Rudolf HenkeCDU/CSU - Cannabiskontrollgesetz
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will erst einmal sagen: Ich glaube, dass ein solcher Antrag in den Deutschen Bundestag gehört, wenn – wie der Deutsche Hanfverband über Emnid hat ermitteln lassen – 19 Prozent Zustimmung dafür vorhanden ist – die anderen stimmen nicht zu –, einen kontrollierten Zugang zu einem nichtmedizinischen Cannabisnutzen zu ermöglichen. Der Ort der Debatte ist also in Ordnung.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)
– Ja, wo soll man es sonst machen, wenn nicht im Parlament? Ich finde das schon völlig normal.
(Beifall des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist ja schön, dass Sie das zugeben! Das ist ja eine tolle Erkenntnis!)
Ich erinnere mich auch, dass man bei solchen Debatten und Auseinandersetzungen sehr individuelle Meinungen haben kann. Ich habe mich als Mitglied der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, als es um die Frage ging, ob man die bayerische Lösung eines Tabakverbots in Gaststätten in Nordrhein Westfalen einführt, gegen die Haltung der damaligen CDU-geführten Regierung dafür ausgesprochen. Ich wollte die bayerische Lösung in Nordrhein-Westfalen haben, was den Tabakkonsum anging.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Damals waren die Grünen der Meinung, dass es so, wie es in Bayern im Rahmen einer Volksabstimmung beschlossen und dann gemacht wurde, richtig sei. Ich habe es, wenn man so will, als eine Art kleinen Nichtverbreitungspakt für Suchtmittel verstanden, den der kleine Abgeordnete Rudolf Henke mit einer späteren grünen Gesundheitsministerin geschlossen hat.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da ging es um Nichtraucherschutz! Das ist ein bisschen was anderes! – Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich staune jetzt ein bisschen, wie man – auch in Bezug auf den heutigen Internationalen Tag des Glücks – zu dem Schluss kommen kann, dass das, was wir in Bezug auf Suchtstoffe, auf süchtig machende Substanzen, auf Abhängigkeit erzeugende Substanzen, brauchen, nicht ein Nichtverbreitungspakt, sondern ein Verbreitungspakt sei. Was wir brauchen, ist doch ein Nichtverbreitungspakt für süchtig und abhängig machende Substanzen, und der muss auf gesellschaftlicher Ebene geschaffen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Durch Aufklärung! Nicht durch Verbote!)
Deswegen müssen verantwortliche Politiker mit der illusionären Verbreitung der Hypothese aufhören, dass Cannabis glücklich macht.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)
Denn das ist doch die Frage, die dahintersteckt. Die SPD soll ja nicht Sie glücklich machen, sondern die SPD soll Sie dadurch glücklich machen,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dass sie dem Gesetzentwurf zustimmt!)
dass der Zugang zu Cannabis ermöglicht wird. Genau das ist die falsche Botschaft an Kinder und Jugendliche
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die werden im Gesetzentwurf doch ausgenommen, Herr Henke!)
und an Menschen, die vor der Frage stehen: Wie gehen wir mit einer solchen Substanz um?
Ich würde von verantwortlichen Politikern erwarten, dass sie sagen: Der Substanzorientierung, die in dieser Gesellschaft in der Tat fälschlicherweise verbreitet ist – wir assoziieren mit materiellen Dingen Glück –, müssen wir mannhaft und frauhaft entgegenstehen. Dazu müssen wir sagen: Weder das Nikotin noch der Alkohol noch das Cannabis noch andere illegale Drogen machen glücklich. Wenn dieses Signal von der Debatte ausgehen würde, dann wäre das eine Botschaft an die Kinder und Jugendlichen in unserem Land.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Insofern geht es hier eigentlich um die Frage: Wie bekommen wir Generalprävention möglichst gut hin?
Herr Kollege Henke, gestatten Sie zwei Zwischenfragen? Der Kollege Dr. Terpe und der Kollege Ströbele möchten diese stellen.
Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Henke, lieber Rudolf, ich weiß nicht, ob die Rede nach dem Satz, der jetzt kam, eine ganz andere Richtung nimmt. Ich möchte aber fragen, wo du unserem Gesetzentwurf entnommen hast, dass wir die glückseligmachende Bedeutung von Cannabis in den Vordergrund stellen. Ich weiß nicht, woher du das nimmst.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war auch eine Fehlinterpretation!)
Nein.
Genau das Gegenteil ist der Fall.
Ich hoffe, dass die folgenden Ausführungen zeigen werden, dass der repressive Ansatz an den Problemen, die wir natürlich in der Gesellschaft mit Cannabis haben, überhaupt nichts geändert hat, sondern sie – im Gegenteil – sogar befördert hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Diese Einschätzung teile ich nicht. Meine Überzeugung ist, dass der repressive Ansatz, den wir verfolgen – auch das, was Sie, Herr Tempel, und Ihre Kollegen als Polizeibeamte in Thüringen gewissermaßen als fruchtlose Arbeit empfunden haben –, nicht fruchtlos ist, sondern zur generalpräventiven Wirkung beiträgt, die dazu führt, dass laut der erwähnten Befragung eben nur 19 Prozent dafür sind, einen kontrollierten Zugang zu einem nichtmedizinischen Cannabiskonsum zu ermöglichen.
Ich glaube, wir müssen daran arbeiten, einen gesellschaftlichen Konsens aufrechtzuerhalten, dass auch Cannabis zu den Stoffen gehört, die man nicht nutzt, genauso wie ich einen solchen Konsens für das Nikotin will, und ich will ihn auch gegen übermäßigen Alkoholkonsum. Ich bin gern bereit, darüber zu diskutieren, auch mit jedem aus jeder grünen Fraktion in Deutschland: Was können wir zusätzlich tun, um den missbräuchlichen Alkoholkonsum einzuschränken? Und was können wir tun, um den Tabakkonsum noch mehr zurückzudrängen? Aber das kann ich doch nicht mit Menschen tun, die gleichzeitig propagieren, dass man jetzt mit einem Kontrollgesetz den Leuten den Eindruck verschafft, als gäbe es einen quasi risikofreien Konsum von Cannabis. Das ist das Problem.
Was die Frage mit der Glückseligkeit betrifft, also ob die bei euch im Antrag steht: Es stimmt, Harald, sie steht da nicht. Sie stand aber bei der Frage im Raum, die der Kollege von der Linken gestellt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun hat der Kollege Ströbele die Möglichkeit, seine Zwischenfrage zu stellen.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Sind Sie mit mir als Nicht-User der Meinung,
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
dass man Drogen überhaupt nicht nehmen soll, dass man keine Drogen nehmen soll und dass man, wenn man schon Drogen zulassen will oder muss, diese nach ihrer Gefährlichkeit für die Gesellschaft behandeln sollte, und dass vor dem Hintergrund dieses Grundsatzes der Genuss von Alkohol, und zwar nicht nur der übermäßige, sondern überhaupt der Genuss von Alkohol, weil auch dieser dazu führen kann,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dass man vom Fahrrad fällt!)
dass er übermäßig wird, sowie der Genuss von Zigaretten bzw. Tabak um ein Vielfaches gefährlicher sind als der Genuss von Cannabis?
Sind Sie außerdem mit mir der Meinung, dass man als ein billig und gerecht denkender Mensch, der die Drogen nach ihrer Gefährlichkeit behandelt, zu dem Ergebnis kommen muss, dass, wenn Alkohol und Zigaretten nicht verboten sind – ich bin auch in diesen Fällen gegen ein Verbot –, auch Cannabis schon aus Gründen der Gerechtigkeit gleichbehandelt werden muss, weil an Alkohol und Zigaretten jedes Jahr in Deutschland Zehntausende von Menschen sterben, am Genuss von Cannabis kein einziger Mensch stirbt,
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
und – ich möchte Cannabis nicht bagatellisieren; es ist gefährlich; ich rate auch allen davon ab, es zu nehmen – das Mittel des Strafrechts ein ungerechtes Mittel im Gleichklang dieser Drogen ist?
