Waltraud WolffSPD - Aktuelle Stunde Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG durch Ausgliederung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Wochen sehr viel über die Tarifeinheit gesprochen. Sehr oft ist betont worden, dass die Tarifeinheit ein hohes Gut ist, und sehr oft ist auch darauf hingewiesen worden, dass sie für Frieden in den Betrieben sorgt. Eigentlich wird damit immer die Kritik an den kleinen Gewerkschaften gerechtfertigt.
Die Tarifeinheit ist ein hohes Gut; das steht außer Frage. Die Debatte heute zeigt uns aber auch, dass große Löcher in der Tarifeinheit nicht durch die Spartengewerkschaften gerissen werden. Viele Löcher in der Tarifeinheit entstehen doch durch die Austritte von Arbeitgebern aus den Arbeitgeberverbänden,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und sie werden auch durch sogenannte OT-Mitgliedschaften gerissen.
Den Begriff „OT-Mitgliedschaften“ muss ich einmal kurz erklären: Unternehmer sind Mitglied im Arbeitgeberverband – ohne Tarifbindung. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: ohne Tarifbindung. Diese Löcher resultieren auch daraus, dass Unternehmen Arbeitsplätze in tarifungebundene Töchter oder in Werkverträge ausgliedern. Es sind also nicht die Gewerkschaften, sondern es sind die Arbeitgeber, die unsere Tariflandschaft zum Flickenteppich gemacht haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Was ist die Folge? Die Folge ist doch, dass Löhne und Arbeitsbedingungen zu Wettbewerbsfaktoren werden. Durch unsere Straßen fahren Zusteller und Zustellerinnen mit den unterschiedlichsten Verträgen: von denen mit dem Haustarif der Deutschen Post AG bis hin zu pseudoselbstständigen Einzelunternehmern. Wir alle haben erlebt, wie schnell hier die Abwärtsspirale in Gang kommt. Der Anteil von Beschäftigten im Niedriglohnbereich nimmt zu; das ist ablesbar. Bei den geringfügig Beschäftigten ist es genauso: Auch hier nimmt der Anteil zu.
(Zuruf von der LINKEN)
– Nein, ich bin Sozialdemokratin aus Leidenschaft.
(Beifall bei der SPD)
Wir sprechen heute über die Arbeitsbedingungen bei der Post. Ich sage als Sozialdemokratin hier ganz klar: Ich freue mich nicht darüber, dass die Post Töchter gründet, in denen statt des Haustarifes der Logistiktarif gilt.
(Beifall bei der SPD)
Aber eins ist doch auch klar: Die Post befindet sich nicht im luftleeren Raum. Deshalb müssen wir uns doch die gesamte Branche anschauen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU])
2012 lag der Durchschnittslohn im gewerblichen Bereich in der Briefzustellung bei der Post bei 16,01 Euro pro Stunde, bei der Konkurrenz bei 9,46 Euro.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das ist doch nicht vom Himmel gefallen!)
Deutlicher geht es nicht mehr. Der Flickenteppich in der Tariflandschaft führt zu einem Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten. Das wollen wir für die Zukunft nicht mehr haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Privatisierung, so was kommt dabei heraus!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist aber nicht nur die Tarifeinheit ein hohes Gut, auch die Tarifautonomie ist mir wichtig. Wir alle hier im Raum wissen, dass Tarifauseinandersetzungen Sache der Tarifpartner sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ich sage jetzt völlig ohne Häme: In dieser Woche gab es im öffentlichen Dienst den Streik der Lehrer mit Schwerpunkt in Sachsen-Anhalt, in Sachsen und in Thüringen. Ich beziehe mich einmal auf Thüringen, wo Sie mit an der Regierung sind.
(Zuruf von der LINKEN)
– Da sind die Linken aber leider nicht an der Regierung. Darum beziehe ich mich auf Thüringen, wo Sie selber mitregieren.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Leider nicht an der Regierung“, das ist eine gute Formulierung!)
Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung die Tarifautonomie wahrt. Ich gehe weiterhin davon aus, dass die Linke in Thüringen weiß, dass sie bei aller Sympathie für die Gewerkschaften dort Arbeitgeber ist. Ich habe in den Medien nicht einen einzigen Satz darüber gefunden, dass sich die thüringische Landesregierung außerhalb der Tarifverhandlungen in die Auseinandersetzungen einmischen würde. Richtig macht sie das.
Tarifautonomie ist wichtig. Das heißt aber nicht, meine Damen und Herren, dass Politik nur Zuschauer ist. Wir haben Verantwortung bewiesen. Wir als SPD werden weiterhin eine aktive Rolle einnehmen. Wir als Koalition haben den Mindestlohn beschlossen. Er ist in Kraft getreten. Der nächste Schritt wird die Neuregelung von Leiharbeit und Werkverträgen sein.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ja heute gehört, dass das noch lange dauert!)
Auch diesem Missbrauch werden wir einen Riegel vorschieben. Wir arbeiten für faire Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Das, was da politisch möglich ist, packen wir an.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU])
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Katharina Dröge, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4806572 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 96 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG durch Ausgliederung |