Florian HahnCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir Somalia hören, sind leider immer noch die ersten Assoziationen Anarchie, Terror, Piraterie, Entführungen und Hunger. Kurz: Somalia ist ein Failed State. Aber die Weltgemeinschaft darf nicht resignieren. Es ist richtig, Somalia und seine Menschen nicht alleinzulassen. Die Lage in Somalia ist heute schon besser, als sie noch vor wenigen Jahren war; das ist Realität.
Die radikalislamische Al-Schabab-Miliz wurde mithilfe der AMISOM, einer robusten multinationalen Mission der Afrikanischen Union von 22 000 Soldaten, aus wesentlichen Gebieten Süd- und Zentralsomalias und vom Indischen Ozean vertrieben. Die Führung ist durch US-Drohnenangriffe geschwächt, und die Miliz ist aktuell in der Defensive, kann sich aber noch in einigen Regionen behaupten. In Mogadischu und in vielen Teilen des Landes beginnen fragile staatliche Strukturen zu wachsen, wenn auch nur sehr langsam und immer wieder von Rückschlägen begleitet.
Aber der Ausgangspunkt dieser Krise ist dramatisch. Somalia befindet sich seit 1990 im Bürgerkrieg, und seither hat praktisch kein junger Mensch mehr eine Schulbildung erhalten. Das sind fast zwei Generationen. Das ist fatal für eine Gesellschaft. Es entsteht ein Teufelskreis aus fehlender Bildung, Flucht, Scheitern von Aufbaubemühungen, Krieg und Terror.
Es ist deswegen richtig, dass die internationale Gemeinschaft bereits vielfältig unterstützend eingegriffen hat. Basis für alle erfolgreichen Bemühungen ist eine Art Grundsicherheit, eine Atempause von Bürgerkrieg und ideologisch-religiösem Terror. Vor allem durch die AMISOM-Truppen der Afrikanischen Union, die die EU maßgeblich finanziert, ist es gelungen, diese Basissicherheit in Teilen des Landes wiederherzustellen. In den befreiten Gebieten müssen jetzt lokale Verwaltungsstrukturen aufgebaut und muss der Zugang zu rechtsstaatlicher Justiz ermöglicht werden.
AMISOM kann aber nicht ewig bleiben. Ausländische Truppen, davon viele aus Nachbarstaaten mit massiven Eigeninteressen, sind auf Dauer keine gute Lösung. Mittelfristig müssen die somalischen Institutionen Sicherheit und Ordnung daher selbst gewährleisten können. Dabei will die Ausbildungsmission EUTM der EU helfen. Diese Mission ist bislang durchaus erfolgreich. Schon fast 5 000 Soldaten wurden ausgebildet und stellen einen gewichtigen Teil der somalischen Armee dar, vor allem qualitativ.
Auch wir Europäer wollen nicht ewig in Somalia bleiben. Daher liegt ein Schwerpunkt unserer Arbeit auf der Ausbildung von Ausbildern für künftige Rekruten nach dem Motto: Train the Trainer. Aktuell sind acht deutsche Soldatinnen und Soldaten in Somalia eingesetzt, sechs Offiziere und zwei Unteroffiziere, und sie machen dort eine sehr gute Arbeit. Es ist eine kleine, aber sehr wichtige Mission. Der Bundeswehreinsatz soll deshalb bis zum 31. März 2016 mit unveränderter Personalobergrenze von 20 Soldatinnen und Soldaten fortgesetzt werden.
Hauptproblem bleibt aber die Sicherheitslage. Der Einsatz ist gefährlich. Aber trotz aller Gefahren, auch wenn die Fortschritte minimal sind und es auch immer wieder begründete Kritik am Einsatz selbst gibt, glauben wir, dass es sich lohnt, den Menschen eine Perspektive zu geben. Wir müssen hier, mehr noch als in Mali, langen Atem beweisen und können nicht auf schnelle spektakuläre Erfolge hoffen. Aber wir sind davon überzeugt, dass es möglich ist, Schritt für Schritt Sicherheitsstrukturen zu stärken und zu festigen.
EUTM ist ein Teil eines umfangreichen internationalen Engagements, bei dem Deutschland über die EU AMISOM unterstützt und sich direkt militärisch an den Missionen EUTM und Atalanta und der zivilen Mission EUCAP NESTOR beteiligt. Übrigens ist meiner Information nach, Herr Kollege Nouripour, Großbritannien an EUTM definitiv beteiligt. Aber dazu können Sie gerne danach noch etwas sagen.
Herr Kollege Hahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich habe gerade gesagt, er kann danach noch etwas sagen, wenn er möchte.
Na gut.
Wir sind davon überzeugt, dass auch in Somalia nachhaltig nur durch einen vernetzten Einsatz außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischer Elemente geholfen werden kann. Deshalb ist Deutschland im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und bei der Demokratieförderung tatkräftig und vielfältig tätig.
Die Al-Schabab-Miliz kann mit militärischen Mitteln kaum vollständig besiegt werden. Ihre Bedeutung und Anziehungskraft werden nur dann nachlassen, wenn es stabilere politische Verhältnisse gibt und Bildung und Ausbildung für die jungen Menschen möglich sind.
Somalia soll ein schönes Land sein und hat Potenzial für eine Zukunft ohne Bürgerkrieg, Hunger und Terror; ein wahrlich großes Projekt. Unser Engagement, in diesem Fall bei der Mission EUTM, ist ein kleiner, aber absolut notwendiger Beitrag zu diesem wichtigen Projekt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch sagen: Deutschland nimmt bereits deutlich mehr internationale Verantwortung wahr und engagiert sich entsprechend mehr, als wir dies noch vor wenigen Jahren vermutet haben. Das ist ganz in unserem eigenen Interesse notwendig und richtig geworden.
Mehr Engagement und mehr Verantwortung bedeuten aber auch mehr Engagement bei den Mitteln, die dafür zur Verfügung gestellt werden müssen. Es ist deswegen konsequent, dass die Regierung bei ihrer Budgetplanung Erhöhungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, der Diplomatie und der Verteidigung vorsieht und damit dieser Entwicklung Rechnung trägt. Das begrüße ich ausdrücklich.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Nouripour.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4775432 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUTM Somalia |