06.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 92 / Tagesordnungspunkt 19

Stephan HarbarthCDU/CSU - Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Uns alle in diesem Haus eint das Ziel, Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Unser Wunsch ist, dass dieses Ziel in erster Linie nicht durch Normen und Paragrafen, sondern durch innere Überzeugung erreicht wird, dass es die Menschen also als selbstverständlich empfinden, dass jemand in diesem Land völlig unabhängig von seinem Geschlecht Erfolgschancen wahrnehmen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies ist für uns eine Gerechtigkeitsfrage und auch wichtig im Kontext der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wie ist die Ausgangslage? Der Weg bis zur vollständig gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in unserer Gesellschaft ist lang. Es gibt aber Bereiche, in denen schon einiges erreicht wurde. Ich nenne zum Beispiel die Politik. Der einflussreichste, erfolgreichste und angesehenste Politiker Europas ist seit vielen Jahren eine Frau: unsere Bundeskanzlerin.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass sich die Menschen wünschen, dass das noch möglichst viele Jahre so bleiben möge, ist ein Zeichen für die gesellschaftliche Normalität, die wir hier erreicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Daneben nenne ich die öffentliche Verwaltung, die Justiz, die Wissenschaft und die Kultur. Im Bereich der Wirtschaft fällt das Bild gemischt aus. Man kann feststellen, dass viele Führungsebenen, die in den vergangenen Jahrzehnten in den Händen von Männern waren, heute zu einem erheblichen Teil von Frauen besetzt werden. Man muss aber auch feststellen, dass dies nicht für die absoluten Spitzenpositionen in unserer Wirtschaft gilt. Dort sind Frauen sehr rar gesät.

Dass es auch anders sein kann, zeigt uns ein Blick über den Großen Teich. In Amerika stehen an der Spitze vieler Konzerne Frauen. Ich nenne exemplarisch nur IBM, General Motors, Pepsi, Yahoo, Hewlett-Packard und DuPont. Wenn uns in Deutschland mehr Namen amerikanischer Unternehmensführerinnen als deutscher Topmanagerinnen einfallen, dann zeigt das, dass wir in Deutschland einen Missstand haben;

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

einen Missstand, der übrigens nicht nur etwas mit den Unternehmen selbst zu tun hat, sondern der seine Ursache schon im Bereich der Ausbildung hat. Wenn man sieht, dass Frauen und Mädchen in den MINT-Berufen, in den technischen Berufen und den Ingenieurwissenschaften noch immer unterrepräsentiert sind, braucht man sich nicht zu wundern, wenn eines Tages in Führungspositionen bei Maschinenbauern wenig Frauen vertreten sind. Insofern ist die Gesellschaft insgesamt gefragt.

Im Jahre 2001 gab es die freiwillige Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft. Wir müssen feststellen: Diese Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft hat nicht wirklich funktioniert.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Tja!)

Sie hat möglicherweise auch deshalb nicht funktioniert, weil dem politischen Impetus die Glaubwürdigkeit gefehlt hat. Das war die Zeit, in der wir einen Bundeskanzler hatten, der Frauen- und Familienpolitik als „Gedöns“ verspottet hat.

(Zurufe von Abgeordneten der SPD)

Wenn man das auf der einen Seite tut und auf der anderen Seite mehr Frauen in Führungspositionen fordert, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn dann die Glaubwürdigkeit fehlt.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle Angela Merkel dafür danken, dass sie nun im zehnten Jahr Frauenpolitik und Familienpolitik in diesem Land nicht mit abwertenden Sprüchen, sondern mit innerer Hingabe begleitet.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Das sehen wir ja! Wo ist sie denn?)

Wir haben die Aufgabe, gemäß dem erkannten Regelungsbedarf zu handeln. Uns geht es um folgendes Ziel: Wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen. Wir wollen aber keine gleichmacherische, keine pauschalierende Lösung für alle Unternehmen in Deutschland, sondern wir wollen maßgeschneiderte Lösungen. Deshalb differenzieren wir hier zwischen verschiedenen Unternehmen.

