06.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 92 / Tagesordnungspunkt 19

Marcus WeinbergCDU/CSU - Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Der siebte Redner ist der erste Mann. Das ist, glaube ich, gut so.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will jetzt nicht die Reihe der Personen, denen zu danken ist, fortsetzen. Ich will aber sagen: Es gibt auch einige Männer, die für die Quote gekämpft haben. Auch ihnen sei einmal Dank ausgesprochen für die Arbeit der letzten Wochen und Tage – wie ich glaube, auch zu Recht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte anknüpfen an das, was gesagt wurde. Wir haben immer Folgendes gesehen: Die Quote ist nicht das Ziel. Die gleichberechtigte Teilhabe ist das Ziel. Die Quote ist ein Hilfsmittel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage das als jemand, der wie viele von uns Freiheit als das grundlegende Ideal ansieht. Quoten und Quoren bedeuten immer eine Einschränkung der Freiheit. Insofern ist das, was Nadine Schön gesagt hat, richtig. Das Ziel muss es sein, dass wir eines Tages auf dieses Gesetz verzichten, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der wir die gleichberechtigte Teilhabe verwirklicht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zwei Dinge wurden gesagt, die auch durch Studien immer wieder belegt werden: Erstens. Frauen werden, was Führungspositionen angeht, weiterhin benachteiligt. Zweitens wurde gesagt: Viele in Verantwortung stehende Personen, insbesondere Männer, hatten die letzten Jahre viele Chancen. Viele Unternehmen hatten Chancen, freiwillig dafür zu sorgen, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen.

Aber jetzt ist angesichts der weiterhin geringen Anzahl von Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und auch im öffentlichen Dienst der Zeitpunkt gekommen, an dem der Gesetzgeber den Auftrag des Grundgesetzes umsetzt. Denn das Grundgesetz schreibt uns in Artikel 3 vor, Gleichberechtigung sicherzustellen. Deswegen ist es durchaus ein historischer Tag; das ist richtig. Noch schöner wird der Tag sein, an dem wir auf dieses Gesetz verzichten können. Noch einmal: Wir machen eigentlich nicht mehr, als das Grundgesetz zu beachten. Das Ziel ist es, eine echte und tatsächliche Chancengleichheit zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich möchte gleich noch auf einzelne Punkte des Gesetzesvorhabens eingehen. Zuvor möchte ich allerdings noch zwei, drei Sätze zu grundsätzlichen Fragen einer Gleichstellungspolitik und Frauenpolitik sagen. Denn es lohnt sich immer, in der Politik zu fragen: Was ist eigentlich das Staatsverständnis, hinter dem wir stehen? Worum geht es eigentlich grundsätzlich bei der Debatte über Gleichstellungspolitik?

Frauen und Männer sind nicht gleich.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was? – Dr. Eva Högl [SPD]: Gott sei Dank!)

Sie sind gleichberechtigt, und sie sind gleichwertig. Gleichstellungspolitik muss nach unserer Meinung immer vom gleichen Selbstbestimmungsrecht und dem gleichen Recht eines jeden Individuums ausgehen, nach einem glücklichen Leben zu streben und sein Leben so zu leben, wie er oder sie es möchte. Das Recht auf Selbstverwirklichung ist Kerngedanke der Freiheit. Die freiheitliche Grundordnung unserer Verfassung verpflichtet den Staat, das Recht auf Chancengleichheit zu ermöglichen und durchzusetzen. Echte Gleichstellungspolitik ist daher eine Politik der Freiheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine der Freiheit verpflichtete Gleichstellungspolitik kann nicht das Ziel haben, die Geschlechter unabhängig von ihren Interessen und ihren Neigungen gleichzumachen. Eine der Freiheit verpflichtete Gleichstellungspolitik kann auch nicht das Ziel haben, ein bestimmtes Frauen- oder Männerbild vorzuschreiben.

