19.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 94 / Tagesordnungspunkt 7

Volker UllrichCDU/CSU - Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf gibt Antworten auf eine wichtige Frage, die uns als Gesetzgeber gestellt worden ist: Wie können wir aus Fehlern, Versäumnissen und unklaren Zuständigkeiten bei der Aufklärung der NSU- Mordserie lernen und Strukturen im Bereich der Strafrechtspflege verbessern? Der wehrhafte Rechtsstaat ist stets auch ein lernender, der seine gesetzlichen Regelungen zum Schutz des friedlichen Zusammenlebens und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung überprüft und notfalls anpasst; das ist der Kern gesetzgeberischer Arbeit.

Der erste Teil des Gesetzes betrifft die Kompetenzen und Zuständigkeiten des Generalbundesanwalts. Diese sollen klargestellt und erweitert werden. Das betrifft das Verhältnis des Bundes zu den Ländern und hat verfassungsrechtlich unbedenklich zu sein. Die Justizhoheit der Länder ist ein wesentliches und wichtiges Ordnungsprinzip unseres föderalen Staatswesens. Der Bund hat daher im Bereich der Strafjustiz so zurückhaltend zu handeln, dass diese grundsätzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht infrage gestellt wird.

Die vorgeschlagene Erweiterung und Klarstellung der Aufgaben des Generalbundesanwalts wird diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben im Ergebnis gerecht, weil er nicht in die Kompetenzen eingreift, sondern bestehende Rechte geschärft und klargestellt werden.

Sie ist auch aus sachlichen Gründen geboten: Nach der geltenden Rechtslage muss die staatsschutzfeindliche Tat bestimmt und geeignet sein, das friedliche Zusammenleben zu stören. Das bedeutet, dass zur Begründung der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts bislang stets die Motivlage des Täters geprüft und im Ergebnis ein staatsschutzfeindlicher Vorsatz bejaht werden musste, um eine Ermittlungskompetenz zu begründen. Das hat gerade in den Fällen zu einer unklaren Situation geführt, in der zwar dem Grunde nach ein staatsschutzgefährdender Charakter der Tat vorlag, der Vorsatz des Täters aber nicht deutlich zutage trat oder nicht ermittelt werden konnte. Deswegen soll zukünftig richtigerweise nur noch die objektive Eignung der Tat notwendig sein; das ist die richtige Klarstellung.

Die Staatsanwaltschaften der Länder haben zudem dem Generalbundesanwalt künftig auch zwingend Vorgänge vorzulegen, aus denen sich Anhaltspunkte für eine Staatsschutztat ergeben. Damit wird der Generalbundesanwalt frühzeitig eingebunden und kann notwendige Ermittlungen bündeln. Meine Damen und Herren, wir haben gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass sich die erweiterten Zuständigkeiten des Generalbundesanwalts auch in einer entsprechenden Sach- und Personalausstattung widerspiegeln; denn anders geht es nicht. Kompetenzen müssen Mittel nach sich ziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir ändern auch die Vorschrift über die Strafzumessung, den § 46 StGB. Durch die Einfügung der Worte „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ werden diese Motive ausdrücklich zu einer Grundlage der Strafzumessung. Dies stellt einen Paradigmenwechsel im Bereich der Strafzumessung dar. Die bislang bewusst abstrakt gehaltenen Merkmale werden jetzt durch Regelbeispiele ersetzt.

Ausdrücklich sei festgehalten: Wir schließen damit keine Regelungslücke. Auch nach der bisherigen Rechtslage können – und ich füge hinzu: müssen – die Tatgerichte rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende Motive bei der Strafzumessung strafverschärfend berücksichtigen.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Eben!)

Dass diese Motive jetzt zusätzlich und ausdrücklich im Gesetzestext erwähnt werden, geschieht zur Erhöhung der Sensibilität der Justiz und ist eine gesetzgeberische Wertentscheidung, die besagt: Wir verurteilen Hasskriminalität in einem besonderen Maße.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass diese Regelung in der Anhörung wegen der fehlenden zwingenden Notwendigkeit von einigen Sachverständigen kritisch beurteilt und in dieser konkreten Form auch nicht vom NSU-Untersuchungsausschuss vorgeschlagen wurde.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In keiner Weise!)

Wir werden sie dennoch verabschieden, weil das ein klares Zeichen des wehrhaften Rechtsstaates gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus ist. Das ist in diesen Zeiten sehr wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ist ohne jede Frage eng mit der notwendigen Bekämpfung des Rechtsextremismus verknüpft. Das ist und bleibt ein sehr wichtiges Ziel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Vorschrift richtet sich aber selbstverständlich gegen jede Form der Menschenverachtung, natürlich auch gegen Linksextremismus, gegen Islamismus, gegen alle Feinde unserer Freiheit. Der wehrhafte Rechtsstaat verurteilt Extremismus jedweder Couleur.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Wawzyniak?

Nein.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Dasselbe wie im Ausschuss! Deplatziert!)

Es bleibt unsere gemeinsame Aufgabe, die weiteren Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umzusetzen und weiter Aufklärung zu fordern, wo noch Fragen offen sind.

Insgesamt ist aber auch weiterhin ein klares Bekenntnis dieser Zivilgesellschaft zur Freiheit, zur Würde des Menschen und zum Rechtsstaat erforderlich. Deswegen kann ich Ihnen die Annahme dieses Gesetzentwurfes guten Gewissens empfehlen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Wawzyniak das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4775079
Wahlperiode 18
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
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