Dietrich MonstadtCDU/CSU - Rechtsschutz bei geheimen behördlichen Informationen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute in erster Lesung über einen von den Bündnisgrünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung; Frau Keul, Sie haben den Gesetzentwurf vorgestellt. Hiermit soll angeblich eine Verbesserung des Rechtsschutzes bei behördlich geheim gehaltenen Informationen erreicht werden.
Ausnahmsweise geht es den Antragstellern also nicht um neue Verbote für Bürgerinnen und Bürger, sondern um eines ihrer weiteren Lieblingsthemen, nämlich den allmächtigen Staat, vor dem man die Bürgerinnen und Bürger besser schützen müsse. Frau Keul, eigentlich müssten Sie es doch besser wissen.
Schauen wir uns die Fakten an. Bereits im Jahre 1999 hat das Bundesverfassungsgericht den damaligen Gesetzgebern aufgegeben, die Regelungen zur behördlichen Aktenvorlage neu zu fassen. Dabei rügte das Bundesverfassungsgericht vor allem die Einschränkung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz. Bis dato genügte für die Auskunftsverweigerung seitens einer Behörde bereits eine Glaubhaftmachung der in § 99 Absatz 1 Satz 1 VwGO enthaltenen Voraussetzungen.
Angemahnt wurde in diesem Zusammenhang die Einführung eines gerichtlichen Verfahrens. In diesem sollte die Geheimhaltungsbedürftigkeit ohne Kenntnisnahme durch die Beteiligten oder die Öffentlichkeit bewertet werden. Dies wurde schließlich im Jahre 2001 gesetzgeberisch umgesetzt. Zentrales Element war die Neufassung des § 99 VwGO und die darin geregelte Einführung des sogenannten In-camera-Verfahrens; Sie haben es angesprochen. Auch wurde damals vorgesehen, dass das Verfahren bei spezialisierten Fachsenaten an den OVGs bzw. beim Bundesverwaltungsgericht angesiedelt werden musste.
Wie wir alle wissen, waren damals die Bündnisgrünen selbst in Regierungsverantwortung und somit entsprechend in die Neufassung des § 99 VwGO eingebunden.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht noch besser!)
Jetzt, in der Opposition, sollen die damaligen Abwägungen auf einmal nichts mehr wert sein.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt!)
Im Grunde sagen Sie aber selbst, dass Ihr Gesetzentwurf überflüssig ist.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
Tatsächlich fordern Sie als Alternative in Ihrer Vorlage – ich darf zitieren – die „Beibehaltung des derzeitigen Zustands bis zu einer verfassungsgerichtlichen Klarstellung“. Von daher sei es mir erlaubt, auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 2006 hinzuweisen. Auch wenn es die Anwendung der neuen Regelung mit bestimmten Maßgaben versehen hat, wurde die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz aber im Ergebnis bestätigt. Das bedeutet, meine Damen und Herren Antragsteller: Selbst nach Ihrer eigenen Argumentation ist keine Änderung erforderlich.
Darüber hinaus ist grundsätzlich festzuhalten, dass sich das Verfahren seit nunmehr 14 Jahren auch im Rahmen der praktischen Konkordanz bewährt hat. Das heißt, es findet ein angemessener Ausgleich kollidierender verfassungsrechtlich relevanter Schutzgüter statt. Dies wird zumindest mit Blick auf die bipolaren Streitfälle sogar explizit im vorliegenden Gesetzentwurf herausgearbeitet und bestätigt.
Die Rechtsschutzabwägung bei multipolaren Konstellationen ist naturgemäß etwas komplexer. Völlig zu Recht stellt Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz hohe Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz. Wenn man diese Abwägung, wie Sie es fordern, ins Hauptsacheverfahren verlagert, dann muss man auch die dadurch entstehenden Nachteile betrachten.
Erstens wird dies massive Einschränkungen der Beteiligungsrechte zum Beispiel bei der Akteneinsicht bedeuten müssen. Zweitens wird es die Richter im Hauptverfahren in arge Bedrängnis bringen. Sie müssten immer und stets die volle Verantwortung dafür tragen, dass von ihnen als geheim eingestufte Informationen auf keinen Fall nach außen dringen. Dies schließt unter Umständen die Ausgestaltung der Urteilsbegründung sowie die Entscheidung als solche mit ein.
Letztlich kann drittens bei einer derartigen Gestaltung nicht sichergestellt werden, dass es gerade bei komplex ausgestalteten Beteiligungs- und Einsichtsrechten nicht doch zu einer Offenlegung geheim zu haltender Informationen kommt. Dies könnte potenziell auch Haftungsansprüche begründen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, würden deutlich mehr Probleme geschaffen und eben keine Verbesserungen erreicht. Darüber hinaus wissen wir auch aus der Praxis, dass sich die Richter im Zwischenverfahren ihre Arbeit alles andere als leicht machen. Auch das darf ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen.
Das bedeutet im Ergebnis, dass die Hürden für das Zurückhalten potenziell relevanter Informationen oder Akten stets hoch sind. Nicht zuletzt stehen dafür auch die Regelungen im Informationsfreiheitsgesetz. Das führt letztlich dazu, dass wir keinen praktischen Mehrwert erkennen können und Ihren Gesetzentwurf ablehnen werden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Kollegin Ulla Jelpke hat für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4700102 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 91 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsschutz bei geheimen behördlichen Informationen |