25.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 96 / Zusatzpunkt 1

Tobias ZechCDU/CSU - Aktuelle Stunde Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG durch Ausgliederung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bei diesem sehr wichtigen Thema mit ein paar Fakten beginnen.

Erstens. Die Deutsche Post beschäftigt im Briefbereich 100 000 Arbeitnehmer in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen. Zusätzlich werden jedes Jahr durchschnittlich 12 000 bis 15 000 Arbeitnehmer befristet beschäftigt; davon werden jährlich 2 000 bis 3 000 übernommen.

Zweitens. Nun wird die DHL Delivery GmbH gegründet.

(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Ist schon!)

– Sie ist schon gegründet. Da haben Sie recht, Frau Kollegin. – Bis 2020 werden 10 000 unbefristete Stellen geschaffen,

(Zuruf von der LINKEN: Zu schlechteren Bedingungen!)

bis 2025 wohl 20 000. Ein Großteil der Beschäftigten wird aus den jetzt befristeten Arbeitsverhältnissen übernommen; aber ein Teil, circa ein Drittel, soll über den freien Arbeitsmarkt eingestellt werden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu weniger Lohn!)

Deshalb muss man, um bei der Wahrheit zu bleiben, erst einmal feststellen: Es wird Beschäftigung aufgebaut, und zwar tarifgebundene Beschäftigung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller- Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache Beschäftigung, egal zu welchen Arbeitsbedingungen! – Zuruf von der LINKEN: Jetzt noch nicht!)

Drittens. Die neuen 20 000 Beschäftigten erhalten Tarife nach den von Verdi ausgehandelten und unterschriebenen regionalen Speditions- und Logistiktarifverträgen. Bisherige befristete Arbeitnehmer erhalten darüber hinaus eine Zulage, die ihnen das bisherige Grundeinkommen sichert.

Viertens. Die Arbeitsplätze sind deutschlandweit die bestbezahlten Arbeitsplätze im Brief- und Paketmarkt. Während andere mit dem Mindestlohn kämpfen, zahlt die Delivery GmbH im Schnitt immer noch über 12 Euro pro Stunde. Die bisher befristet beschäftigten Arbeitnehmer fallen eben nicht in ein Loch, sondern in unbefristete Arbeitsverhältnisse.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für weniger Lohn!)

Fünftens. Laut Stiftung Warentest ist die DHL Group das Unternehmen mit den besten Arbeitsbedingungen in der Zustellbranche, am deutschen Paketmarkt.

Das waren jetzt die fünf Wahrheiten, die unwidersprochen sind – ob es Ihnen passt oder nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Die haben wir auch gelesen! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Ihnen die Post geschrieben! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben alle diesen Brief von der Post AG bekommen! Wir kennen die Fakten!)

Medial wird das Thema jedoch nur von einer Seite beleuchtet. Es wird gesagt, dass den Mitarbeitern der Deutschen Post nur eine Wahl bleibt – wir haben es von der Vorrednerin gehört –: Entweder sie bleiben in befristeten Beschäftigungsverhältnissen, oder sie wechseln. Damit kommt etwas zu kurz, worum es hier geht: Die Konkurrenz ist auf diesem Gebiet relativ groß, vor allem im Bereich der Paketzustellung. Die DHL muss sich dem stellen. Insoweit handelt es sich um eine alltägliche wirtschaftliche Umstrukturierung; unternehmerisches Denken und Handeln liegen dem zugrunde.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Lohnspirale kann doch nicht immer nach unten gehen!)

Das ist auch notwendig, um im Wettbewerb bestehen zu können. Denn nicht nur für DHL, sondern auch für die Mitarbeiter ist unternehmerischer Erfolg im Hinblick auf nachhaltige Beschäftigung notwendig.

Die Frage, die Sie aufgeworfen haben, bleibt daher, inwiefern wir als Gesetzgeber gefragt sind. Wir können Rahmenbedingungen für ein faires Arbeitsverhältnis und insbesondere einen Ausgleich zwischen unternehmerischer Flexibilität und sicheren Arbeitsplätzen schaffen. Das haben wir aber schon getan; denn wir haben die Richtlinie von 1999 über befristete Arbeitsverträge über das Ziel hinaus umgesetzt. Gefordert waren drei Alternativen: die Festlegung von Sachgründen, die eine Verlängerung von Befristungen rechtfertigen, die Festlegung zeitlicher Höchstgrenzen für die zulässige Gesamtdauer von Befristungen oder die Festlegung der zulässigen Anzahl von Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge. Der Gesetzgeber hat dies in § 14 des Teilzeitbefristungsgesetzes nicht nur umgesetzt, sondern auch ausreichend Regelungen geschaffen, um Arbeitnehmer zu schützen. Dabei hat sich Deutschland – übrigens unter einer rot-grünen Bundesregierung – für die befristete sachgrundlose Beschäftigung und die mehrfache Befristung mit Sachgrund entschieden, und das aus gutem Grund;

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn es Verwerfungen gibt, dann kann man auch reagieren!)

denn die Flexibilität war ein Grund dafür, dass wir in den letzten Jahren während der europäischen Rezession sehr gut überlebt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht zuletzt hat auch die Rechtsprechung diesen richtigen und funktionierenden Weg immer wieder bestätigt.

Dabei dürfen wir aber eines nicht vergessen: Neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen wir den Unternehmen auch ein Mindestmaß an Flexibilität und unternehmerischer Freiheit lassen. Kommt es hier zu Missbrauch – dies hat das BAG immer wieder unter Beweis gestellt –, gibt es ausreichend Möglichkeiten, den Rechtsweg zu beschreiten.

Ich warne hier also eindringlich davor, diese Thematik abstrahiert von den Umständen am Markt zu betrachten. Ein Schnellschuss kann ungewollt Gegenteiliges bewirken, insbesondere wenn es darum geht, befristet beschäftigten Mitarbeitern einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten zu können. Diesen Schritt sollten wir daher – natürlich mit einem kritischen Blick – weiter verfolgen. Für das Buhei, das heute um diese Entscheidung der Post gemacht wird, habe ich allerdings kein Verständnis. Aus meiner Sicht bleiben die Mitarbeiter in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen; das ist eine gute Nachricht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4806551
Wahlperiode 18
Sitzung 96
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG durch Ausgliederung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta