Johann SaathoffSPD - Agrarwende
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr Antrag zur Agrarwende, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, besteht eigentlich aus mehreren, nämlich aus acht Anträgen, zu denen es sich jeweils lohnt, eine eigene Debatte zu führen. Diese Debatte haben wir zum Teil schon geführt, andere stehen uns mit Sicherheit in dieser Legislaturperiode noch bevor. Bei einer derartigen Themenfülle macht es Sinn, sich in der Kürze der Zeit unemotionalisiert auf einige Teile des Antrags zu fokussieren.
Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen: Bei diesem Ziel des Antrages, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, sind wir uns alle schon einmal einig; denn genau diese Parole haben wir, die SPD, als langfristiges Ziel unserer Agrarpolitik ausgegeben.
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir beieinander!)
Wir verfolgen eine Strategie, die langfristig den Erhalt öffentlicher Gelder an die Erbringung öffentlicher Leistungen koppelt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich!)
Ich hätte gerne gesehen, dass der Paradigmenwechsel schon bei der Umgewichtung der EU-Agrarförderung von der ersten in die zweite Säule deutlicher wird.
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Allerdings bedeutet ein Paradigmenwechsel auch, dass man ihn nicht von einem Tag auf den anderen durchführen kann, sondern dicke Bretter zu bohren hat. Wir wollen diesen Paradigmenwechsel – wir wollen diese Bretter bohren –, aber er muss so gestaltet werden, dass sich die Landwirtschaft darauf einstellen kann. Das dürfen die Landwirte von einer verantwortungsvollen Agrarpolitik erwarten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber müssen wir reden!)
Auch die Gentechnikfreiheit ist Teil Ihres Antrags. Wir haben dazu letzte Woche eine Debatte hier im Bundestag gehabt. Ich möchte heute noch einmal deutlich machen, dass wir alles unternehmen wollen, um zu einer bundeseinheitlichen Opt-out-Lösung zu kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. In diesem Sinne hat es auch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2010 entschieden. Deshalb kann es für uns keinen anderen Weg als eine bundeseinheitliche Lösung geben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich wollen wir auch, dass Deutschland bei jedem Anbauzulassungsantrag davon Gebrauch macht. Die Beschränkung auf ein Bundesland macht faktisch einfach keinen Sinn,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
da gentechnisch veränderte Organismen nicht an der Grenze zu einem Bundesland haltmachen.
Dabei sind wir längst nicht das einzige Land mit dieser Einstellung. So wie Deutschland bei der Novelle der EU-Öko-Verordnung angeblich anfangs – meine Kollegin Rita Hagl-Kehl hat das beschrieben – eine Solitärstellung eingenommen hat und sich mittlerweile die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Position des Bundestages angeschlossen haben, so sehen wir auch bei der Gentechnikfreiheit gute Chancen, dass die meisten Mitgliedstaaten den deutschen Weg mitgehen werden.
Die Gentechnikfreiheit ist für uns, wie für Sie, auch bei den Futtermitteln ein Thema.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir schauen dabei aber nicht nur auf die Kennzeichnung. Ein zentraler Ansprechpartner ist für uns der Handel. Dort ist festzustellen, dass das gentechnisch veränderte Soja mit Entwicklungen im Zusammenhang steht, die die deutschen Verbraucher nicht gutheißen. Eine Tendenz des Handels beispielsweise zum Angebot von Hähnchen, die ohne Gentechnik gefüttert wurden, zeichnet sich deutlich ab. Der Dialog ist für uns also neben den gesetzlichen Regelungen ein ganz wichtiges Instrument.
Wir sollten uns vor Augen führen, was passiert, wenn man unkritisch an die Gentechnik herangeht. In den USA gibt es bereits über 20 glyphosatresistente Kräuter. Das ist nur der Beginn einer Schraube, die sich immer weiter dreht und sich nicht mehr zurückdrehen lässt. Durch den Einsatz von Gentechnik verändert sich das Bewirtschaftungssystem in der Landwirtschaft langfristig dahin gehend, dass eine gute landwirtschaftliche Fachpraxis nicht mehr nötig ist. Dadurch erleidet man einen nicht verantwortbaren Verlust an nachhaltiger Wirtschaftsweise.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In unserem Koalitionsantrag „Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen“ ist eine ganze Reihe von Forderungen enthalten, die Sie in Ihrem Antrag zum Thema gute Ernährung aufgreifen. Zum Beispiel setzen wir uns dafür ein, dass die gesundheitlichen Risikofaktoren einer unausgewogenen Ernährung im Präventionsgesetz und in einer nationalen Präventionsstrategie angemessen berücksichtigt werden. Des Weiteren sollen die Schulvernetzungsstellen weiterhin finanziell und darüber hinaus von der DGE fachlich bei der Verbesserung der Qualität der Verpflegung unterstützt werden. Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner wollen wir in Zusammenarbeit mit den Bundesländern ein Leitbild gesunder, nachhaltig erzeugter und vielfältiger Kita- und Schulverpflegung erarbeiten,
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)
Kindern und Jugendlichen über Schulgärten, Bauernhofpatenschaften und Ähnliches den Ursprung des Essens vermitteln und die Ernährungsaufklärung in den Lehrplänen der deutschen Schulen verankern.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
All das wurde in unserem Antrag, den wir am 15. Januar dieses Jahres beraten haben, bereits so von uns formuliert. Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass wir Sie mit im Boot haben.
Sie sprechen in Ihrem Antrag auch die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie an. Die Niedersächsische Landesregierung bringt dazu genau heute einen Antrag in den Bundesrat ein, der zum Ziel hat, dass Werkvertragsbeschäftigte ihre Rechte besser vertreten können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Bundesarbeitsministerium erarbeitet gerade einen Gesetzentwurf, um den Missbrauch bei Werkverträgen zu verhindern.
Wie anfangs schon erwähnt, enthält der vorliegende Antrag also einen ganzen Strauß von Maßnahmen der Agrarpolitik der Zukunft. Stück für Stück – oder „een nah’t anner“, wie man in meiner ostfriesischen Heimat sagen würde – wollen wir uns mit den jeweiligen Themen befassen. Ich freue mich auf einen konstruktiven Dialog mit Ihnen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin Marlene Mortler von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4704263 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 92 |
Tagesordnungspunkt | Agrarwende |