19.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 94 / Zusatzpunkt 2

Stephan MayerCDU/CSU - Vorkommnisse in Frankfurt anlässlich der Einweihung der EZB-Zentrale

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir von der CDU/CSU- Bundestagsfraktion sind entsetzt über das Ausmaß der Gewalt und insbesondere über den hohen Grad an Professionalität und die kriminelle Energie, die wir gestern anlässlich der Eröffnung des Neubaus der EZB in Frankfurt am Main erlebt haben. Mittlerweile wird das Ausmaß dieser Gewaltexzesse immer deutlicher. Es gab schon lange vor dem gestrigen Tag im Raum Frankfurt eine deutliche Zunahme an Straftaten, die offensichtlich im Zusammenhang mit den Blockupy-Protesten standen, wie etwa eine Brandstiftung mit einem erheblichen Sachschaden. Es stimmt also nicht, wie manche behaupten, dass sich diese Ausschreitungen gestern zufällig oder aus einer Laune heraus entwickelt haben. Sie waren vielmehr von langer Hand geplant.

Kollege Mayer, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Leidig?

Selbstverständlich. Sehr gerne.

Kollege Mayer, ich möchte Sie fragen, warum dieser auch aus meiner Sicht völlig inakzeptable Einsatz von Gewalt, diese Zerstörung, diese Randale, aus Ihrer Sicht eine so viel größere Bedeutung haben als die vergleichbare Gewalt bei anderen Ereignissen. Ich komme deshalb darauf, weil ich gestern neben zwei Polizeibeamten stand und der eine zum anderen sagte: Das hier ist eigentlich gar nichts gegen die Hooligans in Berlin. – Das habe ich überhaupt nicht verstanden, habe jetzt aber nachgeschaut: Vor drei Tagen gab es in Berlin bei einem regionalen Fußballspiel wohl mächtige Randale, bei der 143 Polizeibeamte teils schwer verletzt worden sind.

(Charles M. Huber [CDU/CSU]: Ich verstehe den Zusammenhang nicht!)

Ich verstehe einfach nicht, warum diese Gewalt gegen Polizisten hier überhaupt keine Rolle spielt

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Doch! Das spielt für uns auch eine Rolle!)

und warum Sie die Gewalt gegen Polizisten, die in Frankfurt stattgefunden hat und die ich genauso ablehne wie Sie, hier sozusagen zum Politikum machen. Das ist mir nicht klar.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr verehrte Frau Kollegin Leidig, ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen, dass wir die Gewalt gegen Polizeibeamte an anderer Stelle relativieren.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es gibt keine Vereinbarte Debatte dazu!)

Das tun wir in keiner Weise. Die CDU/CSU ist die einzige Fraktion, die sich überall und vollumfänglich klar gegen jegliche Gewalt gegen Polizeibeamte ausspricht und diese in aller Deutlichkeit verurteilt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen, dass hier die eine oder andere Gewalttat gegen Polizeibeamte relativiert wird oder als eher akzeptabel befunden wird als die Gewalttaten, die gestern stattgefunden haben. Wir sind eine wehrhafte Demokratie. Ich möchte Sie fragen, sehr verehrte Frau Kollegin – Sie waren wahrscheinlich gestern „parlamentarische Beobachterin“; das ist offenbar ein neuer Terminus technicus, der Eingang in unsere Geschäftsordnung finden sollte –,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

wie Sie überhaupt darauf kommen, dass wir in irgendeiner Weise Gewalt gegen Polizeibeamte relativieren. Das eine ist nicht besser als das andere.

Ich darf bei dieser Gelegenheit auch Ihnen, werte Kollegin Mihalic, klar sagen: Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass bei der Befassung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages mit den Hogesa-Krawallen ein Vertreter der Unionsfraktion zur Differenzierung aufgerufen hat. Das trifft einfach nicht zu, Frau Kollegin Mihalic, in keiner Weise.

(Beifall bei der CDU/CSU – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können wir ja noch einmal erörtern!)

Sie verwechseln hier vielleicht Hogesa mit Pegida; das ist meine Mutmaßung.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Im Zusammenhang mit Pegida haben auch Unionskollegen immer wieder zu Recht darauf hingewiesen, dass man sehr wohl differenzieren muss. Aber um das noch einmal klarzumachen: Was Hogesa in Köln veranstaltet hat, das war brutale Gewalt, das stand in keiner Weise in Einklang mit unserem Rechtsstaat, das war eine Verrohung ungeahnten Ausmaßes. Das ist in vollem Umfang – hier gibt es in keiner Weise irgendetwas zu relativieren – zu verurteilen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, zu den gestrigen Ausschreitungen: Es gab die Errichtung von Barrikaden. Es sind zahlreiche Mülltonnen und Autoreifen in Brand gesetzt worden. Insgesamt sind 150 Polizeibeamte verletzt worden, zwei davon schwer, die nach wie vor dienstunfähig sind. Es sind insgesamt 65 Polizeifahrzeuge beschädigt worden, 7 davon in Brand gesetzt worden. Es kam zu Beschädigungen zahlreicher Ausrüstungsgegenstände und weiterer Einsatzmittel. Es gibt also einen immensen Sachschaden, der zu verzeichnen ist. In der Dunkelheit wurden auch noch die Piloten eines Polizeihubschraubers mit Laserpointern attackiert. Es kamen viele weitere Rettungskräfte, Feuerwehrmitarbeiter, aber auch Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks in Bedrängnis. Es gab viele Unbeteiligte, die schwer verunsichert waren, die bespuckt und beleidigt wurden. Bei den Polizeibeamten kam es zu zahlreichen Schnittverletzungen und Knöchelverletzungen.

