19.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 94 / Zusatzpunkt 4

Dieter StierCDU/CSU - Männliche Küken leben lassen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen „Männliche Eintagsküken leben lassen“ behandeln wir heute ein sehr sensibles Thema, welches nachvollziehbarerweise viele Menschen in unserem Land berührt. Gleichzeitig, lieber Kollege Ostendorff, ist uns aber auch bewusst, dass sich dieses Thema – das zeigt mir auch der Beginn Ihrer Rede – hervorragend dafür eignet, in bekannter Weise von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der antragstellenden Fraktion, für eine wiederholte Ideologisierung der Agrarbranche missbraucht zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darin, dass wir bei dem von Ihnen angesprochenen Thema vor einer Herausforderung stehen, sind wir uns mit Ihnen sehr wohl einig. Allein der vorgeschlagene Weg der Lösung unterscheidet uns, wie immer, voneinander.

Deutschlands Brütereien stehen in ihrem alltäglichen Geschäft vor demselben Problem: Auf 100 befruchtete Eier kommen rund 50 weibliche und 50 männliche Küken, und das ist durch uns nicht veränderbar. Die männlichen Vertreter der Legerassen verfügen aber über einen sehr geringen Fleischansatz. Dies veranlasst die Betriebe vor dem Hintergrund der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit, ihren Bestand nach der Geschlechterfeststellung zu verringern.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Bestand zu verringern, heißt, sie alle zu töten! Das ist doch ein Euphemismus!)

Dieses Vorgehen weckt bei jedem tierschutzverbundenen Halter, bei jedem Produzenten, bei jedem in der Gesellschaft und selbstverständlich auch bei uns Politikern nicht unbedingt großes Wohlbehagen. Und ja, meine Damen und Herren, ich meine, es passt auch nicht mehr in unsere heutige Zeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber für Veränderungen brauchen wir realistische Lösungen, die es weiterhin erlauben, in gewohnter Qualität für ganz Deutschland produzieren zu können, ohne dabei die Betriebe ins wirtschaftliche Aus zu drängen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ihr Antrag, liebe Oppositionspartei, ist, mit Verlaub, sowohl für die Beschreibung der gegenwärtigen Situation als auch für das Aufzeigen echter Lösungen untauglich.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt’s!)

Mit Ihrer Wortwahl appellieren Sie erneut an die Gefühle. Sie schüren Horrorvorstellungen, die die Alltagspraxis völlig verkennen.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das überhaupt gelesen? Das hat doch mit dem Antrag nichts zu tun!)

Sie reden einzig über Verbote, nicht aber zum Beispiel über vorgeschriebene Betäubungsdosierungen. Sie sind auch nicht bereit, über die Auslegung des in unserem Tierschutzgesetz vorgesehenen „vernünftigen“ Grundes für Ausnahmen – das haben Sie gerade gesagt – von der Generalklausel des Verbots von Schmerzen, Leiden oder Schäden für ein Tier zu diskutieren.

In Nordrhein-Westfalen versucht Ihr Minister Remmel, das Problem mit der Brechstange zu lösen, was aus unserer Sicht aber nicht zum Erfolg führen wird. Das hat ihm auch das Verwaltungsgericht Minden mit Urteil vom 30. Januar 2015 ins Stammbuch geschrieben, indem es diese Ordnungsverfügung für rechtswidrig erklärt hat.

Herr Kollege Stier, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Maisch?

Aber selbstverständlich.

Vielen Dank, Herr Kollege Stier, dass Sie meine Frage zulassen. – Sie haben ja gesagt, die beiden Lösungsansätze, die wir in unserem Antrag vorgeschlagen haben, also das Geschlecht bereits im Ei zu erkennen und ein Zweinutzungshuhn zu züchten, seien untauglich.

Es gibt eine schwarz-grüne Landesregierung in Hessen. Sie hat den Weg der Geschlechtserkennung im Ei als Königsweg bezeichnet. Jetzt möchte ich Sie fragen: Finden Sie, dass auch die schwarz-grüne Landesregierung eine untaugliche Agrarpolitik im Bereich der Küken macht?

Liebe Kollegin Maisch, lassen Sie mich noch etwas weiterreden. Ich komme dann auf genau diese beiden Methoden zu sprechen. Ich habe nicht gesagt, dass ich diese als untauglich empfinde, sondern ich habe Ihren ersten Vorschlag, das regelmäßige Verbot, das Sie fordern, für untauglich erklärt.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war schon ideologisch gekennzeichnet!)

