26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 4

Johannes Singhammer - Verbindliche politische Regeln im Sport

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Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute den Antrag der Grünen für verbindliche politische Regeln im internationalen Sport. Dies ist eine durchaus wichtige Debatte,

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und ein guter Antrag!)

die wir hier in diesem Hohen Hause unbedingt führen müssen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen der Grünen formulieren in ihrem Antrag, dass der internationale Sport in einer Glaubwürdigkeitskrise steckt. Sie bezeichnen die Vergabe der Fußballweltmeisterschaften nach Russland und Katar als Fehlentscheidung.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ja auch!)

Da bin ich ganz bei Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In Sotschi haben wir gesehen, wie die Initiativen für um Lohn betrogene Arbeiter nach den Veranstaltungen oft ins Leere liefen. Genau wie in Sotschi darf die katastrophale Situation in Katar, besonders die Lage der Wanderarbeiter, nicht schöngeredet werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wegen Menschenrechtsverletzungen und ökologischen Risiken sollte die FIFA Katar die WM entziehen. Auch ich plädiere dafür, diesen Schritt zu gehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Warum? Weil die FIFA mit ihrem Festhalten an Katar den Sport insgesamt, die weltweite Anerkennung und auch die Werte des Sports wie Fairness, Toleranz und Gerechtigkeit ad absurdum führt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das war aber leider schon alles, was ich an Ihrem Antrag so richtig gut finden kann.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ihn nicht richtig gelesen! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anders lesen!)

Nicht gut finde ich hingegen, dass Sie den international organisierten Sport offensichtlich politisieren wollen. Denn Sie fordern, dass die Sportverbände an der Entwicklung von Formen der Bürgerbeteiligung mitwirken sollen. Sie fordern auch, dass der organisierte Sport auf die Abschaffung des Kafala-Systems in Katar hinwirken soll. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Ich bin für Bürgerbeteiligung, und ich bin entschieden gegen das Kafala-System in Katar. Aber ich halte es und wir halten es für die unmittelbare Aufgabe der Politik, diese Probleme zu benennen und Lösungen zu finden,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ohne dafür zwingend den Ball über die Bande des organisierten Sports zu spielen.

(Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In dieser Hinsicht ist Ihr Antrag leider nicht zufriedenstellend.

Ein weiterer Punkt: Mitglieder des Kabinetts sollen frühzeitig ankündigen, ob sie in das Ausrichterland reisen. Was soll denn „frühzeitig ankündigen“ heißen? Das bedarf doch eigentlich einer Konkretisierung. Aber ehrlich, was für ein Beitrag zur Lösung der Probleme soll das denn sein? Eigentlich können Sie sich das doch sparen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz schön kleinlich, Frau Kollegin!)

Sie wollen zwischen den EU-Staaten abstimmen, dass in Zukunft keine Steuerbefreiung bei internationalen Sportgroßveranstaltungen gewährt werden soll. Wie darf ich das verstehen? Planen Sie, eine europäische Steuerunion durch die Hintertür einzuführen?

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hä?)

Sie schreiben außerdem, dass es Handlungsbedarf bei der Korruptionsbekämpfung im Sport gibt und dass die Bundesregierung diesen anerkennen soll. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, hier verweise ich besonders gerne auf den Koalitionsvertrag zwischen der Union und der SPD.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Denn dort haben wir festgehalten, dass Doping und Spielmanipulationen die ethisch-moralischen Werte des Sports zerstören,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Umsetzen!)

die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler gefährden und die Konkurrenten im Wettkampf sowie die Veranstalter, Fans und Zuschauer täuschen und schädigen. Deshalb schaffen wir weiter gehende strafrechtliche Regelungen beim Kampf gegen Doping. Das Anti-Doping- Gesetz ist auf einem guten Weg, und die Planung zu einem Gesetz gegen Spielmanipulationen ist in vollem Gange.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen auch, dass sich die Bundesrepublik dafür einsetzt, dass ökologische Standards in die Satzungen der internationalen Sportverbände aufgenommen werden. Nun einmal ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie soll denn da der Einsatz der Bundesregierung aussehen? Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass wir in der internationalen Sportpolitik neben der Autonomie des organisierten Sports auch besondere Rahmenbedingungen beachten müssen. Hier gibt es ein internationales Problem, wie es zum Beispiel auch beim Kampf gegen den Klimawandel besteht, aber nur eine nationale Handlungsmacht.

