19.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 94 / Tagesordnungspunkt 5

Florian PostSPD - Rekommunalisierung der Energienetze

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Für und Wider der Rekommunalisierung und der Übernahme von Netzen ist bereits sehr kontrovers diskutiert worden. Es gab auch zwei Bürgerentscheide in Hamburg und Berlin. Wir müssen mittlerweile aufpassen, dass dieses Thema nicht zur Kernfrage stilisiert wird, wenn es um das Gelingen der Energiewende geht.

Natürlich stehen viele Gemeinden und Städte vor der Frage, wie sie sich in Zukunft organisieren: mit eigenen Gesellschaften bei Netzen, in privaten Netzgesellschaften, in kommunalen Gesellschaften oder eben in öffentlichen Eigenbetrieben. Wir in der SPD sind der Überzeugung, dass eine gut durchgeführte Rekommunalisierung von Stromnetzen den Wettbewerb belebt und den Städten und Kommunen und damit letztendlich auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern dient.

(Beifall bei der SPD)

Was die neu gegründeten Stadtwerke angeht, haben wir seit 2007 eine Gründerzeit erlebt. Es waren 80 an der Zahl. 200 Gemeinden haben seitdem erfolgreich Konzessionen für Stromnetze übernommen. Dazu gehören Großstädte wie Stuttgart, Dresden und Hamburg, aber auch kleinere Gemeinden und kleinere Kommunen. Auch dem Dorf Putzbrunn in Bayern mit 6 000 Einwohnern ist das beispielsweise gelungen. Allein in Bayern laufen 2017 200 Konzessionsverträge aus. Ich glaube, gelesen zu haben, dass es bundesweit so an die 2 000 sein werden.

Um eines klarzustellen: Kommunen sorgen mindestens genauso gut für eine sichere Stromversorgung wie private Netzbetreiber.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um was geht es jetzt? Es geht um die rechtlichen Klarstellungen bei der Übernahme von Konzessionen; das wurde bereits öfter angesprochen. Diese müssen in der Tat verbessert werden. Hier bedarf es Klarstellungen in Bezug auf verschiedene Punkte, auf die ich später noch eingehen werde. Es muss aber auch klargestellt werden, dass es eben keine bedingungslose Rekommunalisierung ohne objektive und in diesem Fall nachvollziehbare Kriterien geben kann.

Wir als Koalition werden den Übergang von einem Netzbetreiber zum anderen noch in diesem Jahr vereinfachen. Angestrebt ist – Kollege Bareiß hat das bereits gesagt –, dass wir hier noch vor der Sommerpause einen gut durchdachten Vorschlag vorlegen werden. In diesem werden wir uns natürlich der Frage widmen, wie wir Schikanen von Altkonzessionären, die sich vor Wettbewerb schützen wollen – das Problem ist erkannt –, vorbeugen, weil sie für uns inakzeptabel sind und von uns nicht akzeptiert werden, wenn wir einen Vorschlag vorlegen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Schikanen bestehen oftmals darin, dass über den Kaufpreis gestritten wird, der zu hoch angesetzt ist. Dann wird darüber gestritten, welcher Wert überhaupt zugrunde gelegt wird; hier plädieren wir klar für den Ertragswert. Dann werden oftmals überzogene Entflechtungskosten angesetzt. All das zieht jahrelange Rechtsstreitigkeiten nach sich, vor denen sich natürlich viele Kommunen zu Recht scheuen. Viele Kommunen sind auch nicht in der Lage, das finanziell durchzustehen.

Wir wollen rechtliche Klarstellungen und Informationspflichten, gerade auch was die Herausgabe von Netznutzungsdaten usw. der Altkonzessionäre anbelangt, im neuen Gesetzentwurf verankern. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind und das glattziehen bzw. den Schikanen vorbeugen können.

Die Kommunen können sich anhand von objektiv nachprüfbaren Kriterien um solche Konzessionen bewerben – es bedarf solcher Kriterien –, und sie können diese Kriterien sogar selbst gewichten. Aber einen bedingungslosen kommunalen Vorrang halten wir nicht für sinnvoll, so wie das im Antrag der Linken gefordert wird, Frau Lay. Hier unterscheiden wir uns. Vielmehr muss es so sein: Die Kommune muss die Kriterien, die zugrunde gelegt werden, genauso gut erfüllen wie ein privater Mitbieter. Nach meiner Auffassung sollte erst dann die Kommune den Vorrang haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn die Kommune die Kriterien allerdings schlechter erfüllt als ein privater Mitbewerber, dann ist es weder im Interesse der Kommune noch im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, dass die Kommune den Zuschlag erhält. Kommunaler Eigenbetrieb ist eben kein Selbstzweck. Er muss sich an objektiv nachprüfbaren Kriterien messen lassen.

Herr Kollege Post, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kühn vom Bündnis 90/Die Grünen zu?

Selbstverständlich.

Danke, Herr Kollege Post, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade über Kriterien und über die Erfüllung dieser Kriterien gesprochen. Sie haben gesagt, dass die Kommunen die Kriterien genauso gut erfüllen sollen. Nun habe ich die Kolleginnen und Kollegen der Union immer so verstanden, dass die Kommunen die Kriterien besser erfüllen sollen. Was gilt denn nun in dieser Großen Koalition? Was planen Sie in Ihrem Gesetzentwurf?

Zunächst möchte ich festhalten: Der Koalitionsvertrag in dieser Frage ist eindeutig. Wir gehen davon aus, dass der Koalitionsvertrag für alle an der Koalition beteiligten Parteien gilt.

Sie zielen auf eine Bemerkung eines Kollegen im Ausschuss für Wirtschaft und Energie ab, auf die ich genau das Gleiche entgegnet habe, was ich eben in meiner Rede klargestellt habe. Für uns gilt: Die Kommune muss die Kriterien genauso gut erfüllen und hat dann den Vorrang zu erhalten. Sie darf im Vergleich zu einem privaten Mitbieter nicht schlechter gestellt werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Stadtwerke sorgen überall in Deutschland für hohe Versorgungsqualität. Wir wollen Sorge dafür tragen, dass das auch so bleibt. Wir dürfen allerdings nicht den Fehler begehen, den Bürgerinnen und Bürgern einzureden, dass man durch die Übernahme einer Konzession Spielräume bei der Gestaltung der Verbraucherpreise hätte. Wir haben hier in Deutschland die Trennung von Vertrieb und Erzeugung, das sogenannte regulatorische Unbundling. Das gilt natürlich in Zukunft auch für Kommunen und Stadtwerke. Man darf nicht den Fehler machen, irgendwelche Mythen in die Welt zu setzen. Das würde später zu Enttäuschungen führen.

Bis Ende 2017 werden fast alle auslaufenden Konzessionen für viele Jahre neu vergeben. Daher ist in der Tat – das ist auch in Ihrer Begründung durchgedrungen – schnelles Handeln geboten. Das haben wir in der Großen Koalition und als SPD-Fraktion erkannt. Deswegen werden wir aufs Tempo drücken. Wir werden vor der Sommerpause einen wohl durchdachten Vorschlag vorlegen – ich sehe durchaus Chancen, dass wir uns mit der Opposition einigen können –, der den Kommunen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern dient. In diesem Sinne: Wir werden zu einem guten Ergebnis kommen, das für alle tragbar sein wird.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. Als nächster Redner hat Jens Koeppen von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4774193
Wahlperiode 18
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Rekommunalisierung der Energienetze
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