Fritz GüntzlerCDU/CSU - Schienenpersonenfernverkehr
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich lediglich dem Antrag der Linken zur Mehrwertsteuerreduktion im Schienenpersonenfernverkehr aus Sicht eines Finanzpolitikers zuwenden.
Dem Antrag der Linken liegt die Annahme zugrunde, es gebe erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen Bahn- und Flugverkehr.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Als Begründung hierfür führen Sie die unterschiedliche Besteuerung der beiden Verkehrsträger an.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist auch so!)
Da stellt sich die Frage: Stehen Bahn- und Flugverkehr wirklich in erheblicher Weise in einem Wettbewerb zueinander? Meines Erachtens, meine Damen und Herren, wird in dem Antrag übersehen, dass die deutschen Fluggesellschaften nicht in erster Linie im Wettbewerb zur Deutschen Bahn stehen – die Konkurrenten deutscher Fluggesellschaften sind die internationalen Fluggesellschaften vom Bosporus oder vom Persischen Golf, und es kann nicht unsere Aufgabe sein, neue Wettbewerbsnachteile für die deutsche Luftverkehrswirtschaft zu schaffen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Bahn ist nicht Wettbewerber der Fluggesellschaften, sondern häufig ein wichtiger Kooperationspartner; exemplarisch nenne ich das Projekt „Rail&Fly“ oder „Zug zum Flug“. Wenn Sie mir das nicht glauben – das entnehme ich Ihren Reaktionen –, können Zahlen Ihnen vielleicht ein wenig helfen, zu einer anderen Überzeugung zu kommen: Der Schienenverkehr findet zu 99 Prozent national statt, der Luftverkehr dagegen nur zu 20 Prozent. Passagiere, die in Deutschland ein Flugzeug besteigen, legen im Durchschnitt 2 200 Kilometer zurück, Bahnreisende dagegen durchschnittlich nur 280 Kilometer. Wir sprechen hier also von völlig verschiedenen Verkehrsträgern. Die Zahl – das ist auch ganz interessant – der nationalen Flugreisenden stagniert derzeit, während die Zahl der nationalen Bahnfahrten in den Jahren von 2006 bis 2013 um 10 Prozent gestiegen ist, was ja grundsätzlich eine positive Sache ist. Sie sehen also, meine Damen und Herren von der Linken, die Grundannahme Ihres Antrags ist schon falsch.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Wir reden nur über den Fernverkehr!)
Sie von den Linken lassen auch völlig außer Acht, dass das Finanzierungssystem, das dem Flugverkehr zugrunde liegt, völlig anders ist als das im Bahnverkehr: Der Luftverkehr kommt für seine Infrastrukturkosten – über Luftsicherheitsgebühren, Flugsicherungskosten oder Flughafenentgelte – grundsätzlich vollständig selber auf.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das sieht das Umweltbundesamt völlig anders!)
Beim Schienenverkehr sieht das anders aus: Die dort anfallenden Entgelte reichen nicht ansatzweise aus, um die Kosten für Bau und Erhalt der Infrastruktur zu decken. Allein im Jahr 2011 sind, beispielhaft, dafür fast 4 Milliarden Euro ausgegeben worden. Sie vergleichen also in Ihrem Antrag – gleich in der Prämisse – Äpfel mit Birnen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Oje! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie setzen keine Prioritäten! Das ist das Problem!)
Dies vorausgeschickt möchte ich kurz auf die Forderungen der Linken im Einzelnen eingehen:
Sie wollen erstens, dass wir die Bundesregierung dazu auffordern, den Mehrwertsteuersatz für Tickets im Bahnfernverkehr analog zum Nahverkehr von 19 Prozent auf 7 Prozent zu reduzieren, und das bereits ab dem 1. Juli dieses Jahres. Als Finanzpolitiker möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es dafür eine Gesetzesänderung braucht, weil es im Umsatzsteuerrecht keine Verordnungsermächtigung in entsprechender Weise gibt. Wir müssten also ein Gesetzgebungsverfahren einleiten. Auch übersehen Sie meines Erachtens, dass im Mehrwertsteuerrecht das sogenannte Neutralitätsprinzip gilt und die anderen Verkehrsträger bei der Personenbeförderung – wie zum Beispiel die Fernbusse, die schon genannt worden sind – somit ebenfalls die geforderte Privilegierung genießen müssten. Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums würde das summa summarum zu Steuermindereinnahmen von über 1 Milliarde Euro, eher 1,4 Milliarden Euro, führen.
