26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 20

Franz Josef JungCDU/CSU - EU-Assoziierungsabkommen Ukraine, Georgien, Moldau

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Vorbemerkung: Herr Hunko, ich will das, was Sie hier gerade eben als Schuldzuweisung an den Westen, was die Frage der Konfliktsituation in der Ukraine anbelangt, gesagt haben, mit allem Nachdruck zurückweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Assoziierungsabkommen, die hier heute zur Abstimmung stehen, sind ein deutliches Signal an die freiheitsliebenden, an die europäisch gesinnten Menschen in der Ukraine, in Moldau und in Georgien. Deshalb werden wir diesen Assoziierungsabkommen auch zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Ratifizierung dieser drei Assoziierungsabkommen treffen wir heute, denke ich, auch eine historische Entscheidung. Es geht um die Stärkung der politischen, der wirtschaftlichen und der kulturellen Beziehungen zwischen der Europäischen Union, der Ukraine, Georgien und der Republik Moldau. Und, meine Damen und Herren, es ist ein selbstbestimmter Weg, den diese Nationen hier im Hinblick auf Europa gewählt haben. Der Bundesaußenminister hat darauf hingewiesen – das ist die Grundlage der Vereinbarungen der KSZE –: Es geht um die Selbstbestimmung der Völker. Und wenn die Völker hier eine klare Entscheidung für Europa treffen, dann sollten wir diese Entscheidung heute mit Nachdruck unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht auch um gleichberechtigte Beziehungen zu diesen Nationen, die ehemals in den Machtbereich der Sowjetunion gehört haben. Damit verbunden ist nicht nur der zollfreie Zugang zu den Märkten der Europäischen Union, sondern auch die Übernahme der rechtlichen und wirtschaftlichen Standards der Europäischen Union. Ich denke, wir als Deutsche, aber auch als Europäer übernehmen eine große Mitverantwortung, damit dieser Weg der schrittweisen Annäherung an Europa ein Erfolg wird.

Meine Damen und Herren, insofern sind diese drei Abkommen der Europäischen Union mit Ländern außerhalb der Europäischen Union auch ein Stück weit einzigartig.

Das Schlüsselland in diesem Prozess ist die Ukraine. Deshalb müssen wir, wie ich denke, uns immer wieder daran erinnern, dass die Aussetzung dieses Abkommens durch den damaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch zu den Maidan-Demonstrationen geführt hat, bei denen sich Tausende Menschen in bitterer Kälte für Freiheit, für Demokratie, für Europa eingesetzt haben und Hunderte ihr Leben verloren haben. Wir dürfen diese Menschen nicht im Stich lassen und müssen heute in diesem Sinne eine positive Entscheidung für Freiheit und Europa treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider ist auch wahr, dass Russland bisher alles getan hat, um den Prozess der Annäherung an die EU in diesen Ländern zu erschweren. Es geht jetzt in der Ukraine darum, dass das Abkommen Minsk II in allen Teilen entsprechend umgesetzt wird. Diese Assoziierungsabkommen – das will ich ebenfalls unterstreichen – richten sich gerade nicht gegen Russland. Vielmehr geht es um eine engere Verknüpfung der Wirtschaftsräume. Hierbei bleibt die Hand nach Russland ausgestreckt. Es gibt die Vereinbarung zwischen der Europäischen Union, der Ukraine und Russland, den wirtschaftlichen Teil des Abkommens bis zum Ende dieses Jahres auszusetzen.

Ich denke aber, es ist auch richtig – hier will ich auf das verweisen, was die Bundeskanzlerin auf dem Wirtschaftsgipfel in Davos formuliert hat –, dass wir einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit Russland von Lissabon bis Wladiwostok anstreben. Aber dazu gehören immer zwei Seiten. Deshalb sage ich: Es geht hier nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Unsere Hand bleibt weiterhin ausgestreckt. Es ist kein Signal gegen Russland, sondern es ist ein Signal für Freiheit und Europa, aber auch für eine Zukunftsperspektive in Europa und darüber hinaus. Deshalb, glaube ich, sind diese drei Abkommen so einzigartig und wichtig. Aus diesem Grund sollten wir ihnen heute auch zustimmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nachdem ich das mit Blick auf Russland so formuliert habe, will ich noch einmal unterstreichen: Das Abkommen Minsk II muss in all seinen Teilen eingehalten werden. Das gilt insbesondere für den Waffenstillstand, der bisher nicht in allen Bereichen gewährleistet ist. Zwar wissen wir: Es gibt eine Strecke von immerhin 500 Kilometern, auf der die Waffen im Wesentlichen schweigen. Aber es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen, die zu beenden sind. Es geht auch um den Rückzug der schweren Waffen und insbesondere um die Gewährleistung der Kontrolle durch die OSZE. Die Separatisten müssen sicherstellen, dass die OSZE die unmittelbare Kontrolle hat, damit es zu einer friedlichen Entwicklung kommt. Wir wollen damit natürlich auch den Reformprozess beschleunigen.

Besonders unterstreichen will ich das, was das ukrainische Parlament, die Abgeordneten und Präsident Groysman, bereits beschlossen hat. Es sind schon Reformen auf den Weg gebracht worden. Jetzt geht es in der Ukraine darum, dass die Reformen, die beschlossen worden sind, in der Verwaltung umgesetzt werden, damit die Menschen spüren, dass sich etwas verbessert. Es geht nicht nur darum, Gesetze zu beschließen, sondern sie müssen auch ihre Umsetzung finden. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt, bei dem wir der Ukraine helfen müssen, damit sich die Situation vor Ort konkret verbessert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Meine Damen und Herren, vorrangig geht es um die wirkungsvolle Bekämpfung der Korruption, eine Reform des Justizsystems, die Gewährleistung einer funktionierenden Verwaltung und eine Verfassungsreform mit dem Ziel der Dezentralisierung. Hierbei sollen die Regionen eingebunden werden. Ich halte es für richtig, dass die Macht der Oligarchen zurückgedrängt wird. Die Oligarchen haben in diesem Staat immer noch viel zu viel politischen Einfluss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE] – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Und was bringt da dieses Abkommen?)

Dass Präsident Poroschenko dafür gesorgt hat, dass der Oligarch Kolomojskyj als Gouverneur abgesetzt wird, halte ich für ein Signal in die richtige Richtung. Die Macht der Oligarchen in der Ukraine muss zur Verbesserung der Situation der Menschen vor Ort zurückgedrängt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich denke, dass sich die Menschen in der Ukraine vom politischen Wandel eine sichtbare Verbesserung erhoffen. Wir stehen an ihrer Seite, wenn es darum geht, diese Reformprozesse konkret umzusetzen. Wir sollten unsere Leistungen mit den Reformanstrengungen der Ukraine verbinden, um so zu einer schnelleren Verbesserung der Situation vor Ort beizutragen.

Das, was für die Ukraine gilt, gilt im Hinblick auf die europäische Anbindung auch für Moldau und Georgien. Diese Länder der Östlichen Partnerschaft verdienen ebenfalls unsere Unterstützung. Moldau ist nach dem letzten Regierungswechsel, bei dem es zu einer Minderheitsregierung gekommen ist, in keiner einfachen Situation. Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist es richtig, das Assoziierungsabkommen hier und heute zu ratifizieren, um auch dort den Prozess in Richtung von Freiheit, Europa und unseren gemeinsamen Werten weiter zu fördern und zu unterstützen.

Seit der Rosenrevolution hat Georgien seine Beziehungen zur Europäischen Union kontinuierlich ausgebaut. Tiflis hat fortlaufend an Reformen in Politik und Wirtschaft gearbeitet, die von der Europäischen Union im Rahmen der Östlichen Partnerschaft unterstützt worden sind. Georgien wird mit dem Abkommen weiter in den Binnenmarkt integriert. Weiteren Fortschritten im Bereich der Justiz und auf den Gebieten von Freiheit und Sicherheit wird der Weg geebnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesen drei Assoziierungsabkommen haben wir die Chance, den drei Ländern eine Perspektive im Hinblick auf Europa zu eröffnen. Wir müssen allerdings feststellen: Wir beraten diese drei Abkommen in einer besonderen Situation. Ich unterstreiche:Wenn diese Länder – die Ukraine, Moldau und Georgien – sich in freier Selbstbestimmung enger an die Europäische Union binden wollen, wenn sie unsere Werte teilen wollen, wenn sie die Lebenssituation der Menschen vor Ort verbessern wollen, wenn sie damit auch Europa politisch stabiler machen wollen, dann sollten wir heute mit möglichst breiter Mehrheit diesen drei Assoziierungsabkommen für eine freiheitliche, für eine demokratische, für eine europäische Entwicklung in der Ukraine, in Moldau und in Georgien zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erhält nun der Kollege Manuel Sarrazin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4809077
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt EU-Assoziierungsabkommen Ukraine, Georgien, Moldau
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta