Ingrid PahlmannCDU/CSU - Agrarwende
Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich kann nur sagen: Und täglich grüßt das Murmeltier. Heute nun wieder mal die Forderung nach der Agrarwende: weg von der marktwirtschaftlichen Landwirtschaft,
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie es nicht schaffen, müssen wir es täglich wiederholen!)
hin zu kleinstrukturierten Betrieben; das Ganze verbunden mit der Forderung, dass bäuerliche Betriebe wieder besser von der Landwirtschaft leben können sollen. Ich sehe nicht, wie Sie das mit Ihren Forderungen, mit Ihrer Schwarz-Weiß-Malerei erreichen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Trends des Betriebsgrößenwachstums und der wachsenden Tiereinheiten je Betrieb sind auch zu Zeiten grüner Regierungsverantwortung von 2001 bis 2005 nicht gestoppt worden, ja nicht einmal verlangsamt worden. Denn Landwirtschaft – das müssen auch Sie endlich einsehen – hat auch etwas mit Wirtschaftlichkeit zu tun. Wir Bauern leben nun einmal nicht in einer isolierten Märchenwelt, auch wir müssen auskömmliche Einkommen erwirtschaften können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mit der Umsetzung der EU-Agrarreform erreichen wir durch Zuschläge von 50 Euro für die ersten 30 Hektar und weiteren 30 Euro für die folgenden 16 Hektar bereits eine Besserstellung für kleine und mittlere Betriebe bis 95 Hektar. Auch für Junglandwirte ist ein Programm aufgelegt worden, durch das es Zuschläge von 44 Euro pro Hektar für die ersten 90 Hektar gibt.
Wir müssen uns vielmehr die Frage stellen, was das Überleben der kleineren Betriebe, die Sie ja so vehement fordern und von denen wir Gott sei Dank auch noch einige haben, erschwert. Das sind auch die ständigen neuen Anforderungen, die an die Betriebe gestellt werden. Denn eines ist klar: Zusätzliche Auflagen, Nachforderungen an Stallumbauten, Stalleinrichtungen, überbordende Bürokratie etc. können die größeren Betriebe viel leichter stemmen als die kleinen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb dürfen wir nicht in einen blinden Aktionismus verfallen, wenn wir Prozesse ändern wollen, sondern wir sollten Änderungen nur problembezogen, wissenschaftlich fundiert und praxistauglich durchführen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Da hilft dann eben kein blinder Aktionismus. Da reicht es auch nicht, die simple Formel aufzustellen: Tierwohl ist gleich kleine Einheit. Vielen Tieren – das müssen Sie zur Kenntnis nehmen – geht es heute in größeren Einheiten deutlich besser als früher in kleinen, dunklen Ställen mit schlechten Luftverhältnissen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Rita Hagl-Kehl [SPD])
Dabei haben die Landwirte auch immer bewiesen, dass sie durchaus bereit sind, praktikable und sinnvolle Wege mitzugehen.
Die Düngenovelle befindet sich zurzeit in Überarbeitung. Wir treten für eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes ein. Ja, wir sind das Land, das bereits eine Antibiotikadatenbank besitzt, in der jede Gabe dokumentiert wird. Wir haben das Baugesetzbuch verändert. Dadurch haben Kommunen bessere Steuerungsmöglichkeiten bei Stallneubauten. Vieles befindet sich also auf dem Weg. Es wird für einige Betriebe nicht leicht sein, das umzusetzen. Zusätzlicher, verfrühter und unnötiger Aktionismus hilft jetzt keinem weiter.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dazu möchte ich Ihnen gern ein Beispiel aus meiner niedersächsischen Heimat aufzeigen, wo ein grüner Landwirtschaftsminister, der als Höfesterben-Minister bekannt ist
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo leben Sie denn?)
– so viel zu der Forderung nach mehr landwirtschaftlichen Betrieben –,
(Beifall bei der CDU/CSU)
das große Problem des Schwanzbeißens bei Schweinen mal so eben mit dem Einsatz von 28 Millionen Euro in den Jahren 2016 bis 2020 in den Griff bekommen will. Ich rede von der sogenannten Ringelschwanz-Prämie. Jeder niedersächsische Bauer, der sein Tier mit komplettem Schwänzchen, unkupiert von seinem Halter und unangeknabbert von seinen Artgenossen zum Schlachthof bringt, soll 16, 17 oder 18 Euro extra bekommen.
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig viel Geld!)
Das Problem ist nur, dass diese 28 Millionen Euro bei den in Niedersachsen anfallenden Schlachtungen, wenn jedes erzeugte Mastschwein prämiert würde, gerade einmal für einen Monat reichen würden. Das ist keine Nachhaltigkeit. Das nenne ich Aktionismus, Augenwischerei und Geldverbrennen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Sie lehnen selbst den Anfang ab! Schritte in die richtige Richtung lehnen Sie also rundweg ab!)
