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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Beim Durchlesen des heutigen Antrags von den Grünen ging mir ein Zitat von Christian Morgenstern durch den Kopf:

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja nicht schlecht!)

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])

Dabei könnte ich es bewenden lassen, wäre da nicht der von den Grünen gewollte Denkfehler – das haben wir bei der ersten Rede sehr deutlich gehört –, den Sie wie eine Monstranz, wie eine alleinige Wahrheit vor sich hertragen.

„Sofortmaßnahmen für die Agrarwende – Für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft und gutes Essen“, so lautet der Titel Ihres Antrags.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann unterstützen Sie das doch einfach!)

Als Landwirt, auch ökologisch arbeitend, fühle ich mich bei Ihrem Rundumschlag im wahrsten Sinne des Wortes vor den Kopf gestoßen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn gegen gutes Essen?)

Als ob die deutsche Landwirtschaft und die Lebensmittelverarbeiter ein Haufen unverbesserlicher Ganoven wären, denen das Handwerk gelegt werden müsste, vermengen Sie alle negativ besetzten Begriffe wie Massentierhaltung, Artenschwund, verseuchtes Grundwasser, Aufheizen der Atmosphäre, Klimawandel,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist jetzt der Fehler? Was ist daran falsch?)

Welthunger, Ausbeutung von Arbeitskräften, Preisdumping, Antibiotikaresistenz, Tierqual und nicht zuletzt Zerstörung der Natur in einem Schierlingsbecher und vergiften damit den landwirtschaftlichen Berufsstand.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])

Justus von Liebig hat wohl recht, wenn er sagt:

Das tun Sie.

Mit Ihrem heutigen Antrag haben Sie bei mir manche Sympathie für das eine oder andere Ihrer Themen verspielt; denn es geht Ihnen nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit Problemen, die es natürlich auch in der deutschen Landwirtschaft gibt, sondern allein um die Lufthoheit über ein Problem und die Besetzung eines Themas, das ihnen bei zukünftigen Wahlen Stimmen verschaffen soll.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Darum geht es Ihnen und nur darum, nicht etwa um konkrete Veränderungen in einem landwirtschaftlichen Problemfeld; denn ein fachlicher Diskurs über mögliche Verbesserungen in der deutschen Landwirtschaft muss im Dialog und darf nicht mit einer pauschalen Vorverurteilung geführt werden.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht die bitte?)

– Lies doch bitte einmal den gesamten ersten Teil eures Antrags.

Um die Funktion der modernen Landwirtschaft in der heutigen Wirtschaftsordnung zu verstehen, hilft, wie so oft, ein Blick in die Geschichte. Mit dem Landwirtschaftsgesetz von 1955 wurde die Stützungsbedürftigkeit des Agrarsektors herausgestellt. Allerdings müssen Förderungen zielgenau sein und sich in einem gewissen Rahmen bewegen. Vor allem dürfen die Kräfte des Wettbewerbs nicht ausgehebelt werden.

Sie wissen, dass auch ich einer Kappung der Direktzahlungen positiv gegenüberstand. Auch heute noch bin ich der Meinung, dass wir darüber diskutieren müssen. Aber haben wir nicht mit dem Umverteilungsprämiengesetz vor einem Jahr in den letzten GAP-Verhandlungen einen Kompromiss erreicht, dem auch Sie hier im Bundestag zugestimmt haben?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt verlangen Sie eine Umverteilung von 30 Prozent der Mittel aus der ersten Säule für die ersten 46 Hektar.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben mal Ihr Zitat von Morgenstern gegoogelt! – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das würde bedeuten, dass über 1,4 Milliarden Euro an Förderungen für alle Betriebe per annum umgeschichtet werden müssten. Ich denke, dass das eher zu Mitnahmeeffekten und zu weiteren Konzentrationen führen würde als zu einer produktiven und vor allem auch gerechten Landbewirtschaftung. Außerdem dürfte es zu einer Pachtpreisexplosion kommen, die nur den Landeigentümern zugutekommt.

Auch Ihre nächsten Punkte können aus meiner Sicht so nicht stehen bleiben. Sie fordern eine pauschale Obergrenze für die Anzahl der gehaltenen Tiere. Es sollten Ihrer Ansicht nach nicht mehr als zwei Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche je Betrieb gehalten werden, um Massentierhaltung zu vermeiden. Natürlich – darin sind wir uns in mancher Hinsicht einig – kann es kein ungebremstes Wachstum geben, vor allem nicht in masttierstarken Regionen. Um die Entwicklungen effektiver steuern zu können, haben wir uns bereits Anfang 2013 die Novelle zum Baugesetzbuch vorgenommen.

