Alexander HoffmannCDU/CSU - Rechtsschutz bei geheimen behördlichen Informationen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Besserer Rechtsschutz bei behördlich geheim gehaltenen Informationen – so ist Ihr Gesetzentwurf überschrieben. Damit klingt er gut. Ich darf vorweg sagen: Diese Zielrichtung eint uns, denke ich, alle; denn wer von uns will keinen guten Rechtsschutz für unsere Bürgerinnen und Bürger.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die entscheidende Frage ist aber, ob der Gesetzentwurf im Vergleich zur aktuellen Situation tatsächlich eine Verbesserung bringt. Um das entscheiden zu können, möchte ich mich kurz mit der aktuellen Rechtslage und der aktuellen Praxis – ich denke, das ist ganz wichtig – bei den Gerichten auseinandersetzen.
Der Grundsatz – das ist vorhin schon angesprochen worden – ist in § 99 Absatz 1 Satz 1 VwGO geregelt. Danach haben Behörden in verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine umfassende Vorlagepflicht für Unterlagen und Akten sowie auch eine umfassende Auskunftspflicht. Die Ausnahme ist in Satz 2 geregelt. Die Behörde darf die Vorlage verweigern, wenn es durch diese zu Nachteilen für den Bund oder ein Land kommt oder wenn Informationen von Gesetzes wegen oder ihrem Wesen nach geheim zu halten sind. Die Rechtsfolge – auch das ist, denke ich, wichtig – ist, dass die oberste Aufsichtsbehörde dann die Vorlage verweigern kann. Es ist also eine Ermessensentscheidung, keine gebundene Entscheidung. Früher genügte hier die Glaubhaftmachung dieser Umstände. Nach einer Bundesverfassungsgerichtsentscheidung aus dem Jahr 1999 musste eine Rechtsänderung vollzogen werden; das ist angesprochen worden. Heute ist diese Entscheidung der obersten Aufsichtsbehörde mit dem sogenannten In-camera-Verfahren überprüfbar. Das ist also ein externer Spruchkörper, angesiedelt bei den Oberverwaltungsgerichten oder beim Bundesverwaltungsgericht. Diese Gerichte entscheiden, ob die Gründe für die Verweigerung der Vorlage tragfähig gewesen sind. Das Ziel ist relativ offensichtlich. Es soll vermieden werden, dass geheim zu haltende Informationen so in das Hauptsacheverfahren eingetragen werden.
Aber zurück zum Maßstab. Die Vorlage kann verweigert werden, wenn die Offenlegung Nachteile für den Bund oder ein Land bedeuten würde oder wenn die Informationen von Gesetzes wegen oder ihrem Wesen nach geheim zu halten sind. Ob das der Fall ist, meine Damen und Herren – das ist vorhin beim Kollegen Monstadt schon angeklungen –, wird im Wege der verfassungskonformen Auslegung heute über die praktische Konkordanz entschieden. Es werden also die widerstreitenden Interessen – das Informationsinteresse der Beteiligten, des Klägers und der Beklagten – sowie das Aufklärungsinteresse bzw. das Geheimhaltungsinteresse der dritten Person – vielleicht auch eines Privaten – gegenübergestellt. Dann müssen diese widerstreitenden Interessen zu einem verfassungskonformen Ausgleich gebracht werden.
In der Praxis bedeutet dies: Je höher die Bedeutung der Information für den Prozess, auch für die Entscheidung und die Aufklärung ist, desto höher sind die Anforderungen an die Verweigerung. Das heißt also, wenn die Einholung der verweigerten Information für die vollständige Beweiswürdigung im Verfahren quasi unverzichtbar ist, muss es schon gravierende Gründe geben, die gegen eine Offenlegung sprechen. Es muss sich um Rechtsgüter von erheblichem Rang handeln. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eines sichergestellt: Es wird auch die Frage berücksichtigt, ob es andere ausreichende Beweismittel statt dieser Information gibt. Damit ist in der Praxis dem Grunde nach der effektive Rechtsschutz gewährleistet. Der Kollege Monstadt und ich haben recherchiert. Uns ist nicht ein einziger Fall in der Praxis bekannt, wo das Gericht nicht richtig oder sachgerecht hat entscheiden können, weil bestimmte Informationen aus Geheimhaltungsgründen nicht vorgelegt werden konnten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Christina Jantz [SPD] – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten Sie mich mal gefragt! Dann hätten Sie was gekriegt!)
– Kollegin Keul, Sie hatten vorhin von Beweislastentscheidungen gesprochen. Auch das hat mich nicht überzeugt, weil beim Verwaltungsgericht bzw. im Verwaltungsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Das heißt, es wird eben nicht nach Beweislast entschieden, sondern das Gericht muss entscheiden, ob die Sachlage so ausreichend ermittelt ist bzw. die Informationen so zusammengetragen sind, dass ein sachgerechtes Urteil gefällt werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Am Ende noch eine Anmerkung: Ihre Idee – dabei geht es um dieses In-camera-Hauptsacheverfahren; so will ich es einmal nennen – würde in der Konsequenz dazu führen, dass der Richter die geheime Information im Hinterkopf hat.
Das würde quasi bedeuten – schließlich ist der Richter auch nur ein Mensch –, dass die Information in das Verfahren getragen wird. Der Richter würde die Entscheidung bzw. das Urteil unter Umständen in dem Wissen über diese Information fällen. Dann hätten wir tatsächlich ein verfassungsrechtliches Problem hinsichtlich des Anspruchs auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz, weil weder der Kläger noch der Beklagte zu diesen Informationen etwas sagen könnten, geschweige denn wüssten, um welche Informationen es sich handelt. Deswegen können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4700125 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 91 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsschutz bei geheimen behördlichen Informationen |