Eberhard GiengerCDU/CSU - Verbindliche politische Regeln im Sport
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen vermengt bereits im Titel zwei verschiedene Ebenen miteinander:
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihnen zu komplex! Jetzt verstehe ich das!)
auf der einen Seite die internationale Politik und Diplomatie und auf der anderen Seite die gesellschaftlichen Akteure rund um den Sport. Der Antrag richtet den Fokus auf Kernfragen der Sportpolitik, nämlich: Wo verlaufen die Grenzen zwischen Sport und Politik? Welche gesellschaftspolitischen Aufgaben vermag der Sport auf nationaler und auf internationaler Ebene zu übernehmen, und welche Aufgaben verbleiben, nicht zuletzt wegen des fehlenden Mandats der Sportorganisationen, im originären Kompetenzbereich von Politik und Demokratie? Vermischt man, wie im Antrag der Grünen, die beschriebenen Ebenen, richtet man sich mit überhöhten Erwartungen an die falschen Adressaten oder verwechselt gar die Maßstäbe mit den Möglichkeiten der Akteure. Dann können Sport und Politik die internationalen Herausforderungen nicht bewältigen und die Missstände nicht beseitigen.
Betrachten wir zunächst einmal den organisierten Sport für sich. Nimmt man die Autonomie des Sports ernst, können sich die unabhängigen und meist nicht in Deutschland ansässigen Weltverbände nur selbst ein sportpolitisches Regelwerk verschreiben.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie denn nicht zugehört?)
So hat zum Beispiel das IOC mehr als 200 Mitglieder oder die FIFA 209 Mitglieder. Das sind mehr Mitgliedsverbände als die Vereinten Nationen an Mitgliedstaaten haben. Das deutsche Stimmgewicht in diesen Gremien ist demzufolge überschaubar, wenn auch nicht ganz unbedeutend.
Laut Transparency International werden in mehr als 100 Ländern der Welt die Menschenrechte, die Pressefreiheit und andere Grundsätze missachtet, die Umwelt nicht ausreichend geschützt und die Korruption nicht hinreichend bekämpft. Die Weltverbände des Sports stellt das regelmäßig vor das Dilemma, sich bei den beschriebenen Mehrheitsverhältnissen auf gemeinsame Grundsätze zu einigen. Gleichwohl finden sich in den Statuten des IOC und der FIFA Hinweise zu friedlichen internationalen Beziehungen oder auch Aspekten wie Good Governance, um zwei Beispiele zu nennen. Hier muss aber gesagt werden, dass bei derartigen Vorhaben und internationalen Beschlüssen die Vereinten Nationen auch regelmäßig scheitern.
An dieser Stelle kommt man schließlich zu den konkreten sportpolitischen Handlungsmöglichkeiten und der moralischen Verantwortung von autonomen Sportverbänden, zum Beispiel im Rahmen der Organisation von Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen. Es ist klar, dass wegen eines zweiwöchigen Wettbewerbs wie den Olympischen Spielen in einem aus unserer Sicht problematischen Ausrichterland die politischen Verhältnisse nicht über Nacht geändert werden können. Eine solche Erwartung werden die internationalen Verbände nie erfüllen können.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen die auch gar nicht!)
Der Sport hat vor allem deshalb eine gesellschaftspolitische Macht und Ausstrahlungskraft.
Damit ist der Sport nicht von seiner Verantwortung entbunden. Alles, was unmittelbar mit dem Sportereignis zu tun hat, fällt in den Verantwortungsbereich der Organisatoren des Weltverbandes und der Gastgeber. Hier müssen zum Beispiel auch Mindeststandards eingehalten werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass in einem der reichsten Länder der Welt wie Katar jedes Jahr mit 400 Todesfällen von Wanderarbeitern gerechnet werden muss. Dies ist absolut nicht hinnehmbar. Auch Korruption bzw. Manipulation innerhalb der Sportfamilie muss aufgeklärt und bekämpft werden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie dagegen?)
Die internationale Sportgemeinschaft muss sich letztlich zusammenfinden und Lösungen erarbeiten. Ich finde, die IOC-Reformagenda 2020 stimmt mich in diesem Punkt sehr viel optimistischer, wenngleich noch sehr viel Arbeit bevorsteht. Frau Göring-Eckardt, ich finde, man muss dem IOC und den Mitgliedern die Chance geben, einmal zu beginnen. Der Anfang ist jedenfalls gemacht.
Kommen wir zu einer weiteren Frage, zur Aufgabe und Verantwortung der Politik und der Demokratie. In Abgrenzung zu dem Antrag der Grünen haben wir bereits einiges auf den Weg gebracht, umgesetzt oder auch geplant.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn?)
Ein jährlicher Bericht über die Maßnahmen und Fortschritte der internationalen Sportverbände, wie im Antrag gefordert, ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, sondern der Weltverbände. Mit der 5. UNESCO-Weltsportministerkonferenz von 2013 in Berlin und der unterzeichneten Erklärung hat die Bundesregierung neue Maßstäbe in der internationalen Sportpolitik gesetzt. Mittlerweile haben wir mit Stolz zur Kenntnis genommen, dass die dortigen Beschlüsse auch Veränderungen aufseiten des Sports angestoßen haben, Stichwort Reformagenda 2020 des IOC. Der Sportausschuss wird im April eine Delegationsreise in die Schweiz unternehmen und dort mit maßgeblichen Vertretern der internationalen Sportverbände zusammentreffen. Die Ergebnisse werden nach unserer Rückkehr im Sportausschuss diskutiert und sportpolitische Konsequenzen gezogen.
Mit Blick auf die Zeit will ich nur noch einen Punkt benennen, der vor allem für Deutschland relevant ist. Wie unser Sportminister vor kurzem sehr treffend ausgeführt hat, hilft es nicht weiter, immer nur anderen Ländern und deren Verhältnissen – ob berechtigt oder unberechtigt – Fehler zu unterstellen. Wir können selbst mit einer innovativen, weltoffenen, vom Bürger getragenen und nachhaltigen Olympiabewerbung ein Zeichen setzen. Das haben wir bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland erfahren. Erst am letzten Samstag hat sich der organisierte Sport für Hamburg als Bewerberkandidat für die Olympischen Spiele ausgesprochen. Hier können wir zeigen, dass es auch anders geht und dass wir uns selbst konstruktiv einbringen. Hier haben sich die Grünen auf Bundesebene diesen Entscheidungen in den Bewerbergremien entzogen. Hier, lieber Kollege Mutlu, hätten die Grünen durchaus die Möglichkeit gehabt, die wichtigen Punkte ihres Antrags tatsächlich anzusprechen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Placebo!)
Ich würde dazu sagen: Chance vertan!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Im Übrigen wurde der Sportausschuss des Deutschen Bundestages erst im Kontext der Olympischen Spiele 1972 in München ins Leben gerufen. Und was, wenn nicht eine Olympiakandidatur, fällt in unseren Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich?
Deutschland kann, wie ich finde, mit einer Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 auch die internationalen Reformbewegungen kraftvoll vorantreiben. Lassen Sie uns deswegen die Bewerbung begleiten und sie kritisch, aber durchaus konstruktiv unterstützen! Vielleicht sollten sich die Grünen ein Beispiel an den Hamburger Kollegen nehmen; denn sie haben das rechtzeitig erkannt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Dr. André Hahn.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4809216 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Verbindliche politische Regeln im Sport |