06.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 92 / Tagesordnungspunkt 22

Dirk FischerCDU/CSU - Schienenpersonenfernverkehr

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es liegen uns drei Anträge der Fraktion Die Linke vor. Nach dem einen Antrag soll die Mehrwertsteuer im Schienenpersonenfernverkehr von 19 Prozent auf 7 Prozent abgesenkt werden. Daneben sollen Flugtickets im internationalen Verkehr mit 19 Prozent Umsatzsteuer belastet werden. Außerdem soll eine Gegenfinanzierung über die Luftverkehrsteuer vorgenommen werden. Das heißt, die Verrechnung von Einnahmen aus dem Emissionshandel soll gestrichen werden; die Deckelung auf 1 Milliarde Euro Einnahmen soll gestrichen werden; zur Deckung der Einnahmeverluste sollen die Steuersätze entsprechend angehoben werden.

Aus Sicht meiner Fraktion ist der Luftverkehrsstandort durch die Luftverkehrsteuer im internationalen Wettbewerb schon sehr stark belastet. Wir sind entschieden gegen jede weitere Zusatzbelastung, die die Probleme für unsere Flughäfen und unsere Airlines noch verschärft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab und werden uns auch in der Ausschussberatung dazu entsprechend einlassen.

Dann gibt es einen Antrag zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs. Das heißt, deutlich gesagt: Aus einem eigenwirtschaftlichen Fernverkehr soll – so wie beim Schienenpersonennahverkehr – ein bezuschusster Verkehr gemacht werden. Wir haben gerade gestern das Regionalisierungsgesetz beraten, wo zwischen Bund und Ländern noch über eine Spannweite zwischen 7,4 Milliarden Euro bis 8,5 Milliarden Euro verhandelt wird. Nun soll die Finanzierung des nicht mehr eigenwirtschaftlichen, sondern bezuschussten Fernverkehrs über Verkehrsdurchführungsverträge sichergestellt werden. Das ist eine klare Abweichung von den Beschlüssen der Bahnreform. Da wird ein sehr großes finanzielles Fass aufgemacht. Die Linke verspricht allen alles, koste es, was es wolle. Sie ist ohne jede haushaltspolitische Verantwortung. Die Staatsverschuldung ist ihr völlig egal.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Mein Gott!)

Dazu sagen wir ganz deutlich: Nicht mit uns!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Fischer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Kollegin Leidig?

Gerne, ja.

Bitte schön, Frau Kollegin Leidig.

Kollege Fischer, es stimmt natürlich, was Sie sagen: Es geht darum – vergleichbar dem, was die Länder beim Nahverkehr machen –, praktisch die notwendige Zugleistung zu bestellen. Das soll auf Bundesebene auch für die Fernzüge gemacht werden.

Sie selbst haben diesen Antrag 2001 genau so eingebracht, also mit genau demselben Bestellerprinzip. Ich möchte Sie erstens gerne fragen, was sich aus Ihrer Sicht in der Zwischenzeit so entscheidend verändert hat. Denn die Begründung war damals genau dieselbe, dass nämlich die Fernverkehrsanbindungen von der Bahn gekappt werden und es deshalb notwendig ist, dass der Bund diese Aufgabe übernimmt.

Die zweite Frage bezieht sich auf die Größenordnung. Ich erinnere mich, dass wir 2009 eine Anhörung zur Fernverkehrsanbindung von Oberzentren hatten. Da wurde uns dargelegt, dass man mit 100 Millionen Euro im Jahr – das ist nun wirklich weit von den vielen Milliarden entfernt, über die wir im Verkehrsbereich immer reden – alle Oberzentren in der Bundesrepublik Deutschland an den Schienenfernverkehr anbinden könnte. Halten Sie diese Zahl für unverhältnismäßig?

Zum Ersten: Meine Fraktion hat niemals einen Antrag eingebracht, aus einem eigenwirtschaftlichen Schienenpersonenfernverkehr einen bezuschussten Verkehr zu machen. Es steht aber eine Gewährleistung darin. Wenn man das entscheidende Jahr der Bahnreform nimmt, ging es damals um 180 Millionen Zugkilometer im Fernverkehr. Dieses war für uns immer eine Zielmarke, an der sich auch die Unternehmenspolitik zu orientieren hat. Damals hat die im Amt befindliche rot-grüne Bundesregierung eine Gewährleistung von Zugkilometern über Jahre strikt zurückgewiesen und gesagt: Es geht nur darum, dass die Infrastruktur vorgehalten wird, auf der dann der Schienenpersonenverkehr erfolgen kann.

