19.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 94 / Tagesordnungspunkt 6

Carsten LinnemannCDU/CSU - Fachkräftekonzept der Bundesregierung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich die Zahlen für das Jahr 2015 und die Prognostika anschaut, dann stellt man fest, dass die Prognosen sehr unterschiedlich sind. Die Werte sind sehr volatil, man denke an den Ölpreis und an den Wechselkurs. Aber in dem Moment, in dem wir über Demografie reden, auch in Bezug auf die nächsten 10, 15 Jahre, stellen wir fest: Die Zahlen sind sehr viel plausibler, die Prognosen sind sehr viel genauer, weil wir beispielsweise heute schon wissen, wer in 15 Jahren in die Ausbildung geht. Deshalb ist es richtig, dass wir uns jetzt und in den folgenden Jahren mit dem Thema Demografie beschäftigen; denn uns werden im Jahre 2030 allein aus demografischen Gründen 4, 5 oder 6 Millionen Erwerbstätige fehlen.

Es ist richtig: Wir haben keinen akuten, flächendeckenden Fachkräftemangel. In der im Fortschrittsbericht genannten Studie sind 19 Branchen identifiziert worden, in denen es jetzt Engpässe gibt: Gesundheitsbereich, Pflegebereich, Ingenieurwesen, Maschinenbau, Anlagenbau usw. Wir haben viel über Zuwanderung gehört und über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber lassen Sie mich auf zwei Themen eingehen, die vielleicht ein bisschen zu kurz gekommen sind, Frau Krellmann: Das sind zum einen die Jüngeren, und vielleicht sollte man auch noch einmal über die Älteren reden.

Erstens. Ich glaube nicht, dass die Mittelständler oder die Unternehmer verantwortungslos sind, wenn sie nach Fachkräften oder nach Auszubildenden suchen. Vielmehr stehen wir in der Verantwortung, die jungen Menschen ausbildungsfähig zu machen und mitzuhelfen, dass sie ausbildungsfähig sind. Nur so wird meiner Meinung nach ein Schuh daraus und nicht andersherum.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Es bereitet uns allen Sorgen, dass die duale Ausbildung seit Monaten, seit Jahren abnimmt. Ich bin sogar der Meinung, man sollte nicht nur darüber reden, dass wir am Meisterbrief festhalten – auch das ist ein Thema, das noch nicht angesprochen wurde –, sondern wir sollten vielleicht auch darüber reden, dass wir in dem einen oder anderen Gewerk den Meisterbrief wieder einführen;

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

denn der Meisterbrief hängt unmittelbar mit der dualen Ausbildung zusammen. Genau in den Bereichen, in denen wir den Meisterbrief abgeschafft haben, gibt es kaum noch duale Ausbildung, sie geht zurück. Klar, der Meisterbrief sichert die Qualität im Betrieb. Aber es ist wichtig, dass jungen Menschen durch den dualen Ausbildungszweig ein Karriereweg eröffnet wird. Wir brauchen Auszubildende und Akademiker und nicht nur Akademiker.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Apropos Akademiker. Ich habe gerade mit einer Kollegin gesprochen, die im Forschungsministerium arbeitet. 28 Prozent der Studierenden, die heute ein Studium beginnen, brechen dieses Studium ab. Das muss uns zu denken geben.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bologna lässt grüßen!)

Deshalb freue ich mich, dass die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangeht und sagt: Wir bringen Projekte auf den Weg, dass wir es schaffen, einfach, schnell, zielgerichtet und unbürokratisch den Weg für Studierende, die ihr Studium abgebrochen haben, in die duale Ausbildung zu ebnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Schluss noch kurz zu den Älteren. Die Erwerbstätigenquote steigt, ja, aber ein Punkt fehlt in diesem Fortschrittsbericht – wir werden in wenigen Jahren sowieso über diesen Punkt reden; ich glaube, wir müssen jetzt schon über diesen Punkt reden –, und das sind diejenigen, die das gesetzliche Rentenalter erreichen, aber freiwillig weiterarbeiten möchten. Das sind in Deutschland 8 Prozent, in der Regel Selbstständige oder 450-Euro-Jobber. Es gibt aber viele, die gern sozialversicherungspflichtig weiterarbeiten wollen. In anderen Ländern ist der Prozentsatz höher: In der Schweiz beispielsweise macht das jeder Fünfte, in Norwegen sogar jeder Vierte. Bei uns sind es nur 8 Prozent. Deswegen glaube ich – das ist meine feste Überzeugung –: Wir werden den demografischen Wandel nur meistern können, wenn wir nicht nur den Umstand im Blick haben, dass die Menschen älter werden, sondern wenn wir auch den Umstand im Blick haben, dass die Menschen im Alter – zumindest viele – fit bleiben. Deshalb, glaube ich, ist die Debatte um die Flexirente richtig. Wir wollen diesen Mentalitätswandel selbst gestalten. Es ist richtig, dass in Zukunft befristete Arbeitsverträge erlaubt sind, wenn man freiwillig länger arbeitet.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum befristet?)

Deshalb glaube ich, dass das der richtige Weg ist. Diesen Mentalitätswandel brauchen wir. Die Brechstangenpolitik funktioniert nicht. Wir müssen jetzt die Türen und Tore für diejenigen öffnen, die länger arbeiten können und die es auch wollen. Diese Debatte brauchen wir jetzt und nicht erst in 5, 10 oder 15 Jahren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Dr. Linnemann. – Letzter Redner in dieser Debatte: Uwe Lagosky für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4774610
Wahlperiode 18
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Fachkräftekonzept der Bundesregierung
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