Lars KlingbeilSPD - Aktuelle Stunde/ Vorratsdatenspeicherung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Freunde von den Grünen, ich freue mich, dass wir hier im Hohen Hause so leidenschaftlich über Grundrechte diskutieren. Ich halte das für wichtig. Ich will mich dem Dank des Kollegen Strobl an die grüne Fraktion anschließen, dass sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat.
Ich finde, wir Parlamentarier tragen eine große Verantwortung, wenn es darum geht, über Freiheit und Sicherheit zu diskutieren und dabei die richtige Balance zu finden. Eine der wichtigsten Aufgaben, die wir in diesem Haus haben, ist, uns diesen Fragen zu stellen: Was darf der Staat? Was darf er mit den Daten der Bürger machen? Wie stark darf er eingreifen? Ich finde es gut und richtig, dass wir das heute diskutieren. Es wird sicherlich nicht die letzte Diskussion bleiben, die wir hier im Haus zu diesem wichtigen Komplex führen.
(Beifall der Abg. Daniela Kolbe [SPD])
Frau Göring-Eckardt, ich will Ihnen aber sagen: Ich habe keine Angst vor dieser Diskussion. Wenn ich höre, was Sie hier als „Streit“ beschrieben haben,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine konstruktive Debatte!)
dann muss ich sagen: Nein, es ist eine politische Diskussion, die wir zu führen haben.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber in wenigen Wochen wird das ja vorgelegt!)
Davor haben wir Sozialdemokraten keine Angst.
(Beifall bei der SPD)
Gehen Sie davon aus: Wir werden diese Diskussion auch in der Koalition verantwortungsvoll führen.
Es ist kein Geheimnis, dass es in der Koalition eine ganze Bandbreite von unterschiedlichen Positionen gibt. Ich glaube, das ist einer der Gründe, weswegen wir das heute hier in der Aktuellen Stunde diskutieren. Da gibt es auf der einen Seite Herrn Strobl, auf der anderen Seite vielleicht Lars Klingbeil.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Aber gehen Sie davon aus: Wir werden diese Diskussion, die keine leichte ist, in der Großen Koalition verantwortungsvoll führen. Wir werden diese Debatte in dem Bewusstsein führen, dass es einen Paradigmenwechsel gegeben hat. Dieser Paradigmenwechsel wurde mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eingeleitet,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
mit dem die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für obsolet erklärt wurde.
Ich bin Heiko Maas ausdrücklich dankbar dafür, dass er damals besonnen reagiert hat, dass er erklärt hat: Es kommt nicht zu nationalen Schnellschüssen, sondern wir schauen uns an, was auf der europäischen Ebene passiert.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wir machen keine Schnellschüsse! Wir machen nie Schnellschüsse!)
Wir werten das Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus und werden dann besonnen und konstruktiv in die nationale Debatte einsteigen. – Genau das tun wir jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War Herr Gabriel auch konstruktiv?)
Der Paradigmenwechsel ist da
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte wissen, ob Herr Gabriel konstruktiv war mit seinem Vorschlag!)
– hören Sie doch bitte einmal zu –, weil wir uns erstmalig in einer anderen Situation befinden. Über Jahre hinweg mussten die Gegner der Vorratsdatenspeicherung erklären, warum sie dagegen sind. Jetzt müssen die Befürworter sagen, warum sie dafür sind.
(Beifall bei der SPD)
Mit der europäischen Richtlinie gibt es keine Gründe mehr. Mit den Strafzahlungen gibt es keine Gründe mehr.
Wir als Parlament können jetzt entscheiden, was wir wollen. Die Diskussion darüber werden wir in den nächsten Wochen und Monaten führen, und ich freue mich auf diese Diskussion, weil es eine Diskussion der Argumente sein wird und nicht mehr eine der europäischen Regeln und der Zwänge, in denen wir uns bewegen.
Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten sehen, ob es gelingt, die Begriffe „anlasslos“, „flächendeckend“ und „grundrechtskonform“ zusammenzubringen. Ich prognostiziere: Das kommt einer Quadratur des Kreises gleich.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das Herrn Gabriel schon gesagt?)
Das ist eine schwierige Aufgabe, die vor uns liegt. Aber wir wollen diese Diskussion führen, und ich rate auch den Grünen, sich einer Diskussion über eine effiziente Strafverfolgung, über eine effiziente Strafaufklärung nicht zu verweigern.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir dabei!)
Wir müssen diese Diskussion in turbulenten Zeiten wie diesen führen. Ich würde mir wünschen – auch das will ich anmerken –, dass wir ebenso leidenschaftlich und emotional, wie wir über die Frage der Vorratsdatenspeicherung diskutieren, auch darüber diskutieren, ob wir die Strafermittlungsbehörden personell und technisch nicht besser ausstatten müssten.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir werden über die sehr unterschiedlichen Vorschläge, die im Raum stehen, debattieren.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Da ist die Koalition wirklich gut unterwegs!)
– Ich spreche doch gerade für die Koalition. – Es wird darüber zu diskutieren sein, ob wir die Anlässe definieren, ob wir die Speicherdauer verkürzen, ob wir Unterschiede bei den Datenarten machen und ob wir Berufsgruppen aus der Vorratsdatenspeicherung herausnehmen, wenn sie denn kommt.
Ich will zum Ende nur noch eines sagen: Egal welche Position nachher auf dem Tisch liegt, egal wie das Parlament entscheidet, wir als Parlamentarier müssen am Ende zwei Fragen beantworten. Die eine Frage ist, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Die zweite Frage ist, ob die hohen Hürden, die uns vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof vorgegeben wurden, eingehalten werden oder ob wir nicht Gefahr laufen, mit Anlauf und mit erhöhter Geschwindigkeit wieder gegen die Wand eines Gerichtsurteils zu laufen. Davor kann ich nur warnen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wird es sein!)
Eine solche Situation sollten wir verhindern.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir helfen Ihnen dabei! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir helfen der GroKo gerne!)
Ich freue mich auf die konstruktive Diskussion, die wir in den nächsten Monaten mit vielen guten Argumenten führen werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt die Kollegin Elisabeth Winkelmann-Becker das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie erklärt uns jetzt, wie Berufsgeheimnisträger herausgenommen werden! Das ist total interessant!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4769655 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 93 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde/ Vorratsdatenspeicherung |