Johannes KahrsSPD - Vorkommnisse in Frankfurt anlässlich der Einweihung der EZB-Zentrale
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass der Bundesinnenminister hier eben ganz klar gesagt hat, was man von dem gewalttätigen Teil der Demonstration zu halten hat. Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Das, was da gestern in Frankfurt gelaufen ist, war inakzeptabel. Irgendwelche irren Vollpfosten, die Gewalt gegen Polizisten, gegen Sanitäter, gegen das THW und andere ausüben, sind nicht diejenigen, die wir inhaltlich und politisch ernst nehmen müssen. Das sind schlicht und einfach Zustände, die wir nicht akzeptieren. Diese Menschen sind ein Fall für die Justiz. Ich meine, dass sie entsprechend der Justiz zugeführt werden sollten.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Selbstverständlich gebührt unser Dank auch all denjenigen, die da gestanden und dafür gesorgt haben, dass diese wehrhafte Demokratie auch wirklich wehrhaft ist und dass die Menschen, die dort waren, die Anwohner und andere, geschützt worden sind.
Ich halte das alles für inakzeptabel. Wer das gestern verfolgt hat, weiß, dass man so etwas in Deutschland weder dulden noch unterstützen sollte. Deswegen ist das, was die Linke in den letzten Tagen zu diesem Thema zum Besten gegeben hat – heute konnten wir das teilweise auch wieder hören, obwohl man merkt, dass ihre Abgeordneten zurückrudern –, einfach nur peinlich. Ich glaube, dass wir alle wissen, wie ihr Verhältnis zur Gewalt ist. Man weiß ja, mit wem sie ansonsten demonstrieren.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Mit der Gewerkschaft!)
Deswegen ist das für uns kein Anlass, darüber nachzudenken, ob die Politik falsch ist. Vielmehr ist es schlicht und einfach so, dass wir alle wissen, dass das, was gestern Vormittag gelaufen ist, in einem demokratischen Rechtsstaat schlichtweg nicht akzeptabel ist.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Gleichzeitig ist es natürlich so, dass es vollkommen in Ordnung ist, wenn Zehntausende von Menschen friedlich demonstrieren wollen. Man kann, was die EZB angeht, was die Politik in Europa angeht, durchaus geteilter Meinung sein; das ist vollkommen in Ordnung. Jedermann kann dazu aufrufen, zu demonstrieren. Jeder kann demonstrieren.
Wenn Blockupy so eine Demonstration organisiert, dann ist diese Organisation auch mit dafür verantwortlich, wie sie abläuft. Dann sind natürlich auch diejenigen, die dazu aufgerufen haben, mit dafür verantwortlich, wie es abläuft. Deswegen kann man diesem Verein eigentlich nur noch empfehlen, sich aufzulösen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Im Ergebnis ist es so, dass dort gegen eine Politik demonstriert worden ist, gegen die man demonstrieren kann. Aber man muss auch dazusagen, dass die EZB vielleicht der falsche Buhmann ist. Vielleicht kann man einmal kurz auf die Sachebene gehen. Es ist so, dass die Zinsen im Euro-Raum auf einem historischen Tiefststand sind. Die Renditen für Staatsanleihen der Euro-Staaten sind wieder gesunken. Das kann man differenziert bewerten; aber eins ist klar: Der Spardruck in den Krisenländern wäre noch viel höher gewesen, wenn die EZB nicht für niedrige Zinsen gesorgt hätte. Länder wie Portugal, Spanien, Italien und auch Griechenland hätten viel mehr in ihren Haushalten einsparen müssen, die Sozialleistungen wären deutlich mehr unter Druck gekommen, wenn die Zinsen nicht so niedrig wären.
Wir Deutsche haben immer gewollt, dass die Europäische Zentralbank so ist, wie sie ist: eine starke Zentralbank nach dem Vorbild der Bundesbank, politisch unabhängig und mit dem klaren Auftrag, für Preisstabilität zu sorgen und die Inflationsrate niedrig zu halten. Das waren die Bedingungen, unter denen wir alle angetreten sind; das wollen wir. Wenn man eine Europäische Zentralbank haben möchte, die unabhängig ist, dann muss man auch damit leben, dass sie unabhängige Entscheidungen trifft. Sie können einem gefallen oder eben auch nicht, dagegen kann man gerne auch demonstrieren – aber eben nicht so. Das muss man, glaube ich, unterscheiden. Da ist ein Hauch geistige Trennschärfe gefragt.
Das, was gestern Vormittag stattgefunden hat, die unakzeptable Gewalt, die stattgefunden hat, das, was da auch mit Unterstützung von Blockupy und den Linken gelaufen ist, das geht alles nicht. Das wissen wir. Das haben wir alle mitbekommen. Das ist klar. Dass andere dagegen demonstrieren, das ist in Ordnung. Jeder hat irgendwann einmal gegen irgendetwas demonstriert. Meine erste Demonstration war gegen die Scientologen, die sich in Hamburg breitgemacht haben. Es war eine gute Geschichte; das kann man immer machen; es lohnt sich.
Trotzdem ist es so, dass die Europäische Zentralbank einen Auftrag hat. Jetzt gegen die Europäische Zentralbank zu demonstrieren, wenn man gegen die herrschende Europapolitik vorgehen will, ist völlig absurd. Da gibt es ganz andere, gegen die man demonstrieren könnte. Man könnte sich zum Beispiel einmal mit der Politik in den Krisenländern selber auseinandersetzen. Wie ist es zu der Immobilienblase in Spanien gekommen? Warum sind die Zustände in Griechenland so? Was haben die griechischen Regierungen in den letzten 20 Jahren denn veranstaltet? Was haben sie gemacht, damit Griechenland in den Euro-Raum kommt? Wie ist es zu der Verschuldung gekommen? Das ist doch nicht die Schuld der Europäischen Zentralbank oder der Troika. Vielmehr diskutieren wir hier im Deutschen Bundestag, und wir helfen, damit die Folgen dieser Politik geheilt werden können. Wir helfen solidarisch den anderen Staaten in Europa.
Wenn man anderer Meinung ist, ist das vollkommen in Ordnung. Aber das, was die Linke hier veranstaltet, was Blockupy abgezogen hat, was da gestern in Frankfurt gelaufen ist – Gewalt gegen Polizisten, Sanitäter, THW und andere, brennende Polizeiwagen –, das geht nicht. Solche Vollpfosten gehören nicht auf die Straße; sie gehören vor Gericht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Kahrs. – Nächste Rednerin in der Debatte: Irene Mihalic für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4774714 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Vorkommnisse in Frankfurt anlässlich der Einweihung der EZB-Zentrale |