Zweitens fordern Sie, auf alle von Deutschland ausgehenden und nach Deutschland eingehenden grenzüberschreitenden Flüge den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu erheben. Man hat in dieser Diskussion teilweise das Gefühl, dass überhaupt keine Mehrwertsteuer für Flüge gezahlt wird. Deswegen möchte ich nur nebenbei erwähnen: Für Inlandsflüge gilt dieser Satz von 19 Prozent. Sie begründen Ihren Antrag unter anderem auch mit den erwarteten Mehreinnahmen von 3,5 Milliarden Euro; Sie haben diese Zahl dem Bericht des Umweltbundesamtes entnommen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass selbst in diesem Bericht festgestellt wird, dass diese Summe voraussetzen würde, dass die gesamte Strecke besteuert wird. Wir dürfen aber aufgrund von rechtlichen Gegebenheiten – ob Chicagoer Abkommen oder EU-Richtlinien – nur den Teil besteuern, der in Deutschland liegt. Und Sie haben völlig vergessen, dass die Geschäftsreisenden logischerweise auch noch einen Vorsteuerabzug geltend machen können, sodass man realistischerweise auf eine Höhe von circa 80 Millionen Euro käme, wie es die Bundesregierung Ihnen in einer entsprechenden Bundestagsdrucksache schon dargestellt hat.
Außerdem wäre die Erhebung dieser Steuer mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden, weil bei jedem Flug neu ermittelt werden müsste, wie viele Kilometer tatsächlich – und das für unterschiedliche Flugrouten; denn sie können sich ja durch Windverhältnisse ändern – über deutschem Hoheitsgebiet zurückgelegt worden sind. Sie wollen also auch damit wieder Wettbewerbsnachteile für die Luftverkehrswirtschaft in Deutschland schaffen. Da machen wir nicht mit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Drittens fordern Sie – der Kollege Fischer hat es angesprochen –, zum Ausgleich die Luftverkehrsteuer zu novellieren. Meines Erachtens würde es dadurch – das haben wir schon bei der Einführung der Luftverkehrsabgabe gesehen – zu einer weiteren Verlagerung des Flugverkehrs weg von deutschen Flughäfen und deutschen Airlines hin zu den internationalen Wettbewerbern und Flughäfen im Ausland kommen. Wer beispielsweise das Glück hat – wie ich höre –, in Baden-Württemberg zu wohnen – ich bin ja nun Niedersachse –, wird einen größeren Anreiz haben, statt von Stuttgart von Zürich aus zu fliegen. Wer bisher via Frankfurt geflogen ist, wird eher Amsterdam oder Istanbul als Drehkreuz wählen. Das würde unserer international orientierten Wirtschaft nur schaden, und das Ziel – die Senkung der CO 2 -Emissionen – wird es letztendlich auch nicht erreichen helfen, weil die Flüge ja doch stattfinden, sie starten nur woanders.
Meine Damen und Herren, wir lehnen deshalb diesen Antrag ab. Er verkennt, dass Bahn- und Flugverkehr völlig unterschiedliche Finanzierungssysteme zugrunde liegen. Er zieht daher auch die falschen Schlussfolgerungen und verkennt die negativen Auswirkungen auf die Luftverkehrswirtschaft, die durch steuerliche Insellösungen herbeigeführt werden würden.
Den Vorwurf der mangelnden Wertschätzung der Bahn weise ich zurück. Ich gehe gleich zum Bahnhof.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Andreas Schwarz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4704518 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 92 |
Tagesordnungspunkt | Schienenpersonenfernverkehr |