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielmehr ist das Ziel: Eine der Freiheit verpflichtete Gleichstellungspolitik konzentriert sich darauf, dort Nachteile zu beseitigen, wo sie für ein Geschlecht gegeben sind. In alle anderen Bereiche hat sich der Staat nicht einzumischen. Das setzen wir jetzt mit diesem Gesetz tatsächlich um. Wir sagen: Dort, wo es Benachteiligungen gibt, werden wir jetzt aktiv. Deswegen ist es auch an der Zeit, dass dieser Gesetzentwurf jetzt verabschiedet wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben im parlamentarischen Verfahren lange und sehr intensiv diskutiert. Wir haben im privatrechtlichen Teil noch einige Veränderungen durchsetzen können, die gut und sinnvoll waren,

(Ulli Nissen [SPD]: Na, na!)

weil sie einerseits dem Auftrag des Grundgesetzes entsprechen und andererseits dafür sorgen, dass wir kein Übermaß an Bürokratie haben. Dazu werden die Kollegen gleich noch einiges sagen.

Beim öffentlich-rechtlichen Teil hatten wir als CDU/ CSU-Bundestagsfraktion allerdings erheblichen Nachbesserungsbedarf. Denn unser Ziel ist es nicht, Parität auf allen Ebenen der Bundesverwaltung zu haben, sondern unser Ziel ist es nur, Benachteiligungen abzubauen. Das heißt, statt Frauenförderung sah der Gesetzentwurf auf allen Ebenen der Bundesverwaltung das Prinzip der Geschlechterparität vor. Um eines klarzustellen: Auch ich sage, dass wir in vielen Bereichen, zum Beispiel in Kitas oder in Grundschulen, mehr Männer brauchen. In anderen Bereichen brauchen wir natürlich mehr Frauen. Aber Parität kann kein Staatsziel sein. Das Ziel des Staates ist es, Benachteiligungen im Sinne der Freiheit abzubauen, und nicht, mit einem jeweiligen Anteil von 50 Prozent Parität und Gleichheit zu schaffen. Das ist nicht Ziel des Staates.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das haben auch mehrere Sachverständige bei der Anhörung deutlich herausgearbeitet; dies wurde in der Debatte schon angedeutet. Hauptkritikpunkt der Sachverständigen war das Ziel der Geschlechterparität im Bundesgleichstellungsgesetzentwurf. In der Praxis hätte es bedeutet – das wurde häufig angesprochen –, dass die Bundesverwaltung auf allen Ebenen hätten schauen müssen, wie es mit der Parität aussieht und wie sie sie erreicht. Das wollten wir als Union mit unserem freiheitlichen Staatsverständnis nicht. Denn unser freiheitliches Staatsverständnis beruht darauf, dass der Staat nur dann gesetzlich eingreifen soll und darf, wenn bestehende Nachteile für ein Geschlecht beseitigt werden müssen.

Das Ziel der Geschlechterparität unabhängig von der Benachteiligung, also nur um der Parität willen, ist mit unserem Staatsverständnis nicht vereinbar. Deshalb war es gut, dass wir im parlamentarischen Verfahren – wir sind ja selbstbewusste Parlamentarier – das eine oder andere noch geändert haben. Damit kommt jetzt zur Geltung, worauf es ankommt: Frauen, die strukturell benachteiligt werden, werden weiterhin gefördert. Das muss unser Ziel sein. Im Bereich der Privatwirtschaft wollen wir mit der festen Quote deutlich machen, dass dieses Ziel umgesetzt werden muss.

Wir sind mit dem Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung zufrieden. Das Gesetz ist ein notwendiger Türöffner. Es soll einen kulturellen Wandel mit sich bringen, und zwar in allen Ebenen der Gesellschaft. Dieses Gesetz soll sich eines Tages überflüssig machen, sowohl hinsichtlich der Verwaltung als auch hinsichtlich der Privatwirtschaft.

Ziel muss sein, dass wir über diese Themen gar nicht mehr diskutieren müssen, weil wir etwas erreicht haben, was unserem freiheitlichen Staatsverständnis entspricht. Dieses Ziel ist, dass wir eine gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen, und zwar nicht nur in Führungspositionen, erreichen und endlich eine Gesellschaft haben, in der wir nicht mehr über Quoten und Quoren diskutieren müssen, weil die Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit ist. Dazu ist dieses Gesetz der vorletzte Schritt. Der letzte Schritt wird sein, dass wir dieses Gesetz, weil es überflüssig ist, „beerdigen“ können. Das wäre ein wirklich guter Tag für die Gleichstellungspolitik in Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Thomas Oppermann [SPD]: Das werden wir beide nicht mehr erleben, Marcus!)

Das Wort hat die Kollegin Ulle Schauws für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4701958
Wahlperiode 18
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen
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