Christoph BergnerCDU/CSU - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Frühjahrsrat der Europäischen Union findet zu einem Zeitpunkt statt, zu dem wir in diesem Parlament in den Ausschüssen die Ratifikation der Assoziierungsabkommen mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine beraten und beschließen. Aus diesem Grunde möchte auch ich die Aufmerksamkeit noch einmal auf diesen Tagesordnungspunkt der Ratssitzung lenken und die damit verbundenen Fragen erörtern. Dabei bin ich der Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass sie heute in ihrer Regierungserklärung im Hinblick auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, aber auch im Hinblick auf das Infragestellen der Integrität der Ukraine durch die Aktivitäten der Separatisten im Donbass klare Worte der Bewertung gefunden hat. Ich glaube, dass so klare Bewertungen Voraussetzung für erfolgreiche Politik in der Sache sind. Ich hoffe, dass es nun auch auf der Ratssitzung gelingt, die unter großem diplomatischem Aufwand erzielten Vereinbarungen von Minsk entsprechend zu begleiten und ihre Durchsetzung zu unterstützen. Das heißt vor allem, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen unauflösbaren Zusammenhang sehen zwischen der Aufrechterhaltung der Sanktionen auf der einen Seite und einer vollständigen Umsetzung des Minsker Abkommens auf der anderen Seite.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, bei all diesen Dingen, die wichtig sind – auch bei der Notwendigkeit einer Deeskalation der militärischen Konfliktlage –, sollten wir immer wieder betonen, dass die europäische Nachbarschaftspolitik und damit auch die Östliche Partnerschaft ein Instrument der Friedenskonsolidierung ist.
Frau Wagenknecht, ich habe mich nach Ihrer Rede bemüßigt gefühlt, den Artikel 8 des Vertrages von Lissabon, auf dem unsere Nachbarschaftspolitik beruht, noch einmal auszudrucken, und ich will ihn hier verlesen:
Frau Wagenknecht, es gehört schon eine große Portion demagogischer Hemmungslosigkeit dazu, dieses Anliegen in ein Aggressionskonzept des Westens umzudeuten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Aufschreiben und Handeln sind zweierlei!)
Dies sollten wir Frau Wagenknecht nicht durchgehen lassen, und das sollten wir aber auch Putin nicht durchgehen lassen, der mit seiner Politik – es geht um militärische und sicherheitspolitische Fragen – unserem nachbarschaftspolitischen Anliegen immer wieder begegnet.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Papier ist geduldig!)
Um das Konzept der Friedenskonsolidierung wirklich zur Geltung zu bringen, scheinen mir einige Überlegungen wichtig:
Erstens. Wenn wir in der nächsten Woche die Assoziierungsabkommen mit Georgien und der Republik Moldau ratifiziert haben, dann sollten wir darangehen, diese Vereinbarungen auch konsequent umzusetzen. Dies sind wir diesen Völkern und Staaten schuldig, aber dies ist auch im Interesse unserer eigentlichen Intention.
Zweitens. Wir sollten pragmatisch nach angemessenen Partnerschaftsformen mit den Programmländern suchen, die, aus welchen Gründen auch immer, kein Assoziierungsabkommen angestrebt haben: Armenien, Weißrussland und Aserbaidschan. Auch das wäre im Sinne des Artikels 8 des Lissabon-Vertrages.
Drittens. Wir müssen auch deshalb ein besonderes Interesse daran haben, dass das Minsker Abkommen über die Ukraine erfolgreich umgesetzt wird, weil die Ukraine dringend die Freiräume braucht, die mit der Reduzierung der militärischen Konfrontation erst geschaffen werden können, um die notwendigen staatlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Konsolidierungen betreiben und die Reformen mit der Konsequenz angehen zu können, die notwendig ist, um die enormen Probleme zu lösen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Nein, meine Damen und Herren, wir dürfen nicht vergessen: Die Probleme im Zusammenhang mit der Östlichen Partnerschaft mit den ehemaligen Sowjetrepubliken und die Herausforderungen, die damit verbunden sind, ergeben sich nicht allein, obwohl das schwer genug ist, aus dem hegemonialen Anspruch Russlands, sondern auch aus der postkommunistischen Verfasstheit dieser Staaten, ihrer Ökonomien, ihrer Zivilgesellschaften und ihrer politischen Kulturen. Die Östliche Partnerschaft ist eine Transformationshilfe, die diese Länder von uns erwarten. Es gibt keine einfachen Lösungen, aber wir sollten uns dieser Aufgabe verpflichtet fühlen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vor diesem Hintergrund sehe ich auch die Debatte um die Reform und die Überarbeitung der Östlichen Partnerschaft und der europäischen Nachbarschaftspolitik, die in den Vorlagen zum Frühjahrsrat deutlich wird. Wir sollten dabei die friedenskonsolidierende Intention unseres Artikels 8 nicht infrage stellen, sondern uns fragen, wie sie gestärkt werden kann. Dies bedeutet, dass das Prinzip „More for more“ zukünftig nicht in starren Forderungskatalogen und abstrakten Pflichtenheften abgearbeitet wird, sondern dass die Nachbarschaftspolitik statt allgemeiner Bürokratie mehr länderbezogene Diplomatie braucht,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
und dass auch die Länder, die unterhalb des Assoziierungsabkommens sind, angemessene Lösungsangebote und angemessene Partnerschaftsangebote bekommen werden.
Einen letzten Punkt will ich kurz ansprechen, weil in diesem Zusammenhang ein Stichwort auftaucht, das ich nicht missverstanden sehen möchte. Es heißt in den Arbeitspapieren, wir sollten die Nachbarn der Nachbarn beachten; Kollege Spinrath sprach von der Einbeziehung der russischen Interessen. Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich, dass wir uns bemühen, wieder eine EU-Russland-Partnerschaft aufzubauen. Aber es wäre ein Widerspruch zur Schlussakte von Helsinki, wenn wir die Art unserer Partnerschaft mit Nachbarstaaten Russlands von der vorherigen Zustimmung Russlands abhängig machten. So kann „Nachbarn von Nachbarn“ nicht verstanden werden. Darüber sollten wir uns klar sein. – In diesem Sinne wünsche ich der Bundeskanzlerin ein herzliches Glückauf für die Ratstagung.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege Matern von Marschall das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4774056 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |