20.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 95 / Tagesordnungspunkt 19

Frank TempelDIE LINKE - Cannabiskontrollgesetz

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Ich habe übrigens keine Angst vor Zwischenfragen. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Besitz und Erwerb von Cannabisprodukten sind in Deutschland strafbar. Auch der Anbau ist strafbar. Das ist die konkrete aktuelle Rechtslage in Deutschland.

(Dietrich Monstadt [CDU/CSU]: Richtig so!)

Von straffreiem Konsum zu reden, ist reichlich inkompetent.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Kriminalbeamter in Thüringen habe ich im dienstlichen Auftrag Strafanzeigen schreiben müssen, weil Tüten mit Restanhaftungen von Cannabis den Anfangsverdacht begründeten, dass der Betroffene im Besitz von Cannabis war. Bereits das führte zur Strafanzeige. Wer diese Kriminalisierung von Menschen mit dem Argument abtut, dass diese Verfahren wieder eingestellt werden, den muss ich fragen: Wie rechtfertigt man, dass Hunderte von Polizeibeamten diese Anzeigen erst einmal schreiben müssen, dass Hunderte von Polizeibeamten unterwegs sind, um Kontrollen durchzuführen und Wohnungen zu durchsuchen, wenn die Verfahren von der Staatsanwaltschaft dann in der Regel wieder eingestellt werden? Welchen Sinn macht das?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben von vier Säulen der Drogenpolitik gesprochen. 86 Prozent der Mittel entfallen allein auf die Säule der Repression. Wer das damit begründet, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen beabsichtigt ist, dem muss ich sagen: Der Schwarzmarkt ist so ziemlich der schlechteste Jugendschutz.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Strafbarkeit gilt aber auch für 40-, 50- und 60- Jährige. Sie gilt im Übrigen auch völlig unabhängig davon, ob der Cannabiskonsument tatsächlich einen gesundheitsgefährdenden Umgang damit pflegt oder ob er ein Gelegenheitskonsument ist, der die festgestellte Menge lediglich dazu hat, um eine Weile damit auszukommen. Auch er wird kriminalisiert. Hier wird ein Verhalten bestraft, das bei unsachgemäßem Umgang möglicherweise zu einer Selbstschädigung führt. Das ist einmalig im deutschen Strafrecht.

Ja, der missbräuchliche Konsum – das wird nicht ignoriert; auch nicht im Antrag der Grünen – ist riskant, ist gefährlich, und das besonders, wenn im sehr frühen Alter damit begonnen wird. Deswegen muss man natürlich klare Jugendschutzregeln schaffen. Während wir aber hier darüber diskutieren, wie wir das machen können, schaffen wir es beim Alkohol noch nicht einmal, über konkrete Werbeverbote zu reden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie, liebe Kollegen von der Union, lehnen die Legalisierung von Cannabis ab, damit nicht, wie man ja hört, neben Tabak und Alkohol eine weitere gefährliche Droge auf den Markt kommt. Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben. Wir haben circa 2,5 bis 4 Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland. Diese Droge ist da, und der Versuch der Durchsetzung des Verbots kostet eben sehr viel Geld, das an anderen Stellen für Prävention fehlt.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen haben wir einen Schwarzmarkt, Streckmittel und keinen Einfluss auf den Wirkstoffgehalt, keinen Jugendschutz. Deswegen muss es einfach legitim sein, Alternativen zu diskutieren.

Die Linken haben in der letzten Legislatur den Vorschlag gemacht, eine nichtkommerzielle Lösung, angelehnt an die Cannabis Social Clubs in Spanien, anzubieten. Das heißt, sowohl legal als auch illegal kann niemand mit diesem Produkt Geld verdienen. Das wäre präventiv durchaus eine interessante Lösung. Die Grünen haben jetzt einen anderen Vorschlag eingebracht, der auch kommerzielle Lösungen beinhaltet, aber ebenfalls Lösungsansätze in den Bereichen Jugendschutz, Verbraucherschutz und Prävention bietet. Das ist vielfach ganz klar eine bessere Lösung als Schwarzmarkt, Streckmittel und Stigmatisierung von 4 Millionen Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben natürlich überlegt, ob auch wir schnell noch einen Antrag vorlegen. Nein, das machen wir ganz bewusst nicht. Wir reden heute über den Antrag der Grünen. Den werden Sie eventuell wieder ablehnen. Das wurde ja in Ihrer nicht sehr sachlichen Rede eben deutlich. Für diesen Fall verspreche ich Ihnen, dass wir hier wiederum einen Antrag vorlegen werden. Dieses Thema werden Sie aus dem Bundestag nicht mehr herausbekommen. Das ist übrigens ein Versprechen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dieser Debatte zur Legalisierung müssen Sie einfach einmal Ihre zwei, drei Experten, die Ihnen noch geblieben sind, beiseitelassen und auf die wirklichen Experten hören. Ich rede da von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, einem relativ breiten Sammelbecken. Alle drei Polizeigewerkschaften haben sich mittlerweile zu dem Thema geäußert. Die Hälfte aller Strafrechtsprofessoren hat sich zu diesem Thema geäußert. Sie stellen sich hier allen Ernstes hin und behaupten, Sie finden keine Experten, die etwas anderes sagen. Das ist reichlich ignorant.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 122 Strafrechtsprofessoren!)

Liebe Kollegen von der Union und auch von der SPD, Sie haben noch eine zweite Chance: Es befindet sich nach wie vor im Beratungsprozess des Bundestages ein Antrag zur Evaluierung des Drogenstrafrechts. Sie haben da eine Chance. Stellen Sie die richtigen Fragen. Sie glauben, Nachfrage und Angebot durch ein Verbot zu reduzieren. Dann überprüfen Sie es. Es gibt viele Länder, die andere Wege gehen. Sie zweifeln die Zahlen an. Überprüfen Sie es. Wir sagen, dass die fehlende Kontrolle Produkte auf dem Schwarzmarkt noch gefährlicher werden lässt durch fehlende Wirkstoffgehaltangaben, durch Streckmittel; Sie ignorieren das. Dann überprüfen Sie es! Stellen Sie die richtigen Fragen. Dieser Antrag ist noch in der Pipeline und soll hier beraten werden. Alle Zahlen, Tendenzen und Fakten können auf den Prüfstand; aber die Diskussion zu verweigern, ist einfach unakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte aber trotzdem ganz zum Schluss – die Zeit ist abgelaufen – anerkennen, dass es zumindest die Ansage gibt, im Bereich der medizinischen Verwendung etwas zu machen. Ich hoffe sehr, dass es nicht nur darum geht, den wenigen Erlaubnisinhabern jetzt Kosten zu erstatten, sondern dass es hier auch darum geht, zum Beispiel den Zugang zur Anwendung von Medizinalhanf zu erleichtern. Jeder Zehnte, der einen Antrag auf Erlaubnis zur Verwendung von Medizinalhanf stellt, stirbt, bevor sein Antrag überhaupt entschieden ist. Jeder Zehnte stirbt, bevor der Antrag – Frau Mortler, ich rede auch mit Ihnen – überhaupt bearbeitet ist. Das ist unterlassene Hilfeleistung durch die Bundesregierung.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD hat jetzt der Kollege Burkhard Blienert das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4779980
Wahlperiode 18
Sitzung 95
Tagesordnungspunkt Cannabiskontrollgesetz
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