Kirsten LühmannSPD - Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Schon die erste Betriebsordnung für Haupteisenbahnen in Deutschland aus dem Jahre 1892 stellte fest: „Neue Wagen dürfen erst in Gebrauch genommen werden, nachdem sie untersucht und als sicher befunden sind.“ Diese Vorschrift hatte noch nicht festgelegt, wer sie prüfen soll. Allerdings stieg mit den Sicherheitserfordernissen auch die Zahl der Konstruktions- und Ausrüstungsvorschriften. Von deren unabhängiger Prüfung vor der Zulassung der Eisenbahnen hängt auch das Vertrauen in das Verkehrsmittel ab, und zwar ein Vertrauen, das angesichts der geringen Unfallzahlen durchaus gerechtfertigt ist.
Was im Automobil- und Flugzeugsektor selbstverständlich ist, nämlich die qualifizierte, schnelle und unbürokratische Zulassung unter anderem in Form einer europäischen Typgenehmigung, geschieht bei der Zulassung von neuen, noch sichereren Bahntechniken zu langsam und ist verbesserungswürdig. Die daraus resultierende mangelnde Planungssicherheit, die hohen Kosten und der hohe Zeitbedarf gehen zulasten aller: der herstellenden Unternehmen, der Betreibenden und nicht zuletzt der Fahrgäste. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir ändern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mit der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie, die wir mit dem heute in das Parlament eingebrachten Gesetzentwurf vollziehen, tragen wir dem Leitgedanken Rechnung, die operative Prüfung von Bahntechnik in bestimmtem Umfange – nicht komplett – auch Privaten zu ermöglichen. Mit dem seit Juni 2013 geltenden sogenannten Memorandum of Understanding durften in Deutschland erstmals private Organisationen die Voraussetzungen für die Zulassung von Schienenfahrzeugen in größerem Umfange prüfen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung wird für dieses erfolgreiche Übergangsmodell nun endgültig ein rechtlich verbindlicher Rahmen geschaffen. Damit wird die Zulassung von Bahntechnik in Deutschland beschleunigt und vereinfacht. Allerdings: Abstriche bei der Sicherheit des Schienenverkehrs wird es dabei nicht geben. Die technischen Vorgaben, liebe Kollegen und Kolleginnen, werden ebenso sorgfältig überprüft, wie es zum Beispiel im Pkw-Bereich schon lange Jahre gang und gäbe ist.
Was ist nun neu? Bislang war das Eisenbahn-Bundesamt die allein zuständige Prüfbehörde. Das EBA beschäftigt inzwischen mehr als 1 000 Mitarbeitende, die sehr kompetent und verantwortungsvoll viele Themen des Eisenbahnwesens in Deutschland bearbeiten. Ich nenne nur die Planfeststellungen, die Fahrgastrechte, die Betriebsüberwachungen. Anfang des Jahres haben wir ihm auch die verantwortungsvollen Aufgaben der Lärmkartierung und der Erstellung des Lärmaktionsplans übertragen.
Mit den technischen Fragen der Schienenfahrzeugzulassung befassen sich etwa 50 Mitarbeitende, also 5 Prozent der Gesamtbelegschaft. Die Anzahl der Schienenfahrzeugprojekte pro Jahr, die eine Zulassung benötigen – dazu gehört auch die Wiederzulassung nach der Modernisierung eines Zuges –, ist dagegen allein in den letzten zehn Jahren um ein Vielfaches gestiegen. Das EBA und seine Beschäftigten leisten also eine hervorragende und gewissenhafte Arbeit – allein ihre Kapazität ist begrenzt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist daher ein Gebot der Zeit, das heute im Eisenbahnsektor verteilte Wissen – auch in der Zulassung – nutzbar zu machen, um das EBA an dieser Stelle zu entlasten und das umfassende Fachwissen ihrer Mitarbeitenden für die tiefergehende Plausibilitätsprüfung, die vor einer Zulassung am Ende stehen muss, zu nutzen. Ähnliche Strukturmodelle funktionieren in der Luftfahrt seit Jahrzehnten – und das sehr erfolgreich.
Wie läuft nun diese Zertifizierung in der Zukunft ab? Wie schon in der Übergangszeit praktiziert, wird in Zukunft das EBA private Organisationen nach strengen Auswahlkriterien als sogenannte Designated Bodies anerkennen. Diese Anerkennung als projektunabhängige und weisungsfreie Organisation zur Prüfung der nationalen Vorschriften befähigt diese private Organisation, die Untersuchung durchzuführen. Das Eisenbahn-Bundesamt bleibt dabei aber – das ist uns wichtig – die Behörde, die nach der abschließenden Überprüfung der Zulassung von Bahntechnik Rechtskraft verleiht; und das ist auch gut so.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Das EBA hat sich in den letzten Jahren international einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Wir werden hier nach einer gewissen Zeit jedoch überprüfen müssen, ob eine internationale Anerkennung auch in Staaten außerhalb der EU funktioniert oder ob wir dazu noch weitere Schritte unternehmen müssen.
Gestern hat die Deutsche Bahn ihr neues Fernverkehrskonzept vorgestellt. Es beinhaltet 12 Milliarden Euro Investitionen in den nächsten 15 Jahren. Knapp 100 zusätzliche Züge sollen 50 Millionen Bahnreisende zusätzlich transportieren.
Das heute von der Bundesregierung eingebrachte Gesetz wird mit dafür sorgen, dass das erforderliche rollende Material zeitgerecht zur Verfügung steht – für mehr grüne Mobilität, für mehr Komfort und für mehr Sicherheit.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Matthias Gastel für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4775646 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften |