26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 4

Katrin Göring-EckardtDIE GRÜNEN - Verbindliche politische Regeln im Sport

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Alle vier Jahre legen Sportlerinnen und Sportler bei Olympia den Eid ab, fair zu sein, Regeln zu achten und ritterlichen Geist zu zeigen. Das ist der Anspruch. Die Wirklichkeit ist aber so, dass Sie gerade den Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes einbringen, nach dem Motto: Wer im Sport betrügt, soll fliegen, und zwar in die JVA. – Sie legen die Latte ziemlich hoch und fordern oberflächlich Mittel, die schon in vielen anderen Bereichen gescheitert sind.

Ich finde: Wer über die Sportlerinnen und Sportler spricht, darf über die Veranstalter nicht schweigen. Reden wir also über Korruption in den Chefetagen der großen Sportverbände, insbesondere beim Internationalen Olympischen Komitee und dem Weltfußballverband. Bestechung, Vetternwirtschaft und Intransparenz sind die Merkmale der weltgrößten Festspiele. Ich finde, das ist des Sportes nicht würdig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Olympia und die Fußballweltmeisterschaften, die Orte weltweiter Freude und Begeisterung sowie weltweiten Mitfieberns, liegen in den Händen von Systemen, die wir staatlicherseits aufs Schärfste bekämpfen müssten. Das können wir nicht wollen. Das müssen wir ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Liste der Demokratien, die sich gegen eine Bewerbung entschieden haben, wird immer länger. Ein aktuelles Beispiel sind die Olympischen Winterspiele 2022. München ist gegen die Austragung. Die Schweiz hat sich ebenfalls dagegen ausgesprochen. Norwegen sagte gleich ab. Es ist eben leider kein Wunder, dass die besten Partner von IOC und FIFA heute undemokratische Regime sind. Brot und Spiele als Geschenk von Diktatoren, korrupten Vereinen und globalen Playern in der Wirtschaft – das sage ich noch einmal – können wir nicht wollen. Das müssen wir ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir wollen den Sport und die Spiele zurück. Die Funktionäre des Sports müssen für Strukturreformen sorgen. Als Demokratinnen und Demokraten müssen wir Angebote für Spiele machen, die dem olympischen Geist zur Ehre gereichen. Deswegen bin ich froh, dass sich Hamburg für die Austragung der Olympischen Spiele 2024 bewirbt. Dann können wir zeigen: Es geht auch anders.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir Grünen!)

Hamburg ist eine gute Wahl. Denn dann können wir zeigen: Es geht ökologisch. Es geht nachhaltig. Es geht transparent. – Wir als Politikerinnen und Politiker haben die Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger wieder für den Sport zu begeistern. Das geht aber nur gemeinsam mit den Sportorganisationen. Deswegen haben wir ein Konzept für eine moderne internationale Sportpolitik vorgelegt. Wir wollen mehr Demokratie und Transparenz. Ich stelle, ehrlich gesagt, erstaunt fest, dass unsere Fraktion die einzige ist, die ein solches Konzept in den Deutschen Bundestag einbringt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Darüber sollten Sie mal nachdenken!)

Was schlagen wir vor? Erstens. Die Vergabeverfahren um Sportgroßveranstaltungen müssen modernisiert werden. Natürlich entscheiden der DOSB und der DFB weiterhin autonom. Wir brauchen aber eine Richtschnur, die die verbindliche Beteiligung von Menschenrechtsorganisationen und von Umweltschutzorganisationen sicherstellt. Das ist, ehrlich gesagt, eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Zweitens: die Steuerpflicht. Die überwiegende Zahl der Verbände ist in der Schweiz angesiedelt. Dort gibt es gesunde Luft und minimale Steuersätze.

(Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Das ist doch Polemik!)

Doch obwohl sie nur als Vereine eingetragen sind, wird niemand bestreiten können, dass IOC und FIFA international tätige Wirtschaftsunternehmen sind. Für Fernseheinnahmen und Sponsoringgelder sind Steuern zu zahlen. Das ist doch selbstverständlich, und auch das gehört dazu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Drittens. Die Bundesregierung muss stärker gegen Korruption und Intransparenz im Sport vorgehen. Deutschland hat da eine besondere Verantwortung, weil wir ein starker Player sind und die internationale Korruption im Sport seit den 80er-Jahren eben auch maßgeblich durch deutsche Funktionäre mit bewirkt und bestimmt worden ist. Es ist eine historische Tatsache: Korruption und Doping waren leider auch die widerlichen Begleiter deutscher Sportpräsenz auf internationaler Ebene, in Ost und in West.

Das ist unser Anspruch. Was tun die Verbände?

Ja, es gibt die Olympic Agenda 2020 mit 40 Empfehlungen. Aber: Bedauerlicherweise hat sich an der Grundstruktur des IOC nichts geändert. Deswegen kann von einer echten Reform keine Rede sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Ja, es gibt eine externe Untersuchung der Korruption bei der FIFA. Aber: Sonderermittler Garcia schmeißt hin, und Katar bekommt dann doch seine Winter-WM. Auch das kann nicht der Maßstab sein, den wir unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Ja, in den internationalen Gremien des Sports sitzen zahlreiche Vertreter aus Deutschland. Aber: Eine wirkliche Initiative für einen glaubwürdigen Neuanfang geht von dort nicht aus. Ich bin froh, dass da einige sitzen, die den Mund aufmachen. Ich bin froh, dass einige Deutsche dabei sind. Aber trotzdem treten wir auf der Stelle, was eine echte Reform angeht. Auch das muss sich ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor einigen Wochen hatte ich ein sehr gutes Gespräch mit Nachwuchssportlerinnen und -sportlern der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Für diese Sportlerinnen und Sportler kommt übrigens, wie für uns Grüne auch, ein Sportboykott von Olympia oder WM nicht infrage, selbstverständlich nicht. Sie sagen uns ganz klar: Machen Sie eine gute Politik. Wir wollen bei sauberen und transparenten Spielen auftreten. Wir wollen uns als Sportlerinnen und Sportler auf unseren Sport konzentrieren und nicht auf das, was Sie politisch machen; aber wir wollen Sie unterstützen. – Diese jungen Sportlerinnen und Sportler haben ein Recht darauf, dass wir politische Rahmenbedingungen setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir Olympische Spiele in Deutschland wollen, wenn wir Olympische Spiele oder Fußballweltmeisterschaften in demokratischen Staaten wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass wir dafür sein können, und zwar ohne jedes Wenn und Aber.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Eberhard Gienger.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4809199
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Verbindliche politische Regeln im Sport
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