Deshalb bitte ich Sie: Schließen Sie sich mir an. Setzen Sie sich für ein Werbeverbot für Alkohol ein. Setzen Sie sich dafür ein – das ist ein dringendes Gebot –, dass vom Konsum von Cannabis, Alkohol und Zigaretten Abstand genommen wird. Setzen Sie sich aber auch für eine Gleichbehandlung der Drogen ein und dafür, dass man Unterschiede nur anhand des Grades der Gefährlichkeit machen darf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Ströbele, für diese Frage. – Nach meiner Einschätzung und ärztlichen Kenntnis möchte ich zunächst einmal sagen: In der Tat gibt es in Deutschland jährlich 40 000 Alkoholtote und 100 000 Nikotin- bzw. Tabaktote. Deshalb haben wir allen Grund dazu, die Bemühungen, die wir in Gang gebracht haben, mit dem Entwurf eines Präventionsgesetzes so erfolgreich wie möglich voranzutreiben.
Was nun die Behandlung auf gleicher Ebene und die genannte Konstruktion von Gerechtigkeit betrifft, so finde ich, dass dies einfach der historischen Ausgangslage nicht gerecht wird, denn die historische Situation ist so: Tabak, im Rückgang befindlich, hat eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Cannabis auch!)
Das ist ein historischer Sachverhalt. Wir kämpfen dagegen. Wir setzen zum Beispiel Steuerpolitik ein, um den Tabakkonsum zu disincentivieren. Das ist eine kluge Maßnahme angesichts des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses beim Tabak.
Beim Alkohol ist das Kräfteverhältnis noch einmal anders und komplizierter, weil es natürlich auch Daten zu einem in bestimmten Grenzen und in bestimmten Fällen gesundheitsverträglichen Alkoholkonsum gibt.
(Zurufe der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Die Daten sind halt so, dass er in bestimmten Fällen auch eine kreislaufprotektive Wirkung entfalten kann. Insofern sind Sie in einer rechtlich viel komplexeren Situation.
Jetzt zur Cannabisproblematik: Ich würde der großen Gesundheitsgefahr, die von Tabak und Alkohol ausgeht – dem Argument, das Sie gebracht haben, stimme ich zu –, keine weitere Gesundheitsgefahr addieren. Dies ist ja gerade der Widerspruch, den ich Ihnen vorwerfe und mit dem Sie in meiner Wahrnehmung ein Stück weit unglaubwürdig werden. Ich bitte dafür herzlich um Verständnis.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In Bezug auf die Gefahren möchte ich auf Folgendes aufmerksam machen: Ob Sie Cannabis rauchen oder Tabak rauchen, Sie kommen, was die Gefährdung der Atemwege und der Lunge angeht, was das Provozieren von Bronchialerkrankungen und von Lungenkrebs angeht, natürlich zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Hinzu kommen die psychischen und sozialen Risiken. Deswegen sage ich: Es handelt sich nicht um ein vermeintlich harmloses Betäubungsmittel, sondern es ist eine Gefahr, die wir nicht unterschätzen sollten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die kognitive Leistungsfähigkeit von Dauerkonsumenten kann stark beeinträchtigt werden. Die Aufmerksamkeit kann genauso leiden wie die Konzentration, das Kurzzeitgedächtnis und die Lernfähigkeit.
Wahr ist – das gestehe ich auch zu –, dass die Frage nach Befunden, die körperliche Veränderungen zeigen, nicht einheitlich beantwortet werden kann, aber es gibt, kernspintomografisch geführt, Belege dafür, dass der dauerhafte Einfluss von Cannabis im Bereich von Hippocampus und Amygdala, also bestimmter Hirnregionen, eine Volumenminderung zur Folge hat. Also platt gesagt: Sie kriegen Löcher im Hirn, wenn Sie Cannabis dauerhaft in höherer Dosis konsumieren. Jedenfalls kommt es zu einer Volumenminderung in diesen Hirnarealen. Dass das einen nützlichen Effekt haben soll, das würde ich erst einmal bestreiten.
Ich würde auch vermuten: Wenn es um Landwirtschaftspolitik ginge, würden Sie wahrscheinlich jedem Landwirt, der anfängt, seine Hühner oder Hähnchen mit Hanf zu füttern, dies verbieten und fordern, dass sofort ein Verbot her muss. Auch das darf natürlich keineswegs erfolgen. Dem würde ich auch zustimmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich halte also fest: Aus meiner Sicht brauchen wir uns nicht für die generalpräventive Wirkung zu schämen, die durch den repressiven Umgang mit Cannabisbesitz, -anbau und -handel ausgelöst wird. Wir als Parlament haben allen Grund, Herr Tempel, Ihnen und Ihren Kollegen, die aufseiten der Polizei an der Aufrechterhaltung dieser Generalprävention mitwirken, an dieser Stelle Danke zu sagen. Das ist keine vergebliche Arbeit.
Wir haben allen Grund dazu, neben dieser repressiven Arbeit eine präventive Arbeit zu leisten, die die Auseinandersetzung über die psychischen Gefahren, die psychischen Defekte, die Abhängigkeitspotenziale und auch die körperlichen Schäden, die ausgelöst werden können, in den Mittelpunkt nimmt.
Kollege Henke, gestatten Sie wenige Sekunden vor Ablauf Ihrer Redezeit noch eine Zwischenfrage des Kollegen Tempel?
Bitte. Ja.
Danke schön, dass Sie meine Frage noch zulassen. – Sie haben mehrfach auf eine generalpräventive Wirkung des Verbots verwiesen. Ich würde gerne wissen, woher Sie die Annahme haben, dass das Verbot eine generalpräventive Wirkung hat. Ich verweise auf die Zahlen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon – das sind Zahlen von 2011 –: Die Lebenszeitprävalenz von Cannabiskonsum ist in Holland fast auf das Zehntel genau so hoch wie in Deutschland. In Holland wird aber der Cannabiserwerb in Coffeeshops toleriert; er ist nicht legal, wird aber toleriert. Dort droht keine Strafanzeige. In keinem Land, das von dem Cannabisverbot abgerückt ist, ist die Zahl der Konsumenten gestiegen. Das beobachten wir langfristig in Portugal, das beobachten wir kurzfristig in amerikanischen Bundesstaaten, selbst in der Schweiz und in anderen Ländern. Überall dort, wo man das Mittel der Strafverfolgung abmildert, wo die Gefahr einer Strafanzeige abnimmt, steigt die Zahl der Konsumenten nicht an.
Sie reden hier aber trotzdem von einer generalpräventiven Wirkung. Sie reden auch von einem Signal, das von einer Legalisierung ausgehen würde. Sie wissen aber schon, dass ein Verbot immer ein Eingriff in Grundrechte der Bürger ist, manchmal legitim, manchmal nicht legitim. Auf alle Fälle gibt es dafür einen verfassungsmäßigen Grundsatz, nämlich den der Verhältnismäßigkeit. Es geht also nicht darum, dass von der Abschaffung eines Verbotes ein Signal ausgehen könnte. Vielmehr geht es darum, dass ein Verbot funktionieren muss: geeignet, erforderlich und angemessen.
Die Hälfte aller Strafrechtsprofessoren – über 120 in Deutschland – hat festgestellt, dass genau diese Verhältnismäßigkeit in allen drei Punkten – geeignet, erforderlich, angemessen – nicht gewährleistet ist. Deshalb haben sie sich mit einer Resolution an den Deutschen Bundestag gewandt. Übrigens, nur sieben Strafrechtsprofessoren haben deutlich geäußert, dass sie sich dieser Resolution nicht anschließen wollen; die anderen haben sich einfach nicht beteiligt. Aber mehr als die Hälfte aller Strafrechtsprofessoren in Deutschland hat aktiv gesagt, dass die verfassungsgemäße Verhältnismäßigkeit dieses Verbots nicht gegeben ist; es ist weder geeignet noch erforderlich oder angemessen.
Sie reden trotzdem von einer generalpräventiven Wirkung. Haben Sie dazu entsprechende Zahlen? Wie ist das belegt? Sagen Sie das hier einfach aus Ihrem Bauchgefühl heraus, oder gibt es da belegbare Zahlen? Diese würde ich mir natürlich ganz gerne ansehen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank für die Frage. – Zunächst einmal, Herr Kollege, gibt es keinen Zweifel daran, dass die Akzeptanz von Nikotin und von Alkohol – beide sind erlaubt – natürlich viel verbreiteter ist als die von Cannabis.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Es geht hier um Cannabis!)
Durch die Tatsache, dass wir es mit einer Substanz zu tun haben, deren Besitz, Handel und Herstellung bzw. Anbau strafbar ist, haben Sie jedenfalls schon einmal eine andere Relation in der Wahrnehmung dieses Risikos als bei anderen Suchtstoffen, jedenfalls bei den von den Grünen beklagten. Ich finde es jedenfalls hoch widersprüchlich, zu sagen: Der Beleg dafür, dass es keine generalpräventive Wirkung des Verbotes gibt, liegt darin, dass der Konsum niedriger als bei anderen Suchtstoffen ist. Deswegen glaube ich, dass man schon davon ausgehen kann, dass diese Wirkung existiert.
Sie fragen zu Recht nach der Verhältnismäßigkeit. Wenn Sie die Verhältnismäßigkeit betrachten – das würde ja im Zweifel verfassungsrechtlich geprüft werden müssen –, kann man feststellen, dass wir wissenschaftliche Befunde in Hülle und Fülle haben, die die diagnostizierte Substanzabhängigkeit für Cannabiskonsumenten nachweisen. Rund 20 Prozent der regelmäßig konsumierenden Personen erfüllen die Kriterien eines schädlichen Gebrauchs nach F 10.1 der internationalen Diagnosen-Klassifikation. Bei 10 Prozent dieser Personen sehen wir eine Abhängigkeit. Nach den Daten von Petersen und Thomasius aus 2007 finden wir bei etwa zwei von drei Cannabisabhängigen eine körperliche Abhängigkeitssymptomatik mit und ohne Toleranzbildung. Zudem sehen wir, dass die Entwicklung einer Psychose durch Cannabiskonsum um das Zwei- bis Dreifache wahrscheinlicher wird als in der Normalbevölkerung. Je jünger die Konsumenten sind, umso größer ist das Risiko.
Ich glaube, man würde sich mit solchen Argumenten – im Gesetzentwurf der Grünen werden diese übrigens in einer, ich sage mal, homöopathischen Dosis angesprochen – dann im Zusammenhang mit der Frage der Verhältnismäßigkeit auseinandersetzen müssen. Wenn es diese Frage der Verhältnismäßigkeit gar nicht gäbe, dann würden die Grünen ja auch nicht schreiben, dass man verhindern muss, dass Kinder und Jugendliche an diese Stoffe herankommen. Das ist natürlich auch ihr Ziel. Insofern haben wir an dieser Stelle möglicherweise eine politische Kontroverse über die Bewertung der Verhältnismäßigkeit. Meine Prognose ist, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber an dieser Stelle eine große Einschätzungsprärogative zubilligen würde, sodass wir das dann zu beurteilen hätten. Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, welche Einschätzung wir da haben.
Ich will mit dem Hinweis darauf schließen – das ist wichtig, damit es niemand missversteht –, dass die Bundesregierung bekräftigt hat, schwer chronisch erkrankten Patientinnen und Patienten den Zugang zu Cannabisarzneimitteln erleichtern zu wollen, hierzu die betäubungsmittelrechtliche Verkehrs- und Verschreibungsfähigkeit zu erweitern und Regelungen über einen Erstattungsanspruch in der gesetzlichen Krankenkasse zu schaffen. Das heißt, dass ein legaler Gebrauch von THC-reichem Cannabis nur für medizinische Zwecke und nur im Rahmen einer ärztlichen Therapie vertretbar wäre. Das ist eine Position, die wir als Union nicht beanstanden, nicht kritisieren, sondern stützen. Insofern, glaube ich, werden wir an dieser Stelle eine Veränderung erleben. Aber wir werden keine Veränderung in dem Sinne Ihres Gesetzentwurfs erleben.
Ich bedanke mich sehr für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Abschließende Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Bettina Müller, SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4780065 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Cannabiskontrollgesetz |