Angenommen, wir würden die von Ihnen geforderten 2 GV pro Hektar umsetzen, würde das nach dem GV- Schlüssel für Hähnchen 66 000 Mastplätze für einen 46-Hektar-Betrieb bedeuten. Kann sich der Verbraucher eine 66 000 Plätze umfassende Mastanlage überhaupt vorstellen? Ist diese Größenordnung etwa keine Massentierhaltung? Was ist Massentierhaltung?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch ökologisch produzierende Landwirte, die Hühner, Schweine oder Rinder mästen, sind letztlich Massentierhalter. Legen wir doch bitte diesen Kampfbegriff beiseite und fragen lieber: Kann man Tiere so halten, dass sie sich offensichtlich wohlfühlen?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind in dieser Frage gar nicht weit voneinander entfernt, Harald.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh doch!)

Wie muss der Stall zum Wohlfühlen beschaffen sein? Wie muss ich Stallklima und Platzangebot optimieren, um den Einsatz von Antibiotika so gering wie möglich oder vielleicht sogar überflüssig zu machen?

Sie haben vorhin gefragt, warum zum Teil in größeren Anlagen immer weniger Antibiotika eingesetzt werden. Das kommt daher – damit verrate ich kein Geheimnis –, dass der Bau dieser Stallanlagen inzwischen optimiert worden ist. Wenn wir diese Optimierung vornehmen, dann haben wir für den Tierschutz, den Verbraucher und für die Menschen insgesamt sehr viel erreicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht allein die Bestandsgröße, sondern auch die Tierzahl in einer Region muss diskutiert werden,

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das tun wir doch mit den GV!)

aber nicht nur aufgrund des Tierwohls, sondern auch mit Blick auf die regionalen Voraussetzungen, die Agrarstrukturen und den volkswirtschaftlichen Sinn.

Apropos Tierwohl: Herr Hofreiter, ich habe vorhin sehr wohl vernommen, dass Sie auch das kritisch begleiten.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlimm! Das ist echt schlimm, wenn die Opposition Dinge kritisch begleitet! Das ist ganz ungewohnt für die CDU/CSU!)

Die in diesem Jahr gestartete Initiative Tierwohl ist ein Bündnis aus Verbänden und Unternehmen der Landwirtschaft, der Fleischwirtschaft und des Einzelhandels. Es ist das erste Mal, dass die private Wirtschaft branchenübergreifend und freiwillig für eine Verbesserung des Tierwohls eintritt. Meiner Auffassung nach ist die Initiative ein guter Ansatz, um den Spagat zwischen Tierschutz, Verbraucher- und Erzeugerinteressen zu schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo wird denn das Erzeugerinteresse bedient? Das erzählen Sie mal! Der Verbraucher erkennt doch gar nicht, was es ist! Der kriegt es auf den Teller und weiß es nicht!)

Wir sind auf einem guten Weg und arbeiten konsequent daran, Missstände zu beheben und das Ansehen der Tierhalter in der Öffentlichkeit weiter zu verbessern.

In einem Punkt sind wir uns allerdings einig; darüber brauchen wir uns nicht die Köpfe heißzureden. Lieber Minister Schmidt, letzte Woche haben wir alle fraktionsübergreifend gefordert, dass die Umsetzung der Opt-out- Regelung rechtssicher gestaltet werden muss. Eine erfolgreiche Klage eines Gentechnikkonzerns oder auch zum Beispiel eine Nichtnutzung der Opt-out-Option durch ein Bundesland wäre aus meiner Sicht ein Super- GAU.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Der mühsam gefundene Kompromiss zur Grünen Gentechnik wäre zunichtegemacht und die Glaubwürdigkeit der Politik massiv geschädigt. Insofern denke ich, dass eine bundesgesetzliche Regelung weniger Angriffsfläche bieten würde als eine länderorientierte.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Nun komme ich zum Schluss. Liebe Grünen, verabschiedet euch vom Schüren von Zukunftsängsten, von gesetzlicher Regelungswut und der Bevormundung des Bürgers!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe das Gefühl, ihr habt aus eurem letzten Wahlkampfdesaster keine wirklichen Konsequenzen gezogen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie Ihr Wahlergebnis in Hamburg?)

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Gestatten Sie mir nach dem heute Erlebten noch eine Bemerkung in eigener Sache: Wer sich allzu grün macht, sagte Goethe, den fressen am Ende die Ziegen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als nächster Redner in dieser Debatte hat der Kollege Niema Movassat von der Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4704173
Wahlperiode 18
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Agrarwende
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