Tobias ZechCDU/CSU - Fachkräftekonzept der Bundesregierung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir über das Thema Fachkräftemangel sprechen und nicht, wie in anderen Ländern, darüber, dass wir ganzen Generationen von Jugendlichen keine Arbeit anbieten können, die somit in der Arbeitslosigkeit bleiben. Das ist schon einmal positiv.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Frau Ministerin, wir können auch noch aus einem anderen Grund froh sein. Das Thema wird herausfordernd für uns sein – es ist ein schwieriges und wichtiges Thema –, aber der Bericht zeigt: Wir sind nicht nur gut im Zeitplan, nein, wir sind ihm sogar voraus. Die Maßnahmen, die wir vor vier Jahren beschlossen haben, wirken. Würden manche Infrastrukturmaßnahmen, auch hier in der Hauptstadt, in vier Jahren erfolgreich sein, hätten wir weniger Probleme in diesem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte einmal einordnen, über was wir überhaupt sprechen. Wir haben einen Fachkräftemangel in bestimmten Branchen, in bestimmten Regionen. Aber eines gehört auch zur Wahrheit: Wir haben in Deutschland wesentlich mehr Menschen, die dem Erwerbsleben zur Verfügung stehen würden, als wir in das Erwerbsleben integrieren können. Somit haben wir vor allem eine Lücke hinsichtlich der Qualifizierung und nicht hinsichtlich der Anzahl. Hier müssen wir ansetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])
2011 wurden für den Ausgleich dieses Engpasses mehrere Pfade entwickelt. Drei möchte ich nennen: die Ausbildung der Jungen, die bessere Integration der Eltern sowie offenere Zuwanderungsmöglichkeiten. Schaut man sich diese Bereiche an, so kann man feststellen, dass in den letzten Jahren viele strukturelle Veränderungen geschaffen wurden und der Weg für noch mehr Prosperität in diesem Bereich geebnet wurde. Das ist ein großer Fortschritt. Die Ministerin hat es angesprochen: Auch in den Unternehmen – ich selber war neun Jahre lang Personaler – hat sich ein Kulturwandel vollzogen. War die Personalabteilung früher eine kleine Verwaltungseinheit – ich habe immer gesagt: P kann jeder –, die sich um Verträge gekümmert hat und um Abläufe und Standards, ist jetzt der Personalmanager im Unternehmen jemand, der sich um einen der wichtigsten Produktionsfaktoren, nämlich den Faktor Arbeit, den Faktor Mensch, kümmert. Unsere Unternehmen in Deutschland haben diesen Schritt schon getan. Ich denke, man hat schon viel getan. Man hat in den Unternehmen schon sehr gute Initiativen ergriffen, um den Fachkräftemangel zu beheben.
Die Personaler haben hier genau drei Möglichkeiten: Recruitment, Retention und Retirement. Oder besser gesagt: Wie bekomme ich das richtige Personal? Wie setze ich es im Betrieb richtig ein? Auch wichtig: Wie gestalte ich den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand? Hier gilt es, für uns, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Dabei müssen wir uns aber auch bewusst machen, dass wir alle Phasen des Lebenszyklus eines Arbeitnehmers mit entscheidenden Hilfestellungen begleiten müssen.
Ich möchte bei der Ausbildung anfangen. Zu viele junge Menschen werden ohne abgeschlossene Ausbildung ins Leben entlassen. 2011 waren noch 17 Prozent der 20- bis 29-Jährigen ohne Ausbildung. Das größte Risiko für Armut ist die fehlende Ausbildung. 2013 haben wir es geschafft, unter 10 Prozent zu kommen. Das ist ein unglaublich guter Fortschritt, vor allem, wenn man weiß, dass allein eine 10-prozentige Abbrecherquote rund 600 000 Fachkräfte kostet. Bei den 30- bis 34-Jährigen mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss sind wir bei 44,5 Prozent angelangt. Wir befinden uns in einer guten Situation, es lohnt sich, darauf aufzubauen.