Zweitens. Ich halte es für völlig illusionär, zu glauben, man könne einen Schienenpersonenfernverkehr mit einem Zuschuss von 100 Millionen Euro finanzieren. Ich halte das für eine absolute Illusion. Ich glaube, man sollte sich an solchen Zahlen überhaupt nicht orientieren. Dabei geht es um erhebliche Milliardenbeträge und nichts anderes. Im Unterschied zum Schienenpersonennahverkehr würden wir dadurch auch die Tickets für den internationalen Verkehr in erheblichem Maße aus dem Bundeshaushalt subventionieren. Ich glaube, das kann vernünftigerweise nicht unser Ziel sein.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ich würde gerne was zitieren!)

Der dritte Antrag, den Sie gestellt haben, trägt den Titel „Rückzug der Deutschen Bahn AG bei Nacht- und Autoreisezügen stoppen – Nachhaltige Reisekultur in Europa fördern“. Wir haben dazu ein Hearing durchgeführt. Wir haben dabei erfahren – darauf haben wir auch in den Beratungen deutlich hingewiesen –, dass der Vorstand der DB AG in eigener Verantwortung zu handeln hat.

Wenn Sie sich etwas stärker mit dem Aktiengesetz befassen würden, wüssten Sie, dass in § 76 Absatz 1 steht:

Wenn Sie ein bisschen weiterblättern, kommen Sie zu § 93 Absatz 1, in dem es heißt:

§ 93 Absatz 1 Satz 2 bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds vorliegen würde, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise nicht annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Sie können auch mit Anträgen im Deutschen Bundestag das Aktiengesetz nicht aushebeln und den Vorstand zu Handlungen veranlassen bzw. zwingen, die nach dem Aktiengesetz eine Pflichtverletzung darstellen. Das können wir als Deutscher Bundestag unter gar keinen Umständen machen. Wir haben eine Aktiengesellschaft. Wir haben ein geltendes Gesetz, und danach ist vorzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das heißt in der Konsequenz: Wenn in einem Geschäftsfeld seit Jahren Verluste eingefahren werden, wenn das rollende Material am Ende der technischen Nutzungsdauer ist, das heißt, größere Neuinvestitionen erforderlich sind, ist der Vorstand aufgefordert, zu handeln.

Der Vorstand hat uns mitgeteilt, dass man an einem neuen Konzept arbeite; man habe einige Linien aufrechterhalten; man wolle im Jahr 2017 endgültig entscheiden. Insoweit ist Ihr Antrag nach den Erklärungen der DB AG sogar überflüssig. Man hat eine Zwischenlösung gefunden: Pkws auf den Lkw und die Passagiere in den Zug. Dies soll Ende 2017 evaluiert werden. Man kann sich denken, dass ein Verkehrspolitiker nicht jubelt, wenn eine Rückverlagerung von der Schiene auf die Straße stattfindet.

Das veränderte Verbraucherverhalten muss zur Kenntnis genommen werden. Gegenüber früher haben wir viel mehr High-Speed-Fernverkehre mit deutlich verkürzten Reisezeiten. Wir haben heute sehr ausgeprägte Mietwagen- und Carsharing-Systeme, sodass es für viele nicht mehr sinnvoll ist, den eigenen Pkw über Hunderte von Kilometern zu transportieren, um am Zielort ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben. Seit eh und je handelt es sich hierbei um ein Saisongeschäft. In der Urlaubs- bzw. Reisezeit gibt es eine sehr viel größere Nachfrage als zu den anderen Zeiten. Für uns kommen öffentliche Zuschüsse in diesem Bereich überhaupt nicht infrage.

Frau Kollegin Leidig, wir haben eine AG, aber wir haben auch das Bestellerprinzip. Würden Sie mit Ihrem heißen Herzen eine Sabine Leidig GmbH & Co. KG gründen, könnten Sie über diese solche Leistungen bestellen und bezahlen. Sie könnten als Komplementärin oder Kommanditistin sogar eine Haftungsbeschränkung vorsehen. Ich würde der DB AG allerdings dringend raten, von der Sabine Leidig GmbH & Co. KG Vorkasse zu verlangen und nicht hinterher zu kassieren.

In diesem Sinne müssen wir auch diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Matthias Gastel, Bündnis 90/Die Grünen.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Frau Präsidentin!)

– Die Redezeit war zu Ende, Frau Kollegin Leidig. Dann kann man keine Frage mehr stellen.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Kurzintervention!)

– Die ist nicht angemeldet.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Dann würde ich die gerne anmelden! – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Sie ist Rednerin gewesen!)

– Die müsste Frau Karawanskij anmelden. – Ausnahmsweise.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU)

– Die müssen die Geschäftsordnung noch lernen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4704435
Wahlperiode 18
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Schienenpersonenfernverkehr
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