Das, was sich gestern in Frankfurt ereignet hat, ist für unsere Demokratie beschämend. Das ist eines modernen Rechtsstaates wie Deutschland nicht würdig. Es gilt, in ganz deutlicher und unumschränkter Art und Weise klarzumachen: Wir lassen dies mit uns nicht machen. Wir lassen die Gewalt, die Verrohung und die zunehmende Brutalität nicht zu. Dem gilt es deutlich Einhalt zu gebieten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist das gute Recht von jedermann, sich nach unserem Grundgesetz friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Natürlich ist das Versammlungs- und Demonstrationsrecht ein zentrales Grundrecht in unserer Demokratie. Aber wenn wir uns die Bilder von Frankfurt vor Augen führen, dann stellt sich die Frage, ob das noch mit den Vorstellungen in Einklang zu bringen ist, die die Väter unseres Grundgesetzes von dem Grundrecht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit hatten. Wir erkennen, dass dies gestern bedauerlicherweise kein Einzelfall war.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Es gibt eine zunehmende Verrohung und eine zunehmende Brutalität insbesondere in der Auseinandersetzung mit Polizeibeamten: gestern in Frankfurt, häufiger aber auch hier in Berlin und andernorts in Deutschland.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Am 1. Mai ist es wieder in Berlin!)

Wir sehen, dass dies in keiner Weise zu relativieren und zu erklären ist mit berechtigter Kritik an der EZB, Herr Kollege Kahrs, die man durchaus vornehmen kann. Ich warne davor – um dies klar zu sagen –, dass man mit einem zu starken Strapazieren dieser durchaus möglichen Kritik an der EZB oder, wie es die Kollegin Kipping gesagt hat, mit dem deutlichen und berechtigten Hinweis darauf, dass es soziale Missstände in Südeuropa gibt, die Gewalttaten und Gewaltexzesse, die gestern stattgefunden haben, relativiert. Dem gilt es deutlich entgegenzutreten. Ich zitiere hier den Sprecher der Blockupy-Bewegung, Frederic Wester, der gestern gesagt hat: Man muss auch feststellen, dass offensichtlich das Bürgerkriegsszenario, das die Polizei aufgemacht hat, von vielen Leuten als Herausforderung und Provokation empfunden wurde. – Die große Gefahr besteht darin, dass diese Gewaltexzesse, diese Brutalität, der Gewalttourismus, der mittlerweile stattfindet, relativiert werden und wegen der berechtigten Kritik an anderen Zuständen als durchaus verständlich erachtet werden. Diesem gesellschaftlichen Phänomen in Deutschland gilt es entgegenzutreten.

Wir stellen in Deutschland fest, dass insbesondere die Akzeptanz von Polizeibeamten bedauerlicherweise abnimmt, dass die Aggression gegenüber Polizeibeamten zunimmt und der Respekt und die Anerkennung deutlich zurückgehen. Deswegen sind wir als Vertreter des deutschen Volkes aufgerufen, klarzumachen, dass Polizeibeamte, egal ob sie gestern in Frankfurt zum Einsatz kamen oder ob sie anderswo zum Einsatz kommen, Repräsentanten unseres Staates, Repräsentanten von uns allen sind. Ich möchte an dieser Stelle allen Einsatzkräften, die gestern in Frankfurt waren, in aller Deutlichkeit namens der Bundestagsfraktion der Union für ihren Einsatz danken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie standen letzten Endes für uns.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Frage ist jetzt, wie wir mit den Erscheinungen von gestern umgehen und welche Schlüsse wir als Politiker daraus ziehen. Zum einen bin ich der festen Überzeugung, dass es – neben einem klaren Bekenntnis zur Arbeit der Polizeikräfte und der sonstigen Rettungskräfte – einer besseren Ausstattung unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bedarf. Ich bin der Bundesregierung sehr dankbar, dass sie gestern im Bundeskabinett auf Betreiben unseres Bundesinnenministers und des Bundesfinanzministers ein Eckwertepapier mit dem Ergebnis verabschiedet hat, dass es in den nächsten vier Jahren einen deutlichen Aufwuchs bei den Mitteln für die Ausstattung unserer Sicherheitskräfte auf Bundesebene geben wird: insgesamt 328 Millionen Euro, davon 200 Millionen Euro für eine bessere Sachausstattung, etwa für eine bessere persönliche Schutzausstattung, für Sicherheits- und Schutzwesten, aber auch für eine bessere Ausstattung der Polizeiwagen. Dies ist ein klares, ein deutliches und erfreuliches Signal der Bundesregierung, für das wir sehr dankbar sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wo wir gesetzgeberisch nachbessern müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es auch einer Evaluierung des Straftatbestands des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, gegen Polizeibeamte und sonstige Rettungskräfte, bedarf. Der Strafrahmen ist dabei sicherlich nicht allein das Entscheidende. Wir müssen, sowohl, was den Strafrahmen anbelangt, als auch, was das Unwerturteil anbelangt, im Strafgesetzbuch deutlich machen, dass der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Feuerwehrkräfte und THW-Helfer keine Bagatelle, kein Kavaliersdelikt ist, sondern mit der vollen Härte des Strafrechts zu ahnden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich darf deshalb mit dem klaren Bekenntnis abschließen, dass es in Deutschland natürlich ein sehr hohes und schützenswertes Grundrecht für jedermann ist, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Aber unsere Antwort auf solche Gewaltexzesse, auf eine derartige Verrohung und Brutalität, wie wir sie gestern in Frankfurt erlebt haben, ist die volle Härte des Rechtsstaats. Dafür sollten wir uns als Deutscher Bundestag in aller Deutlichkeit aussprechen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Kollege Burkhard Lischka für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4774739
Wahlperiode 18
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Vorkommnisse in Frankfurt anlässlich der Einweihung der EZB-Zentrale
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