06.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 92 / Tagesordnungspunkt 22

Kirsten LühmannSPD - Schienenpersonenfernverkehr

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Das, sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, hat uns der Bahnvorstand Ulrich Homburg in der Anhörung des Verkehrsausschusses zu dem Thema gesagt. Das ist für Kunden und Kundinnen und auch für die vielen Beschäftigten in diesem Bereich ein wichtiges Signal. Das begrüßen wir.

Die Bahn erarbeitet Lösungen. Und welches Bild malen die Anträge, die wir hier heute beraten? Die Bundesregierung soll der Bahn ein Moratorium vorgeben. Die Bundesregierung soll ein Konzept in Auftrag geben. Die Bundesregierung soll den Fernverkehr subventionieren. – Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wenn wir der Bahn so in den Fernverkehr reinreden, ist das eine 180-Grad-Wende zu allem, was wir damals bei der Bahnreform verabschiedet haben, und das wollen wir so nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Warum wollen wir das nicht? Weil das Konzept aufgeht. Der Nahverkehr – das ist hier mehrfach gesagt worden – ist eine Erfolgsgeschichte. Mit dem Geld des Bundes organisieren die Länder, dass mehr Menschen pünktlicher mit der Bahn fahren können. Das Netz wird nicht nur über Nutzerentgelte finanziert, sondern auch mit Steuermitteln subventioniert, da es sich um Daseinsvorsorge handelt. Im letzten Jahr haben wir die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II abgeschlossen. Sie ist gegenüber der ersten verbessert. In ihr wird eine bürokratiearme Steuerung über Qualitätsmerkmale festgeschrieben. Der eigenwirtschaftliche Güterverkehr mit über 300 privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen – es gibt dort echten Wettbewerb – ist ein Erfolgsmodell. Die Nutzungszahlen steigen so sehr, dass es sogar zu Netzengpässen kommt.

Frau Kollegin Lühmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Leidig?

Ja, bitte.

Bitte schön.

(Unruhe bei der CDU/CSU)

Ich höre, Sie stöhnen; aber ich finde, es geht hier auch um etwas Wichtiges. – Ich würde gerne Ihnen, Frau Lühmann, eine Frage stellen. Sie haben gerade davon gesprochen, dass bei der Bahnreform klar geregelt wurde, dass der Bund mit der Bahn nichts zu tun hat und der Bund hier nicht reinreden soll. Ich möchte Ihnen jetzt den Grundgesetzartikel vorlesen, der damals mit der Bahnreform zusammen beschlossen und ins Grundgesetz eingefügt wurde. Artikel 87 e Absatz 4 Grundgesetz lautet:

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Wie würden Sie das interpretieren?

Ich interpretiere das so – wir haben ja gesagt: der Nahverkehr ist Daseinsvorsorge, und darum finanzieren wir ihn aus Steuern –, dass wir uns in dem Moment Gedanken machen müssen, wenn klar ist, dass den vorhandenen Bedürfnissen im Fernverkehr eigenwirtschaftlich nicht mehr entsprochen werden kann. Der eigenwirtschaftliche Fernverkehr – das hätte ich im nächsten Satz meiner Rede gesagt – ist kein Selbstläufer. Darum warten wir alle gespannt darauf, was kommt.

Die Deutsche Bahn hat für den 18. März ein Fernverkehrskonzept angekündigt, und ich möchte erst einmal abwarten, wie dieses Fernverkehrskonzept aussieht. Wenn durch das Fernverkehrskonzept ein bedarfsgerechter Fernverkehr auf Deutschlands Schienen gewährleistet ist, dann sehe ich keinen Grund dafür, dass sich der Bund in irgendeiner Art und Weise einmischt. Das Grundgesetz schreibt das auch nicht vor.

In der Anhörung wurden uns schon Einzelheiten eines Konzepts für Nacht- und Autozüge dargelegt. Klar ist: Nachtzüge sind gut nachgefragt, aber aufgrund des alten Materials und des veränderten Komfortverhaltens der Kundschaft ist niemand bereit, kostendeckende Preise zu zahlen. Die anderen europäischen Staaten haben Nachtzugverkehre bereits eingestellt, und auch die staatlich bezuschussten Strecken, zum Beispiel die DB-Nachtzugverbindung nach Kopenhagen, fallen zunehmend dem Rotstift zum Opfer. Die Deutsche Bahn konnte die defizitäre Strecke nach Dänemark ohne Subventionen nicht länger aufrechterhalten. Gleiches gilt – wenn auch aus anderen Gründen – für zwei weitere Linien. Aber – und das ist uns wichtig, liebe Kollegen und Kolleginnen – Herr Homburg hat uns zugesagt, dass die restlichen zwölf Nachtzugverbindungen aufrechterhalten werden; zumindest bis das angesprochene Konzept vorgelegt ist. Das ist eine gute Nachricht.

Der Bahnvorstand hat in der Anhörung neben dem unternehmensinternen Bereich auch den externen Bereich angesprochen; bei letzterem ist die Politik gefragt. Hier sind wir mit der Bahn im Gespräch, in Ruhe und mit der nötigen Sorgfalt. Eine Novelle zum Eisenbahnregulierungsgesetz, die Regelungen zum Kostenfaktor Trassenpreise – die anfallenden Kosten sind erheblich – beinhaltet, wird demnächst vorgelegt.

Bei den Autoreisezügen stehen wir allerdings vor einer anderen Situation; denn die Verbindungen sind bereits eingestellt. Die alten Wagen mussten aus Sicherheitsgründen stillgelegt werden, und für neues Material, das nur vier Monate in der Saison eingesetzt werden kann und somit acht Monate lang auf dem Abstellgleis steht, fehlt der DB einfach das Geld. Aus meiner Sicht ist das verständlich.

Herr Homburg hat uns ein Modell vorgestellt, das erfolgreich erprobt wurde: Der Pkw wird auf einem Lkw zum Zielort gebracht, und die Kunden fahren mit der Bahn. Zugegeben, das ist nicht die ökologischste Lösung. Aber für die Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen könnte das eine Lösung sein, zum Beispiel: für das ältere Ehepaar, das mir geschrieben hat, sie möchten, dass ihnen ihr vertrautes Fahrzeug am Urlaubsort zur Verfügung steht, aber sie würden die lange Autofahrt scheuen, oder für die Familie mit kleinen Kindern, die relativ entspannt mit dem Zug fahren möchte, während das Auto mit dem Gepäck pünktlich an den Urlaubsort gebracht wird.

Ob sich dieses Angebot durchsetzen wird, ist noch nicht sicher. Daher wird die Bundesregierung weiterhin in engem Kontakt mit der Bahn bleiben, um zu bedarfsgerechten Lösungen zu kommen, und zwar ohne ideologische Scheuklappen. Das ist der Unterschied zwischen verantwortungsvoller Regierungsarbeit und Schaufensteranträgen, denen wir nicht zustimmen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Fritz Güntzler, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4704509
Wahlperiode 18
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Schienenpersonenfernverkehr
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