Wir müssen aber weiter den Fokus auf die Ausbildung legen. Ich teile nicht die Einschätzung, die im Bericht durchklingt, dass man bei der Durchlässigkeit des Bildungssystems ansetzen muss. Ich bin über Hauptschule, mittlere Reife, Berufsoberschule und Fachhochschule jetzt zu Ihnen gekommen. Also, die Durchlässigkeit ist es wohl nicht. Man müsste aber den Schwerpunkt auf die Ausbildungsreife setzen. Jeder, der in die Berufsschule kommt, sollte den Dreisatz können. Jeder, der die Berufsschule verlässt, sollte wissen, was auf ihn zukommt. Es sollte nicht so sein, dass der Metzgerlehrling am ersten Tag erschreckend feststellt, wo die Wurst wirklich gemacht wird und wie es dort aussieht, und dann das Unternehmen schreiend verlässt. Im Bereich der Ausbildungsreife, der Aufklärung und der Information über Berufsbilder müssen wir noch mehr machen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Hier lohnt sich auch das Engagement, das Investment. Die Ministerin hat die Allianz für Aus- und Weiterbildung angesprochen. Es geht nämlich nur miteinander. Nicht die Politik kann den Fachkräftemangel beheben, sondern nur die Unternehmen und die Menschen in unserem Land.
Wie können wir die Arbeitnehmer länger in den Betrieben halten? Wie können wir Erziehungszeiten besser koordinieren? Wie können wir das kurzfristige Ausscheiden aus dem Unternehmen sicherstellen? Das sind wichtige Fragestellungen. Man hat über Wertkontensysteme, Lebensarbeitszeitkonten oder mit dem TV FlexÜ erste Möglichkeiten geschaffen. Einige Unternehmen sind schon bei der Umsetzung. Das kann noch weiter ausgebaut werden.
Ich möchte noch die Chemiebranche erwähnen, die schon vor Jahren mit ihrem Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ einen Meilenstein bezüglich der Tariflandschaft in Deutschland gesetzt hat und bewusst das Thema „Fachkräftemangel“ und das Thema „Älter werden im Betrieb“ in den Fokus gestellt hat. Das ist mehr als beispielgebend und sollte von allen als Beispiel genommen werden.
Ein Punkt liegt mir noch am Herzen. Wir sprechen darüber – auch die Ministerin hat es angesprochen –, dass wir in Zukunft Älteren ermöglichen wollen, wenn sie es selber wollen und können, länger im Betrieb zu bleiben. Das ist zum einen die Flexirente. Frau Pothmer, ich muss dazu sagen, dass es für uns nicht heißt, dass wir die Rente mit 63 bzw. die Altersrente nach 45 Beitragsjahren infrage stellen. Denn wer 45 Jahre in diesem Land gearbeitet hat, hat es in einer Solidargemeinschaft auch verdient, dass er in den Ruhestand gehen kann.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
– Herr Birkwald, Sie erschrecken mich. – Für mich ist wichtig, dass wir beim Thema Flexirente weiterkommen. Das heißt aber auch, dass wir in den Betrieben im kulturellen Wandel noch weiter fortschreiten müssen. Es geht hier um das Thema „betriebliches Gesundheitsmanagement“. Wir müssen wieder Arbeitsplätze für Ältere oder für Mitarbeiter schaffen, die nicht so leistungsfähig sind oder körperlich nicht so leistungsfähig sind, damit auch sie ihren Beitrag im Unternehmen leisten können. Deswegen finde ich es gut, dass wir mit dem Präventionsgesetz die Mittel der Krankenkassen für die Umsetzung des betrieblichen Gesundheitsmanagements erhöht haben.
Ich möchte zum Schluss kommen. Die Arbeitgeber in Deutschland – damit meine ich auch den Staat – sind angehalten, weiterhin jeweils für ihren Bedarf praktikable und effektive Lösungsansätze zu finden. Ich denke, wir als Politik müssen sie effektiv und intensiv dabei begleiten. Ich freue mich auf die weitere Diskussion.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Zech. – Nächster Redner in der Debatte: Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4774546 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Fachkräftekonzept der Bundesregierung |