Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den 6. März 2015 streichen wir uns alle ganz dick in unserem Kalender an.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist ein richtig guter Tag für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Mit der Einführung der Frauenquote in Wirtschaft und Verwaltung schreiben wir die Geschichte der Gleichstellung von Frauen fort und gehen einen wirklich riesengroßen Schritt weiter auf dem Weg zur vollständigen Gleichstellung von Männern und Frauen.
Dass wir dieses Kapitel aufschlagen können, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist vielmehr das Ergebnis eines kontinuierlichen Kampfes für mehr Gleichberechtigung, eines unermüdlichen Engagements vieler Frauen und auch vieler Männer. Viele sind schon genannt worden. Ich schließe mich dem Dank an. Einige sitzen auf der Tribüne. Nur dieses Engagement von vielen einzelnen Personen hat das möglich gemacht. Dafür herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich erinnere sehr gerne, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, an 1918. Da wurde das aktive und passive Wahlrecht für Frauen eingeführt. 82 Prozent der wahlberechtigten Frauen gaben bei den Wahlen 1919 ihre Stimme ab, und 37 weibliche Abgeordnete zogen ins Parlament ein. Als erste Frau erhielt Marie Juchacz hier im Reichstag im Februar 1919 das Wort und hielt die erste Rede einer Frau in einem deutschen Parlament. Das war richtig klasse!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es ging weiter – leider erst nach einer Durststrecke von knapp 30 Jahren –: Elisabeth Selbert hat es ermöglicht, dass im Grundgesetz, das im Mai 1949 verabschiedet wurde, ein wirklich wegweisender Satz steht, nämlich in Artikel 3 Absatz 2:
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Damit genoss die Gleichstellung von Frauen und Männern erstmals Verfassungsrang.
Wir wissen aber, dass eine Verfassungsnorm nicht automatisch Alltagsrealität ist. Deswegen haben wir in den mehr als 60 Jahren seit Bestehen des Grundgesetzes wesentliche Schritte unternommen. Ich erinnere noch einmal daran, dass erst vor wenigen Jahrzehnten – man kann es sich kaum vorstellen – das erste Gleichberechtigungsgesetz es Frauen ermöglichte, ohne Zustimmung des Ehemannes arbeiten zu gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
1977 wurde mit der Reform des Ehe- und Familienrechts das Leitbild der Hausfrauenehe abgeschafft, und erst 1980 wurde die vollständige Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beschlossen.
Kollegin Högl, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Vogler?
Selbstverständlich.
Vielen Dank, liebe Kollegin. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich für die Einladung zu bedanken, die Sie und die Kollegin Carola Reimann an uns alle geschickt haben. Sie wollen diesen großen Erfolg, wie Sie das nennen, im Fraktionssaal der SPD mit Quotentorte und Sekt feiern. Ich muss Ihnen leider sagen, dass ich diese Einladung ablehnen muss. Ich finde, dass dieses Gesetz eher Anlass wäre für Zwieback und Selters.
(Zurufe von der SPD: Oh! – Mechthild Rawert [SPD]: Können Sie ja mitbringen!)
Deswegen bedanke ich mich für die Einladung, lehne sie aber ab.
Liebe Frau Vogler, wie humorlos ist das denn, bitte?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin sprachlos. Wir haben eine so große Einigkeit, auch hier im Parlament, trotz allem Streit im Detail.
(Sigmar Gabriel, Bundesminister: Eva, wir besorgen auch Zwieback!)
– Nein, wir besorgen keinen Zwieback. – Wir schneiden um 12 Uhr die Torte an, und wir feiern, liebe Frau Vogler.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zurück zu unseren Schritten in Sachen Gleichstellung. Ich möchte daran erinnern, dass wir 1994 – das ist noch nicht so lange her; viele hier im Raum haben dafür gekämpft – nach der deutschen Einheit etwas ins Grundgesetz geschrieben haben, was der Grund dafür ist, dass wir heute hier die Quote beschließen. Da steckt so viel Engagement drin; deswegen zitiere ich es:
Das ist für uns als Gesetzgeber ein Auftrag, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diesen Auftrag erfüllen wir, indem wir heute die Quote beschließen. Natürlich wäre es viel schöner – ich möchte das ausdrücklich sagen; einige haben das schon erwähnt –, wenn wir die Quote nicht brauchten. Es wäre viel schöner, wenn wir im Jahr 2015 sagen könnten: Wir haben alle Führungspositionen in Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft, Politik, in allen Bereichen der Gesellschaft, paritätisch mit Frauen und Männern besetzt.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nicht paritätisch! Der Befähigung entsprechend!)
Das wäre großartig. Aber so lange das nicht so ist, brauchen wir die Quote. Die Verwirklichung der vollständigen Gleichberechtigung bleibt weiterhin unser Ziel.
(Beifall bei der SPD)
Ein kleiner Ausblick; denn es geht weiter mit unserem Engagement: Am Sonntag ist der Internationale Frauentag. Tausende Frauen und auch Männer werden unter dem diesjährigen Motto „Heute für morgen ein Zeichen setzen“ auf die Straße gehen und sich für mehr Gleichberechtigung in Deutschland, in Europa, in allen Teilen der Welt engagieren. Wir dürfen uns richtig freuen, dass die Quote vor dem Internationalen Frauentag heute hier beschlossen wird und wir das am Sonntag ordentlich feiern können. Wir sollten uns aber nicht zu lange darauf ausruhen, dass wir das geschafft haben. Wir haben noch etwas vor. Unser Engagement in Sachen Gleichstellung ist noch lange nicht abgeschlossen. Wir wollen als Nächstes die Entgeltgleichheit hier gemeinsam beraten und beschließen, und wir wollen die Aufwertung typischer Frauenberufe hier im Deutschen Bundestag beschließen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich erhoffe mir bei diesen beiden Themen – das sage ich heute so deutlich – hier im Bundestag viel Unterstützung und vor allem große Einigkeit; denn eines ist klar: In Sachen Gleichstellung muss es weitergehen. Wir wollen die vollständige Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen, und wir wollen vor allen Dingen, dass die fast 100-jährige Geschichte der Gleichstellung von Frauen und Männern keine unendliche Geschichte wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4703851 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 92 |
Tagesordnungspunkt | Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen |