Marina KermerSPD - Gesundheitsförderung und Prävention
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Prävention heißt Vorbeugung, meint aber auch Vorsorge. Ich finde, wir müssen genauso an Fürsorge denken, weil Erkrankungen manchmal Abwärtsspiralen in Gang setzen, die nur noch von Außenstehenden zu stoppen sind, weil der oder die Betroffene sich selbst nicht mehr helfen kann.
Das trifft vor allem auf psychische Erkrankungen zu. Immer häufiger treten sie als Folgen beruflicher Belastungen auf. Ja, unsere komplexe Arbeitswelt bietet vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Chancen zur Selbstverwirklichung; man kann persönliche Anerkennung und materiellen Wohlstand gewinnen, wenn man gut aufgestellt ist. Wenn man nicht so gut aufgestellt ist, weil man gesundheitliche Einschränkungen hat, dann erlebt man die komplexe Arbeitswelt oft als Überforderung und Dauerüberlastung.
In der Folge treten somatische und psychosomatische Erkrankungen auf, also Erkrankungen des Körpers und der Seele, ausgelöst durch – erstens – die Arbeit selbst, die krank machen kann. Es ist immer weniger die körperlich harte Arbeit, die zu Erkrankungen führt, zum Beispiel zu Erkrankungen des Skeletts wie Rückenschmerzen oder Knieverschleiß. Die steigenden Zahlen psychischer Erkrankungen sind alarmierend: Burn-out-Syndrom, Depressionen und Suchterkrankungen führen immer häufiger in die Frühverrentung. Laut GKV-Spitzenverband hat die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen zwischen 2002 und 2012 um nahezu 67 Prozent zugenommen.
Zweitens kann ein Arbeitsplatzverlust, oft unverschuldet, den Beginn einer Erkrankung auslösen. Denn wer auf Dauer ohne tägliche Aufgabe und Anerkennung lebt, der verliert seine Tagesstruktur. Am Ende verharrt man im schlimmsten Fall in hilfloser Resignation. Auch darunter leidet langfristig die körperliche und seelische Verfassung. Wer durch Arbeitslosigkeit krank wird und aufgrund der Krankheit nicht vermittelt werden kann, der sitzt in einem Teufelskreis. Deshalb sollten die Krankenkassen gemeinsam mit den kommunalen Trägern der Grundsicherung und der Bundesagentur für Arbeit daran arbeiten, gesundheitliche Vermittlungshemmnisse zu beseitigen;
(Beifall bei der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen wir das nur mal verankern!)
denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, für das Erwerbspersonenpotenzial muss der Zugang zum Arbeitsmarkt mit geeigneten Maßnahmen wieder ermöglicht werden.
Das Arbeitsleben ist dominant im Alltag, deshalb ist es so wichtig und richtig, die betriebliche Gesundheitsvorsorge zu stärken. Für die Beschäftigten in den Betrieben sind die Betriebsärzte erste Ansprechpartner. Deshalb ist die Stärkung ihrer Aufgabe richtig; denn den Medizinerinnen und Medizinern sollte es als Erstes auffallen, wenn in einem Betrieb bestimmte Erkrankungen gehäuft auftreten.
Dabei nehmen wir die Bedenken der Gewerkschaften ernst. Die Betriebsärzte stehen in einem sensiblen Vertrauensverhältnis. Das darf zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt werden, ganz besonders nicht, wenn es um seelische Erkrankungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht.
Richtig ist auch die Feststellung des DGB, dass grundsätzlich der Arbeitgeber für das Arbeitsumfeld verantwortlich ist und niemand sonst. Man nennt es Fürsorgepflicht. Viele große Unternehmen haben bereits gute und zeitgemäße Präventionskonzepte. Einige große Konzerne halten eigene Gesundheitsangebote vor und sorgen im Vorfeld durch Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsorganisation für gute Bedingungen.
Natürlich können kleine und mittelständische Unternehmen nicht mit Großkonzernen mithalten. Deshalb wollen wir die Kooperation vor Ort stärken. Zum Teil geht fehlende Prävention auf mangelnde Kenntnisse von Präventionsangeboten zurück. Aus diesem Grund werden die Krankenkassen den Unternehmen Beratungsmöglichkeiten anbieten. Ja, es werden insgesamt 7 Euro pro Versichertem für Prävention zur Verfügung gestellt, davon werden 2 Euro für die betriebliche Prävention eingesetzt. Mit diesen zusätzlichen Mitteln wird es vor Ort besser gelingen, passgenaue Prävention im Betrieb anzubieten.
An dieser Stelle möchte ich auf die besondere Situation der Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eingehen.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Genau!)
Denn dort haben wir besonders häufig körperlich und seelisch belastende Arbeitsbedingungen bei knappen Personaldecken.
Es ist absurd, dass ausgerechnet in den Gesundheitsberufen zu wenig Wert auf die Gesundheit der Beschäftigten gelegt wird. Deshalb werden wir mit dem Pflegestellenförderprogramm im Rahmen der Krankenhausreform einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Personalsituation gehen. Auch das ist Prävention für Pflegekräfte und für Patientinnen und Patienten.
Insofern kann ich zu dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der Linken sagen: Wir entlassen die Arbeitgeber nicht aus ihrer Verantwortung, stärken aber die Hilfe für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Denn was für die Gesellschaft nur Verlust an Arbeitskraft ist, bedeutet für den Einzelnen Verlust an Lebensqualität.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann ja nur der Anfang sein!)
Deshalb ist uns Prävention so wichtig. Es geht uns um die Menschen. Weil das so ist, geben wir mehr Mittel für Prävention aus. Ich finde, das sind gut angelegte Mittel.
Natürlich kann man leicht immer noch mehr Geld fordern, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Zimmermann. Aber „Mehr, mehr!“ rief auch der kleine Häwelmann in Theodor Storms Märchen, und wohin hat es ihn gebracht? Er ist am Ende ins Wasser gefallen. Das wollen wir nicht. Besser wäre, wir bringen das Präventionsgesetz gemeinsam in trockene Tücher.
Danke.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Heiko Schmelzle, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4779814 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheitsförderung und Prävention |