Stefan SchwartzeSPD - Teilhabe von Kindern von Alleinerziehenden
Danke schön. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Bundesfamilienministerin hat bei der Verabschiedung des Quotengesetzes von einem Kulturwandel gesprochen, einem Kulturwandel, der das gesamte Arbeitsleben erfasst und aufbaut auf einem modernen Begriff der Familie; denn das traditionelle Familienmodell mit Vater, Mutter, Kind ist seltener geworden: Von den 8,1 Millionen Familien sind aktuell knapp 20 Prozent Einelternfamilien. Im Jahr 2012 waren 1,6 Millionen Menschen allein für ihre Kinder verantwortlich. In neun von zehn Fällen tragen diese Verantwortung Frauen.
Mit diesen Zahlen im Hinterkopf können wir fragen: Wie muss der eingangs erwähnte Kulturwandel aussehen? Ich möchte hier einen konkreten Blick auf das Arbeitsleben richten. Gerade in diesem Lebensbereich offenbaren sich immer wieder alte Rollenbilder – in den Köpfen der Arbeitgeber, aber auch bei manchen Kolleginnen und Kollegen. Immer noch kämpfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die allein für ihre Kinder sorgen, gegen Vorurteile, bekommen nicht die Anerkennung und Wertschätzung, die sie verdienen.
Wir müssen endlich hin zu einem flexibleren Arbeitsleben, in dem Kinder mitgedacht werden, einem Arbeitsleben, in dem Menschen, die um 16 Uhr ihr Kind von der Schule oder der Kita abholen, nicht mehr schräg angeschaut werden, einem Arbeitsleben, in dem wichtige Meetings nicht exakt auf die Schließzeiten der Kitas gelegt werden, einem Arbeitsleben, in dem es keinen Nachteil darstellt, in Personalgesprächen nach flexiblen Arbeitszeitmodellen und Heimarbeit zu fragen, einem Arbeitsleben, in dem die Betreuungszeiten der Kinder bei der Personalplanung der Betriebe positiv mitgedacht werden; denn Alleinerziehende sind Heldinnen und Helden des Alltags.
Mehr als zwei Drittel von ihnen sind erwerbstätig – und davon fast die Hälfte in Vollzeit. Wie sollte das auch anders sein? Sie müssen alleine dafür sorgen, dass das Essen auf dem Tisch steht, dass die Schulsachen für das Lernen vorhanden sind und dass die Kinder etwas Ordentliches zum Anziehen haben. Von der Organisation und Finanzierung der Freizeitaktivitäten sei hier einmal noch gar nicht gesprochen.
Diese Heldinnen und Helden, die alleine für ihre Kinder sorgen, werden jedoch nicht entsprechend wahrgenommen, geschweige denn bezahlt. Weiterhin gilt der Status „alleinerziehend“ als Indikator für Armut. Das darf nicht so bleiben.
Solange in unserer Gesellschaft noch immer das Bild vom arbeitenden Mann und von der Frau, die zu Hause für die Kinder sorgt, für normal gehalten wird, solange Menschen, die in Teilzeit arbeiten, im Verhältnis geringer bezahlt werden als ihre Kollegen und Kolleginnen in Vollzeit, solange die Arbeit dieser Menschen also als weniger wert eingeschätzt wird – genau das wird durch ein geringeres Gehalt ausgedrückt –, so lange bleibt der Status „alleinerziehend“ Ausdruck eines Armutsrisikos.
Ich möchte konkret bleiben und aufzeigen, welcher Fachkräfteverlust in Kauf genommen wird: Laut der Prognos-Untersuchung von diesem Januar sind Alleinerziehende überwiegend gut ausgebildet. 79 Prozent verfügen über einen mittleren oder einen hohen Bildungsabschluss. Wir brauchen diese Fachkräfte in unserem Land. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag auch konkrete Entlastungen für Alleinerziehende vereinbart. Dafür wird die SPD hier im Parlament hart kämpfen.
Wir wollen, wenn möglich rückwirkend zum 1. Januar 2015, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Einkommensteuergesetz erhöhen und nach der Kinderzahl staffeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Hier gilt es, unserer Ministerin für die Verhandlungen mit dem Finanzministerium den Rücken zu stärken.
(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Sie können ja einen Vorschlag machen!)
Den Appell von Paul Lehrieder an den Staatssekretär Kampeter eben fand ich an dieser Stelle ganz hervorragend.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Vielleicht hilft er! Schauen wir einmal! – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Aber ein Vorschlag von der SPD wäre auch nicht schlecht!)
Die Bundesregierung hat aber auch jetzt schon entscheidende Schritte hin zum nötigen Kulturwandel gemacht. Die Frauenquote, der gesetzliche Mindestlohn, die Mietpreisbremse und die Stärkung von Tarifverträgen gehören dazu, und das Entgeltgleichheitsgesetz ist in Arbeit. Diese Gesetze haben wir gegen viele Widerstände durchgesetzt.
Das Ziel ist, eine Arbeitswelt und Strukturen zu schaffen, die es Alleinerziehenden ermöglichen, gleichwertig am Arbeitsleben teilzunehmen – auch gegen den Widerstand antiquierter Betonköpfe. Zu diesen Strukturen gehört auch, dass wir eine Ausbildung in Teilzeit ermöglichen. Diese Ausbildung in Teilzeit darf sich nicht nur auf einige Leuchtturmprojekte beschränken, sondern muss wirklich in der Fläche eine Chance bekommen.
Ein letzter struktureller Aspekt darf nicht unerwähnt bleiben: Das, was wir im Bund beschließen, muss in den Ländern und in den Kommunen ankommen. Es müssen vor Ort die finanziellen Spielräume vorhanden sein, um diese Maßnahmen umzusetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb ist auch die Entlastung der Kommunen so wichtig.
Der von Manuela Schwesig angesprochene Kulturwandel kommt. Wir schaffen den Rahmen dafür. Ich freue mich auf die Beratungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Bettina Hornhues, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4775275 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Teilhabe von Kindern von Alleinerziehenden |