Jetzt möchte ich Ihnen das gerne weiter erklären.

Ein vorschnelles Verbot, meine Damen und Herren, hätte nichts weiter als den planmäßigen Entzug von Wirtschaftlichkeit in den Betrieben bis zur letztendlichen Schließung zur Folge. Ich sage Ihnen auch: Das Problem würde nicht bereinigt, sondern nur ins Ausland verschoben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzt deshalb – jetzt komme ich dazu – auch auf die Weiterentwicklung von Methoden zur frühzeitigen Geschlechtsbestimmung im befruchteten Ei als Strategie zur Vermeidung der bisherigen Praxis.

Herr Kollege Stier, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal des Kollegen Ebner?

Aber sicher lasse ich auch noch die Frage des Kollegen Ebner zu.

Das Mikro möchte nicht.

Das hat seinen Grund.

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Es ist impotent!)

Herr Kollege Stier, Sie hatten gesagt, Minister Remmel in Nordrhein-Westfalen wollte das mit der Brechstange machen und sei deshalb dann auch vom Gericht zurückgepfiffen worden. Meine Frage ist, ob Sie bereit wären, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Gericht lediglich festgestellt hat, dass für diese Verfügung eine spezielle Ermächtigungsgrundlage gefehlt hat. Das Gericht hat also gar nicht festgestellt, dass insgesamt mit der Brechstange vorgegangen worden ist, sondern nur, dass eine spezielle Ermächtigungsgrundlage gefehlt hat, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schaffen müsste. Damit ist der Ball wieder bei Ihnen. Wären Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Ich nehme das gerne zur Kenntnis. Das hätten Sie gern, dass der Ball bei uns ist. Selbstverständlich fehlt die spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für dieses Ansinnen, das Sie verfolgen. Das ist aber noch nicht das Ansinnen, mit dem man eine Lösung herbeiführen könnte. Deshalb erachte ich den Beschluss des Gerichtes als außerordentlich vernünftig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir waren bei der Geschlechtsbestimmung im befruchteten Ei. Vielleicht kann ich ja auch einen Satz noch zu Ende führen. Ich will ausdrücklich unserem Minister Christian Schmidt und auch Ihnen, liebe Frau Staatssekretärin, danken, dass Sie sich des Themas in besonderer Weise annehmen. Die Koalition stellt nämlich zum Beispiel über das BMEL Mittel im Umfang von mehr als 2 Millionen Euro bis 2015 für gezielte Verbundforschungsprojekte der Universität Leipzig zur Verfügung. Nach unseren Erkenntnissen soll in absehbarer Zeit eine entsprechende Technologie zur Verfügung stehen.

Ich will auch auf die Bruderhahn Initiative Deutschland e. V. hinweisen. Auch die Züchtung wird – darin sind wir gar nicht so weit auseinander – ihren Beitrag auf dem Weg zu Zweinutzungsrassen leisten.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir uns einig!)

Wie Sie sehen, haben wir wesentliche Forderungen Ihres Antrages bereits erfüllt.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erfüllt ja nicht!)

Allerdings müssen hierfür noch flächendeckend anwendbare Verfahren entwickelt werden, die eine Feststellung des Geschlechts vor dem Einsetzen des Schmerzempfindungsvermögens des Hühnerembryos ermöglichen. Da man nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand vor dem zehnten Bebrütungstag keine Schmerzempfindlichkeit des Hühnerembryos annimmt, sind also Forschungsergebnisse abzuwarten, die ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung vor diesem zehnten Bebrütungstag ermöglichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind also sehr wohl bereits auf einem Weg, die von Ihnen beschriebene Thematik einer Lösung zuzuführen. Deshalb ist für mich der vorliegende Antrag entbehrlich.

Ich will zum Schluss eine Aussage Ihrer grünen Parteikollegin und hessischen Landwirtschaftsministerin Priska Hinz aus einem Interview mit Agra-Europe zitieren: „Immer mehr Menschen haben die Nase voll von einer ständigen Schwarz-Weiß-Malerei.“ Das hat sie richtig erkannt. Sie sollten auch im Bund auf Ihre eigene Kollegin hören. Ich lade Sie jedenfalls zur Mitwirkung bei der Lösung der vorliegenden Problematik mit der gebotenen Sachlichkeit ein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die SPD, Entschuldigung, für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann. Sie haben das Wort.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias Ilgen [SPD]: Endlich zur Vernunft gekommen!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4775722
Wahlperiode 18
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Männliche Küken leben lassen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta