Michelle MünteferingSPD - Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Grundgesetz steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Da steht nicht, die Würde des deutschen Menschen, da steht nicht, die Würde des weißen Menschen, und da steht nicht, die Würde des heterosexuellen Menschen. – So habe ich noch die Worte von Johannes Rau im Ohr. Das ist die inklusive Gesellschaft in diesen Worten kurz beschrieben. Ich finde, das ist ein wunderbarer Gedanke.
Demgegenüber mögen in der Tat die Maßnahmen, die wir heute beschließen, vielleicht ein bisschen unspektakulär erscheinen; aber sie sind nicht weniger wichtig. Vielmehr sind sie sinnvoll und notwendig. Denn auch wenn die deutsche Demokratie 70 Jahre nach der Befreiung von der Hitler-Herrschaft endlich stark geworden ist: Ungefährdet ist sie nie. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit – das haben die Kolleginnen und Kollegen gerade schon gesagt – sind immer noch nicht besiegt. Noch immer gibt es Neonazis in unserem Land, in unserer Nachbarschaft sowie Antisemitismus und Judenhass. Leider ist auch, bei Teilen der Bevölkerung, auch in ihrer Mitte, die Ablehnung von Andersdenkenden, fremden Religionen und Menschen ausländischer Herkunft trauriger Teil des Alltags in Deutschland.
Der grausame Höhepunkt dieser menschenverachtenden Geisteshaltung waren die Hinrichtungen des Nationalsozialistischen Untergrunds. Niemand wird bestreiten können, dass die Terroristen aus der Ideologie der Neonazis und des Rassenwahns heraus mordeten: Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft, deutsche Mitbürger – das will ich hier ausdrücklich betonen –, neun von ihnen türkischer bzw. griechischer Herkunft und eine Polizistin deutscher Herkunft. Das ist die erschütternde und traurige Bilanz dieser Ewiggestrigen. Diese Taten lassen uns mit Fassungslosigkeit und mit Trauer zurück. Sie schaffen es aber nicht, unser demokratisches Rückgrat zu brechen; im Gegenteil.
Bedrohung, Gewalt, Mord, das alles ist verboten. Dafür brauchen wir keine neuen Gesetze. Aber diese zu präzisieren und die Vergehen beim Namen zu nennen, das ist ein wichtiges Signal, insbesondere für die Opfer der Übergriffe.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Aus meiner Arbeit als Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, aus vielen Gesprächen mit Menschen im Wahlkreis, in der Türkei und bei Diskussionsrunden weiß ich, wie tief sich die NSU-Morde in die Seele der Migrantinnen und Migranten in Deutschland gebrannt haben, welch tiefes individuelles, aber auch kollektives Leid sie gebracht haben und wie sehr sie das Ansehen unseres Landes im Ausland beschädigt haben.
Auch deshalb ist es wichtig, wie wir mit diesen schrecklichen Erfahrungen umgehen, welche Lehren wir aus den Erkenntnissen ziehen, die der NSU-Untersuchungsausschuss uns gegeben hat. Das ist unsere demokratische Pflicht. Zu dieser gehört immer auch Selbsterkenntnis: lernen, dass Unfassbares auch heute möglich ist. Deswegen sind wir heute noch nicht am Ende. Aber wir gehen einen Schritt voran, und wir setzen ein deutliches Zeichen: für die Demokratie, für alle Menschen – nicht nur in Deutschland.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dietrich Monstadt, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4775149 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses |