19.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 94 / Tagesordnungspunkt 4

Gerda HasselfeldtCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über die aktuellen Herausforderungen in Europa reden, dann ist vielleicht auch ein Blick darauf angebracht, was alles geleistet und erreicht wurde. Zur Wahrheit gehört, dass erstmals seit der Wirtschafts- und Finanzkrise in jedem europäischen Land wieder Wachstum zu verzeichnen ist. Zur Wahrheit gehört auch, dass in den Problemländern, in den Ländern, die unter dem Rettungsschirm standen, wie Spanien, Portugal und Irland, sich die Situation deutlich verbessert hat, dass diese drei genannten Länder sich mittlerweile auch am Kapitalmarkt refinanzieren können. Zur Wahrheit gehört auch, dass gerade in Spanien und in Irland die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist.

All das bestätigt, dass der Kurs, den wir in den letzten Jahren auch hier im Bundestag immer wieder verfolgt haben, der Kurs, der in Europa gegolten hat, nämlich Solidarität und Solidität, der richtige war und dass wir diesen Kurs fortsetzen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben immer unter Beweis gestellt: Europäische Solidarität gilt. Wir helfen den Staaten, die aus unterschiedlichen Gründen in Schwierigkeiten geraten sind. Aber Solidarität steht nicht alleine – es würde in der Sache auch nichts bringen –, sondern sie ist immer notwendig in Verbindung mit den Eigenanstrengungen der einzelnen Länder. Nur so geht die Rechnung auf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil unser Kurs erfolgreich war – wir alle wissen, dass nicht alle Probleme gelöst sind –, müssen wir auf diesem Weg fortfahren. Es gilt der Dreiklang, der uns auch bisher geleitet hat. Erstens: solide öffentliche Haushalte. Sie sind der Schlüssel für das Vertrauen der Finanzmärkte. Zweitens: Strukturreformen dort, wo es nötig ist, um die Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt herzustellen und immer wieder nachzujustieren. Drittens: Investitionstätigkeit, um Wachstum und Beschäftigung zu erreichen, neues Innovationspotenzial zu erschließen, und zwar sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich. Dieser Dreiklang gehört zusammen. Nun kann zwar ein europäischer Rahmen gesetzt werden, aber die Hauptverantwortung liegt – meines Erachtens aus guten Gründen – bei den Nationalstaaten.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Völlig richtig!)

Sie haben die Verantwortung für die Finanzpolitik, für die Wirtschaftspolitik, für die Arbeitsmarktpolitik und für viele andere Bereiche. Sie müssen sich daran halten und ihre Politik danach ausrichten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Entwicklung in den unterschiedlichsten Ländern zeigt: Wenn man sich an diesen drei Kriterien orientiert, dann ist der Weg auch erfolgreich. Wir sehen das im Kleinen, auch in meinem Heimatland Bayern – Sie erlauben, dass ich das mit einem Stück Stolz sage –, das seit mittlerweile zehn Jahren einen ausgeglichenen Haushalt hat und seit einigen Jahren die Schulden tilgt. Aber das ist nicht verbunden mit Verarmung und Verschlechterung der Bedingungen für die Menschen. Im Gegenteil: Den Menschen dort geht es besser, es gibt weniger Arbeitslose, Jugendarbeitslosigkeit haben wir so gut wie keine. Die Investitionstätigkeit im öffentlichen Bereich und im privaten Bereich ist hervorragend. Jeder Kinderkrippenplatz und Kindertagesstättenplatz, für den eine Kommune Förderung beantragt, wird vom Freistaat Bayern auch gefördert. Der Freistaat Bayern ist auch das einzige Bundesland, das für die Kommunen – anders, als es in anderen Ländern der Fall ist – die Kosten für die Unterkunft von Asylbewerbern übernimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

An diesem Beispiel wird deutlich: Es zahlt sich aus, solide zu haushalten und solide zu wirtschaften. Dann kann man bewusst Schwerpunkte der Investitionen dort setzen, wo sie notwendig sind.

Die Beispiele können fortgesetzt werden. Letztlich ist auch Deutschland, sind auch wir ein gutes Beispiel dafür. Wir haben mit großen Anstrengungen im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr einen soliden Haushalt erreicht. Die Herausforderungen, dies auch in den nächsten Jahren so zu gestalten, sind riesig, aber wir werden auch dies erreichen. Vor allem stoßen wir Investitionen an. Das Milliardenprogramm für die nächsten Jahre wurde angesprochen. Insgesamt 15 Milliarden Euro sind für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in die digitale Infrastruktur, aber auch in Bildung und Forschung vorgesehen. Gerade in diesem Bereich wurde in Deutschland in den letzten Jahren viel geleistet; denn Investitionen in Bildung und Forschung sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes und genauso wichtig wie die Investitionen in Straßen und andere Infrastrukturen. Auch hier stärken wir die Kommunen; das wurde bereits angesprochen.

Auch auf europäischer Ebene werden mit dem Investitionsfonds die Zeichen auf Investitionsförderung gesetzt. Ich hoffe sehr, dass die Auswahl der Projekte so gestaltet wird, dass Investitionen und Innovationen wirklich angekurbelt werden und private Investitionstätigkeit generiert wird. Das alles findet nun im europäischen Rahmen statt. Das heißt, die Nationalstaaten müssen ihre Verantwortung wahrnehmen.