In vielen mittelständischen Unternehmen in Deutschland ist es längst eine Selbstverständlichkeit, dass das Kind des Eigentümers in der nächsten Generation den Betrieb, völlig unabhängig von seinem Geschlecht, übernimmt. Den Betrieb kann also in der nächsten Generation die hochqualifizierte Tochter genauso wie der hochqualifizierte Sohn übernehmen. Für diese Betriebe brauchen wir in Deutschland keine Quote. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier keine Quote haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für ungefähr 3 500 Unternehmen in Deutschland führen wir eine Quote ein: für ungefähr 97 Prozent dieser Unternehmen eine flexible Quote und für ungefähr 3 Prozent eine starre Quote. Wir sind der Überzeugung, dass die flexible Quote richtig ist, weil die Unternehmenswirklichkeit eine ganz unterschiedliche ist. Es gibt Branchen, etwa den Maschinenbau oder die Baubranche, in denen der Frauenanteil sehr niedrig ist. Es gibt andere Branchen, etwa den Dienstleistungsbereich, die Verlage und Ähnliches, in denen der Frauenanteil sehr hoch ist. Deshalb ist unsere Überzeugung, dass es richtig ist, hier nicht zu sagen: Es gibt für all diese Unternehmen trotz ihrer Verschiedenartigkeit eine einheitliche, eine pauschale Quote. Vielmehr gibt es eine selbstgesteckte, eine passgenaue Quote für diese Unternehmen. Dies entspricht unserem Gesellschaftsverständnis, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])

Für die Aufsichtsräte von 108 Unternehmen gibt es eine Quote von 30 Prozent. Das sind die Unternehmen, die sowohl börsennotiert sind als auch über 2 000 Mitarbeiter haben. In diesen Unternehmen ist das Problem am größten. Dort sind Frauen in den absoluten Toppositionen am rarsten. Deshalb ist es richtig, dass wir hier eine Quotenregelung vorsehen.

Für uns war es in der Ausgestaltung insgesamt wichtig, dass wir hier mit Augenmaß statt mit Ideologie vorgehen. Wir wollten auch nach den Erfahrungen im Mindestlohnbereich vermeiden, dass hier ein Bürokratiemaximierungsgesetz geschaffen wird.

(Widerspruch bei der SPD)

Deshalb haben wir im parlamentarischen Verfahren an vielen Stellen nachgebessert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der entsprechenden Sachverständigenanhörung wurden in der Tat noch viele Mängel offengelegt. Deshalb haben wir dann ein parlamentarisches Verfahren durchgeführt. In diesem parlamentarischen Verfahren haben wir in guter Zusammenarbeit mit den Ministerien, wofür ich sehr herzlich danke, in guter Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wofür ich sehr herzlich danke, viel erreicht.

Wir haben geregelt, dass – wie es einem modernen Verständnis von der Zusammensetzung eines Aufsichtsrates entspricht – Arbeitnehmer- und Anteilseignervertreter nicht als zwei getrennte Bänke betrachtet werden, sondern als ein gemeinsames Gremium zu sehen sind. Wir haben darauf geachtet, dass die Berichtspflichten nicht übermäßig bürokratisch ausgestaltet werden, sondern dass sich die Unternehmen einmal Ziele setzen, über die sie dann nicht jedes Jahr, sondern erst am Ende des selbstgesteckten Zeitraums berichten müssen. Wir haben das Inkrafttreten der Zielvorgaben noch einmal um drei Monate nach hinten verschoben, damit sich die Unternehmen in den nächsten Wochen darauf einstellen können. Wir haben an vielen Stellen darauf geachtet, dass das Gesetz in der Praxis mit der erforderlichen Flexibilität und mit der erforderlichen Rechtssicherheit angewendet werden kann. Dafür haben wir eine Vielzahl von Änderungen vorgenommen.

Wenn wir heute das Gesetz beschließen, dann können wir zusammenfassend festhalten: Wir haben uns an dem Ziel orientiert, für die Frauen in diesem Land etwas zu bewegen. Wir haben uns an der Frage orientiert, in welchen Bereichen wir welche Lösungen brauchen. Es gilt nämlich nicht für alle Unternehmen in Deutschland das Gleiche. Kleine Unternehmen sind in der Regel gar nicht betroffen, sie sollen aber nach Möglichkeit den Frauen ebenfalls die gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen, wie es in vielen dieser Unternehmen übrigens schon längst der Fall ist. Des Weiteren gibt es eine Gruppe von 3 500 Unternehmen, die sich selbst Ziele stecken. Wir werden die Unternehmen dabei beobachten. Außerdem gibt es die Unternehmen, die eine starre Quote von 30 Prozent für Frauen im Aufsichtsrat haben. Das sind die 108 großen Unternehmen in Deutschland.

Auf diesem Weg wollen wir in den nächsten Jahren weiterkommen. Wir wollen, dass gleichberechtigte Teilhabe für Frauen in diesem Land eine Selbstverständlichkeit wird. Wir werden die Unternehmen auch in puncto Vereinbarkeit von Familie und Beruf beobachten. In Amerika ist dies längst eine Selbstverständlichkeit. In Deutschland wollen wir die gläserne Decke für Frauen beseitigen; es geht aber nicht an, dass gleichzeitig eine gläserne Decke für Mütter eingezogen wird. Auch das werden wir in den nächsten Jahren sehr genau beobachten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Bundesminister Heiko Maas.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4701993
Wahlperiode 18
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta