Bernd RützelSPD - Aktuelle Stunde Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG durch Ausgliederung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte das heutige Thema von drei Seiten betrachten.
Zum einen ist da der Mensch, der im Internet Produkte bestellt. Rücksendungen kosten nichts, und so wird ein Paar Schuhe gleich in zwei, drei Größen bestellt. Dann aber wundert man sich, dass doch jemand die Zeche bezahlen muss. Ich will mich da nicht ausnehmen. Auch ich habe schon solche Bestellungen getätigt. Die Mehrheit macht das; so ist eben die Zeit. Aber wenn man glaubt, dass dies wirklich kostenlos ist, dann irrt man sich. Wir alle wissen um das Lohndumping im Bereich der Deutschen Post, bei Amazon und bei verschiedenen anderen Arbeitgebern. Darauf komme ich noch zu sprechen.
(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Wer hat die Post privatisiert?)
– Wer die Post privatisiert hat? Das ist 20 Jahre her. Ich war nicht dabei.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zweitens möchte ich an dieser Stelle betonen, dass ich Verständnis für DHL, für die Deutsche Post habe. Der Druck ist enorm. Sie müssen sich in einem knallharten Wettbewerb durchsetzen. Sie müssen ein Geschäft machen, die Marge ist klein, und es gilt viel zu investieren; das darf man bei der Betrachtung dieses Themas nicht außen vor lassen. Es gibt hohe Anforderungen in Bezug auf Logistik und Qualität. Wir wissen, dass der Druck sehr groß ist. Man muss nur die Paketzusteller beobachten, wie sie auf der Straße von Kunde zu Kunde hetzen.
Damit komme ich zum dritten Punkt meiner Rede, nämlich zur Arbeitssituation der Beschäftigten. 180 000 Beschäftigte, habe ich gelesen, hat die Post, 26 000 davon sind befristet, und zwar – das haben wir gehört – nicht nur kurz befristet, sondern schon sehr lange. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde bis auf den letzten Millimeter ausgenutzt. Tobias Zech, wir wollten die sachgrundlose Befristung abschaffen. Wir wollten die Sachgründe reduzieren.
(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das versprecht ihr immer nur, aber ihr macht nichts!)
Denn wir haben gesehen, dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Wir konnten uns in den Koalitionsverhandlungen aber nicht darauf committen. Das gehört, glaube ich, dazu.
Ich begrüße es, dass die Post jetzt erkannt hat, dass diese Befristungen ein Fehler gewesen sind, dass die Beschäftigungsverhältnisse entfristet werden sollen. Aber wer jetzt glaubt, alles sei gut, der irrt. Denn diese Entfristung kann nur in dieser neu gegründeten Delivery GmbH stattfinden, eine Post in der Post sozusagen. Dort sollen dann nicht die Posttarifverträge gelten, sondern die regionalen Tarifverträge der Speditions- und Logistikbranche. Natürlich hat Verdi diese abgeschlossen – das ist ja in Ordnung –, aber nicht für diesen Bereich. In diesem sollen sie jetzt angewendet werden. Dadurch erhalten Beschäftigte bis zu 13 000 Euro im Jahr weniger.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 3 Millionen!)
– Bis zu, habe ich gesagt. – Man darf das nicht jetzt sehen, sondern man muss schauen, wie sich das entwickelt und wie es in fünf und in zehn Jahren aussieht. Wenn ein Postbeschäftigter jetzt zwischen 36 000 und 43 000 Euro Jahresgehalt hat, so kommt sein Kollege, der dann auch schon lange beschäftigt ist, auf 25 000 bis 30 000 Euro im Jahr.
Ich habe mich, wie viele Kolleginnen und Kollegen auch, schon vor Wochen in meinem Wahlkreis mit Gewerkschaftsvertretern getroffen. Ich habe gestern noch einmal mit der Spitze von Verdi telefoniert. Die hätten sogar Verständnis für solche Maßnahmen, wenn es der Post schlecht ginge, wenn Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden. Aber tatsächlich ist die Dividendenausschüttung im letzten Jahr um 14 Prozent und in diesem Jahr um 6 Prozent gestiegen. In der Börsen-Zeitung habe ich letzte Woche gelesen, dass der Vorstandsvorsitzende der Post im letzten Jahr 9,6 Millionen Euro, ich sage: erhalten hat. Kollegin, Sie haben etwas von 13 Millionen Euro verdienen gesagt.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Drei! Drei!)
Irgendwie ist das alles exorbitant. Ich will hier nicht über die Höhe des Gehaltes diskutieren – das liegt mir fern –, aber ich frage mich schon, ob man die Löhne der Mitarbeiter als zu hoch einstuft und das Unternehmen Post sich solche GmbHs ausdenkt, um diese Löhne zu drücken.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zum Schluss will ich sagen, dass der Bund mit 21,3 Prozent natürlich in der Verantwortung steht, aber dass es, wie die Tagesordnung auch zeigt, trotz der Bundesbeteiligung operatives Geschäft ist und sich der Bund da nicht einmischt. Dann hätte man vor 20 Jahren, Kollege, die Bahn und die Post nicht privatisieren dürfen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])
Ich glaube, Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften machen einen sehr guten Job. Das sollte die Post auch die nächsten 500 Jahre weiterhin tun.
Danke.
(Beifall bei der SPD)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Albert Stegemann, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 96 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG durch Ausgliederung |