelegt hat. Darüber hinaus wurden allein in 2014 insgesamt über 10,2 Milliarden Euro für den Nahverkehr aufgebracht. Wer die Länder auf der einen Seite kritisiert, indem er sagt, dass er mehr Transparenznachweise braucht, muss auf der anderen Seite aber auch anerkennen, dass weitere Mittel in diesem Finanzierungskreislauf Nahverkehr investiert werden.

Deswegen wollen wir die Aufgabe stärker machen. Wir wollen sie besser machen. Wir wollen die inhaltlichen Hinweise, die wir bekommen haben, aufnehmen. Dafür müssen wir uns als Große Koalition entsprechend Zeit nehmen. Eine Einigung setzt die Zustimmung beider Seiten voraus. Wir wollen die Aufgabe nicht infrage stellen. Denn zukünftig müssen wir die Mittel nicht nur zweckbinden, sondern wir müssen die Mittel in dieser Höhe auch sichern, und wir müssen den zukünftigen Finanzbedarf entsprechend abbilden.

Ich glaube, dass wir mit dem heutigen Schritt Zeit gewinnen, um zu einer dauerhaften Lösung der Frage, zu einer grundlegenden Revision der Regionalisierungsmittel zu kommen. Deswegen: weniger Kritik, sondern mehr Auseinandersetzung mit den Gutachten, wenn man sie denn gelesen hat. Wir machen uns gemeinsam auf einen guten Weg. Denn ich hatte nicht den Eindruck, dass Sie, liebe Kollegen von den Grünen oder von den Linken, den Nahverkehr als Erfolgsmodell in diesem Land infrage stellen wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir tun es nicht!)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Stephan Kühn das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4700021
Wahlperiode 18
Sitzung 91
Tagesordnungspunkt Regionalisierungsgesetz
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