Alexander HoffmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde/ Vorratsdatenspeicherung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir am Ende der Debatte, noch den einen oder anderen Gesichtspunkt, der formuliert wurde, herauszugreifen. Zunächst einmal glaube ich, dass trotz aller Emotionen und Zwischenrufe eine große Gemeinsamkeit über alle Fraktionen hinweg erkennbar war. Ich glaube, die Gemeinsamkeit ist, dass wir alle internationalen Terrorismus und schwere Kriminalität wie zum Beispiel Kinderpornografie effektiv bekämpfen wollen. Wenn das das Ziel ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann kann, meine ich, in einem Rechtsstaat sehr wohl darüber nachgedacht werden, ob dazu die Speicherung von Verbindungsdaten benötigt wird. Bei dieser Frage gibt es zwei Ebenen.
Da ist zunächst die Frage des Ob, also die Frage: Darf der Staat überhaupt eine Speicherung der Daten vorschreiben? Dass es darüber heute noch, nach zwei höchstrichterlichen Entscheidungen, ernsthafte Diskussionen gibt, wundert mich.
Erstens können ja diverse Beispiele aus der Praxis den tatsächlichen und praktischen Nutzen aufzeigen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Mitte 2006 hatte die bayerische Polizei begonnen, gegen einen Pädophilenring zu ermitteln. Es kam im Folgenden zu circa 1 000 Festnahmen und zur Sicherstellung von circa 1 000 PCs, 1 800 Videos und 45 000 Datenträgern. Allein ein Film mit hartem kinderpornografischem Material wurde 48 000-mal heruntergeladen. Es war klar – das ließ sich ermitteln –, dass 7 500 Nutzer aus Deutschland kamen. Es konnten aber in Deutschland nur 987 Nutzer ausfindig gemacht werden. Das sind gerade einmal 13 Prozent. Die Zahl hätte sich auch nicht allein dadurch verändert, dass mehr Ermittler zur Verfügung gestanden hätten.
Zweitens ist bei der Frage des Ob für mich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wichtig. Denn er äußert sich – Herr von Notz, Sie haben es vorhin angezweifelt – an zwei Stellen relativ dezidiert zur Frage des Ob. Er sagt nämlich zum einen, dass die Vorratsdatenspeicherung eben nicht den Wesensgehalt von Grundrechten antastet. Das bedeutet, dass grundsätzlich eine verfassungskonforme Regelung möglich ist.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur nicht die der Großen Koalition! – Christian Flisek [SPD]: Das warte erst einmal ab!)
Zum anderen vertritt er die Auffassung, dass die Vorratsdatenspeicherung eine Zielsetzung darstellt, die dem Gemeinwohl dient, nämlich der Bekämpfung schwerer Kriminalität und der Herstellung der öffentlichen Sicherheit.
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist interessant!)
Wer, meine Damen, meine Herren, auf dieser Ebene tatsächlich die rechtliche Zulässigkeit bestreitet, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob er ernsthaft schwere Kriminalität, internationalen Terrorismus und Kinderpornografie bekämpfen will.
(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist doch absolut naiv! Die richten sich doch darauf ein! Das ist leicht auszutricksen! Machen Sie mal ein Praktikum beim BKA!)
Denn wer sich dauerhaft die Augen und Ohren zuhält – und da bleibe ich bei meinem Satz –, der darf sich nicht wundern, wenn er nichts sieht und nichts hört.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Nebelkerze ist die Vorratsdatenspeicherung, Herr Kollege!)
Nun, meine Damen, meine Herren, kommen wir zur zweiten Ebene, der Ebene des Wie. Das ist – es ist vorhin angeklungen – durchaus komplexer, weil uns der EuGH schon Hausaufgaben ins Heft geschrieben hat, Kollege Flisek hat es angesprochen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben vor vier Jahren schon mal genau dieselbe Debatte geführt!)
Aber ich glaube nicht, dass es dabei um Hexerei geht, und ich glaube auch nicht, dass es die Quadratur des Kreises ist. Ich will kurz die Gelegenheit nutzen, die fünf wesentlichen Gesichtspunkte aufzuzeigen, die der EuGH als Parameter aufgestellt hat.
Er fordert zunächst eine Differenzierung bezüglich des Personenkreises, der Kommunikationsmittel und der Verkehrsdaten.
Er fordert dann, dass das Gesetz objektive Kriterien benennen muss, in welchem Verfahren nationale Behörden auf die Daten zugreifen können. Da steht selbstverständlich der Richtervorbehalt im Raum.
Außerdem ist erforderlich, eine Differenzierung hinsichtlich der Dauer der Speicherung vorzunehmen. Ein grobes Raster, also etwa „zwischen 6 und 24 Monaten“, genügt nicht, sondern es bedarf bezogen auf die Straftat einer verhältnismäßigen Zeitspanne.
Des Weiteren – das, denke ich, ist unser aller Interesse geschuldet – muss das Gesetz eine Grundlage dafür schaffen, dass es zu keinem Missbrauch der gespeicherten Daten beim Anbieter kommt.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist sehr großzügig, dass Sie das mitdenken!)
Schließlich – das ist der fünfte Gesichtspunkt – ist sicherzustellen, dass die Daten im Gebiet der Europäischen Union gespeichert werden und damit die europäischen Standards für Datensicherheit und Datenschutz gelten.
Meine Damen, meine Herren, Sie sehen: Wir haben uns sehr dezidiert damit auseinandergesetzt, was unsere Hausaufgaben sind.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wo ist denn Ihr Entwurf, Herr Kollege? Wo ist er denn?)
Ich bin zuversichtlich, dass wir genau diese Hausaufgaben erfüllen können. Darauf freue ich mich.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Dr. Tim Ostermann, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4769809 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 93 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde/ Vorratsdatenspeicherung |