Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde zu Klimaschutz und Energieeffizienz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei 70 Prozent unseres Gebäudebestandes besteht Bedarf an energetischer Sanierung. Wenn wir es nicht in allernächster Zeit schaffen, jährlich 2 bis 3 Prozent dieser Sanierungen abzuarbeiten, dann können wir alle Klimaschutzziele und auch die Energiewende im Wärmebereich vergessen. Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die energetische Gebäudesanierung ist wirklich mehr als nur das Dämmen mit Styropor. Sie nutzt nicht nur dem Klimaschutz, sondern schafft auch Zehntausende Arbeitsplätze in Handwerk und Bauindustrie. Sie verbessert außerdem die Substanz von Wohngebäuden, wovon die Mieter und die Gebäudeeigentümer etwas haben, und reduziert die Multi-Milliarden-Euro-Rechnungen von Herrn Putin und anderen Despoten, die wir jedes Jahr begleichen müssen. Deshalb und vor allen Dingen auch wegen des Klimaschutzes müssen wir uns um dieses Thema kümmern. Es muss ganz oben auf der Agenda stehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gut ist, dass es in Deutschland seit langem einen Konsens darüber gibt, dass die Potenziale der energetischen Gebäudesanierung nur zu erschließen sind, wenn wir die notwendigen staatlichen Anreize geben. Ich muss Ihnen offen sagen: Ich habe die Große Koalition gelobt – und ich bin nicht bekannt dafür, dass ich sie oft lobe –, als sie im Rahmen der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz, dem NAPE, gesagt hat: Ja, wir nähern uns dem Thema „Steuerbonus für energetische Gebäudesanierung“ noch einmal. Wir versuchen, ihn einzuführen, weil alle Studien, die uns vorliegen, belegen, dass er ein wirklicher Anreiz sein könnte.
Die Hochglanzbroschüre im Wirtschaftsministerium war noch nicht gedruckt, als plötzlich verkündet wurde – da sind wir alle vom Stuhl gefallen –: Nein, die CSU macht da nicht mit. Herr Seehofer will das nicht. – Wo sind wir denn, meine Damen und Herren, angesichts eines politischen Konsenses?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich frage mich schon – Herr Gabriel, es ist gut, dass Sie hier sind –, ob man mit der Großen Koalition Mitleid haben muss. Denn all das, was in diesem Land sinnvoll ist, wird von der CSU blockiert. Überall dort, wo es einen Konsens gibt, steht Herr Seehofer auf der Bremse. Das, was irre und verrückt ist, kommt von der CSU und wird durchgedrückt. Es ist eine Schande, dass die Große Koalition eine solche Politik mit sich machen lässt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Völlig absurd ist die Begründung, die nun hinterhergeliefert wird: Es wird gesagt, die Kürzung des Handwerkerbonus, den man von der Steuer absetzen kann, von 1 200 Euro auf 900 Euro zur Gegenfinanzierung sei nicht verantwortbar. Meine Damen und Herren, es werden nicht weniger Handwerkerrechnungen gestellt und bei der Steuer eingereicht, wenn die Höhe des Handwerkerbonus reduziert wird. Das ist kein Argument dafür, ein Thema wie die energetische Gebäudesanierung zu versenken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die CSU treibt es sogar noch absurder. Im Bundesrat wurde ein Antrag des Landes Bayern eingebracht, den ich nur so verstehen kann, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, diesen Steuerbonus aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Meine Damen und Herren, die anderen 15 Länder werden mit dieser Finanzierungsform kein Problem haben. Wir haben auch kein Problem damit. Aber wer, verdammt noch mal, regiert denn hier in Deutschland? Wer ist denn Teil der Großen Koalition? Liebe CSU, beantragen Sie das nicht im Bundesrat, sondern setzen Sie das hier in der Großen Koalition durch!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen: Die Politik von Herrn Seehofer im Bundesrat – etwas zu beantragen, was er dann selbst im Koalitionsausschuss der Großen Koalition verhindert – ist Bananenrepublik im Lederhosenformat. Das kann einfach nicht sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Olav Gutting [CDU/CSU]: Na, na! – Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Unerhört!)
Ich sage Ihnen auch: Damit ist nicht nur die Einführung eines Steuerbonus gescheitert; denn er ist das zentrale Element von Klimaschutz und Energiewende dieser Bundesregierung.
Wenn das nicht mit dem Handwerkerbonus gegenfinanziert werden soll, meine Damen und Herren, dann können wir gerne über andere Vorschläge reden. Ich hätte die Mövenpick-Steuer anzubieten. Die können wir gerne zur Gegenfinanzierung einsetzen. Lassen Sie das an dieser Stelle aber bitte nicht scheitern. Wenn Sie das nicht wollen, dann machen Sie bitte andere Vorschläge.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Jäger 90!)
Zum Schluss möchte ich sagen: Hunderttausende Hausbesitzer, Handwerker, die Bau- und die Heizungsindustrie warten auf diesen Steuerbonus. Die Ankündigung des Steuerbonus durch die Große Koalition hat zu Attentismus geführt, sodass Investitionen verschoben worden sind. Jeder Förder-Euro, den wir in diesem Bereich investieren, löst Investitionen von 7 bis 8 Euro aus. Das ist ein unabhängiges und gutes Konjunkturprogramm.
Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, das richte ich jetzt an alle, an CDU, CSU und SPD: Wenn Sie das trotz des politischen Konsens nicht hinbekommen, dann haben Sie in diesem Land als Koalition Ihre Existenzberechtigung verloren.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Georg Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4704766 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 92 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Klimaschutz und Energieeffizienz |