Diese 28 Millionen Euro hätte man sinnvoller einsetzen können.
Solche unausgegorenen Pläne gibt es leider reichlich. Ende Februar fand in meiner Heimatstadt der niedersächsische Junglandwirtetag statt. Ich bin unserem Bundesminister im Nachhinein sehr dankbar, dass er sich die Zeit genommen hat, den landwirtschaftlichen Nachwuchs aufzubauen, indem er ihm Zukunftsängste nahm und Perspektiven für den ländlichen Berufsstand aufzeigte. Diese jungen Menschen – die übrigens mit zu der bestausgebildeten Berufsgruppe zählen – verzweifeln inzwischen manchmal an den ständig wachsenden Anforderungen der Politik und fragen sich, warum sie überhaupt noch an diesem Beruf festhalten sollen, bei dem sie unter Generalverdacht gestellt und als Umweltsünder und Tierquäler diskreditiert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zurück zum Thema Schwanzbeißen. Das Schwanzbeißen in Schweinebeständen bekommt man eben leider nicht durch das Verbot des Schwänzekupierens in den Griff. Es gibt Betriebe, in denen es bei drei oder vier Durchgängen super gut läuft. Dann aber geht das Verbeißen ohne erkennbare Gründe – gleiches Futter, gleicher Ferkellieferant, gleiches Stallklima, ausreichend Spielzeug – los. Das ist übrigens kein alleiniges Problem der Intensivtierhaltung. Von diesem Phänomen wird bei allen Haltungsformen berichtet.
Da hilft reiner Aktionismus nicht. Vielmehr muss erst einmal die Forschung weiter betrieben werden. Denn glauben Sie mir: Jeder Landwirt wäre froh, wenn er diese lästige Arbeit nicht machen müsste. Verbissene Schwänze sind für Schweine schmerzhaft, führen zu Krankheiten und Entzündungen und damit zu unnötigem Medikamenteneinsatz. Wem ist damit geholfen?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie fordern den Stopp des angeblich ausufernden Antibiotikaeinsatzes. In Niedersachsen ist Ihr grüner Landwirtschaftsminister, ein Jahr nachdem die Bundesregierung die Änderung des Arzneimittelgesetzes mit einem Antibiotika-Minimierungskonzept auf den Weg gebracht und die Kontrollbefugnisse der Länderbehörden erheblich erweitert hat, noch immer nicht in der Lage, sein angekündigtes Antibiotikamonitoring umzusetzen. Also bitte: Erforderlich ist die Abkehr von einer Ideologie hin zu einer Versachlichung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zum Thema „gesunde Ernährung“. Nirgends auf der Welt gibt es sicherere Lebensmittel als in Deutschland. Lebensmittel auf höchstem Niveau sind hier zu bezahlbaren Konditionen zu erhalten. Was noch viel besser ist: Deutsche Verbraucher haben die Wahl. Sie können die Lebensmittel kaufen, die ihrer Lebensweise und ihren Ansprüchen und auch ihrem Geldbeutel entsprechen. Wir sind dabei, die Kennzeichnung weiter zu verbessern, um die Entscheidung der Verbraucher zu erleichtern. Wir fordern Wahrheit statt Klarheit.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
– Wahrheit und Klarheit, Entschuldigung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Freud’scher Versprecher!)
Wir wollen die Verbraucher nicht für dumm verkaufen. Die simple Ampelvariante unterfordert die Verbraucher; die sind nämlich schon viel weiter, als Sie denken. Die Ampelvariante reicht nicht aus. Allergieauslösende Stoffe müssen heute deklariert sein. Der Verbraucher will zunehmend mehr über verarbeitete Lebensmittel wissen. Das fordern Sie, und da bin ich auch bei Ihnen. Ich bin auch bei Ihnen, wenn Sie fordern, dass das Wissen über Ernährung besser in die Breite der Gesellschaft getragen wird.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na also, dann mal los!)
In diesem Bereich gibt es bereits viele gute Ansätze. Ich verweise auf die Initiative „IN FORM“, Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung; „SchmExperten“ und „Fit im Alter“ sind nur zwei weitere Beispiele.
An dieser Stelle sind aber natürlich auch die Länder gefragt. Auch die grünen Bundesländer dürfen wir nicht aus der Verantwortung entlassen. Tun Sie mir also folgenden Gefallen: Packen Sie Ihren Antrag beiseite, und gehen Sie mit uns die von unserem Minister eingeschlagenen Wege, gern auch mit kritischen Anregungen, aber bitte ohne ideologische grüne Brille, Diffamierungen und Pauschalverurteilungen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ganz schlecht!)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Dr. Kirsten Tackmann von der Linken das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4704103 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 92 |
Tagesordnungspunkt | Agrarwende |