Es kommt aber ein Zweites hinzu. Die Probleme in Europa, insbesondere im ökonomischen Bereich, werden wir nur dann lösen, wenn das, was auf europäischer Ebene unter den einzelnen Staaten miteinander vereinbart wurde, auch eingehalten wird. Regeln sind nicht dazu da, dass man sie nur aufschreibt und dann vielleicht noch einmal in Sonntagsreden darüber spricht, sie aber ansonsten in die Schublade legt, sondern Regeln sind dazu da, sie einzuhalten, sich danach auszurichten, die politischen Entscheidungen danach auszurichten. Nur so behalten wir Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit in ganz Europa.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])

Das gilt aktuell natürlich in besonderer Weise für Griechenland. Griechenland ist das Land, das im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise von Anfang an die größten Probleme hatte und uns auch immer wieder große Anstrengungen abverlangte. Ich brauche das, was wir in den letzten Jahren dazu diskutiert und entschieden haben, was wir an Solidarität gegenüber Griechenland unter Beweis gestellt haben, hier nicht noch einmal aufzuzählen. Das wissen wir alle; wir alle haben es ja gemeinsam verantwortet.

Jetzt geht es darum, dass die zusätzliche Zeit, die wir Griechenland vor einigen Wochen gegeben haben, um die Bedingungen, die Auflagen des Programms zu erfüllen, zum Wohl der griechischen Bürger und zur Bekämpfung der Krise dort wirklich genutzt wird. Auch da gilt in besonderer Weise: Das, was vereinbart ist, muss eingehalten werden. Ich rede noch gar nicht vom Tonfall, von der Tonlage der neuen griechischen Regierung, sondern ich rede nur vom Inhalt, von den Entscheidungen, die notwendig sind. Mir wäre es schon lieber, wenn nicht so viele Interviews und Homestorys von der griechischen Regierung gemacht werden, sondern wenn sie sich auf die eigentliche Arbeit konzentriert, die sie zu leisten hat, auf die Entscheidungen, damit das Land wieder wettbewerbsfähig wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])

Aber auch zum Tonfall muss man etwas sagen. Es gehört sich schon, dass man mit denen, von denen man Unterstützung haben möchte, anständig umgeht. Das ist im persönlichen Umgang so, das muss aber auch im politischen Bereich und gerade auch im europäischen Kontext so gesehen werden. Denn wir alle in Europa sind aufeinander angewiesen, miteinander gut umzugehen, vertrauensvoll und verlässlich miteinander umzugehen. Dazu gehört auch die Tonlage.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will jetzt, weil das vorhin eine Rolle gespielt hat, noch kurz auf die energiepolitische Diskussion eingehen. Herr Krischer hat ja einen Bundesratsantrag erwähnt und dabei unterstellt, dass Bayern da eine Finanzierung vorgesehen hätte. Ich wäre dankbar, wenn mir dies bewiesen werden könnte.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kenne den Antrag!)

Mein Informationsstand ist, dass in diesem Antrag keine solche Finanzierung enthalten ist, sondern dass das Aufkommen so verteilt werden soll, wie es bei einem Einkommensteuer- und Lohnsteuergesetz ganz normal ist, also dass die Mindereinnahmen von denen getragen werden, die auch die Mehreinnahmen haben. Das ist ganz normal. Etwas anderes steht da nicht drin.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD])

Meine Damen und Herren, Europa war meines Erachtens immer dann ganz besonders stark, wenn es galt, große Herausforderungen zu meistern. Dass das, was im ökonomischen Bereich, aber auch im außenpolitischen Bereich momentan zu meistern ist, nicht trivial ist, sondern uns viel Kraft abverlangt, ist unbestritten. Diese Arbeit ist immer erledigt worden auf der Basis eines festen Wertefundaments, auf der Basis von gegenseitigem Vertrauen und Verständnis füreinander, auf der Basis von Verlässlichkeit, durchaus auch verbunden mit manchen Kompromissen, aber immer, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit großem Erfolg.

Wir stünden heute nicht so gut da – in Bezug auf unsere wirtschaftliche Entwicklung, unseren Wohlstand, die Sicherheit, die soziale Sicherheit, unser außenpolitisches Gewicht, unseren freiheitlichen Rechtsstaat –, wenn wir dieses Europa nicht hätten. Darauf sollten wir uns immer besinnen und daraus auch die Kraft und den Mut nehmen, das, was vor uns liegt, weiter gut zu gestalten. Unsere Bundeskanzlerin hat uns in all den schwierigen Jahren hervorragend durch diese schwierigen Zeiten geführt, gerade auch in Europa, und in Europa für Geschlossenheit gesorgt, nicht nur in den ökonomischen Fragen, sondern auch und gerade in den Fragen der Ukraine-Krise. Ich möchte ihr dafür herzlich danken und ihr weiterhin eine glückliche Hand wünschen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält nun der Kollege Norbert Spinrath für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4774033
Wahlperiode 18
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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