Nun ziehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, den Schluss, dass nur eine internationale Initiative das Problem der Vergabe internationaler Sportgroßveranstaltungen lösen kann.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Die Verantwortlichkeit nur auf die Politik, die Sponsoren und den organisierten Sport zu schieben, ist meiner Meinung nach falsch und eher billig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich schon mal entscheiden, was Sie kritisieren wollen!)

Genau wie beim Kampf gegen den Klimawandel können auch nationale Strategien eine positive Wirkung entfalten. Ein gutes Konzept für nachhaltige Veranstaltungen kann ein Vorbild sein, dem andere Staaten folgen. Darum ist es notwendig, dass die Politik den organisierten Sport bei seinen Reformbemühungen konstruktiv und kritisch begleitet. Das bedeutet, dass man die Bemühungen des organsierten Sports, zum Beispiel die IOC- Agenda 2020, genau betrachtet. Dort wird bereits ein ökologischer Standard gesetzt – ich zitiere –:

Ein schönes Beispiel dafür ist Hamburg, die deutsche Bewerberstadt für die Olympischen und Paralympischen Spiele. An dieser Stelle übrigens herzliche Gratulation an die Hanseaten!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hamburg plant ein rückbaubares Stadion. Überhaupt bieten die Olympischen und Paralympischen Spiele in Deutschland die Möglichkeit, ein gutes Konzept für nachhaltige Spiele zu präsentieren und umzusetzen. Sportgroßveranstaltungen haben eine gesellschaftliche Funktion. Sie integrieren die Gesellschaft und tragen zur Identitätsbildung unseres Landes und unserer Bevölkerung bei. Die Unterstützung der Reformbemühungen des organisierten Sports durch die Politik ist notwendig. Dafür muss ein offener und vertrauensvoller Dialog zwischen Sport und Politik geführt werden; man braucht aber keine angeordneten Vorschriften. Denn um die Glaubwürdigkeit und Integrität des Sports zu erhalten, bedarf es eines Richtungswechsels: weg vom Gigantismus und hin zu nachhaltigen und fairen Spielen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Eine nachhaltige Organisation bedeutet, den sozialen, umweltpolitischen, nachhaltigen und sportlichen Aspekten von Sportgroßveranstaltungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die Akzeptanz der Bevölkerung für Sportgroßveranstaltungen hängt davon ab, dass die Menschen mitgenommen werden. Wir müssen sie vom positiven Effekt einer deutschen Bewerbung und Ausrichtung einer Sportgroßveranstaltung überzeugen. Das ist übrigens die Lehre, die wir aus der gescheiterten Bewerbung Münchens ziehen müssen. Denn da wurden die Bürger nicht mitgenommen, obwohl es ein ziemlich nachhaltiges Konzept gab. Mein lieber Özcan, auch die Grünen im Rat der Stadt München fanden das damals übrigens interessant.

Ich will noch einmal betonen: Ein nachhaltiges Konzept für eine internationale Sportgroßveranstaltung in Deutschland bedarf der Bürgerbeteiligung. Eine Volksbeteiligung im Zuge einer Bewerbung, wie sie beispielsweise in Hamburg stattfinden soll, halte ich für den geeigneten Mechanismus. Dadurch können alle wichtigen Akteure dieses Politikfeldes – der Bürger, der organisierte Sport und die Politik – den genannten Richtungswechsel zu nachhaltigen und gerechten Spielen wirklich mittragen und legitimieren.

Wir sagen ganz selbstbewusst: Die Olympischen und Paralympischen Spiele in Hamburg 2024 wären ein erster Schritt. Liebes IOC, wenn ihr eure Reformagenda 2022 wirklich ernst nehmt, ist das genau die Bewerbung, die wir brauchen. Ich kann nur alle Menschen in unserem Land aufrufen: Seien Sie ab heute Feuer und Flamme für die Olympischen und Paralympischen Spiele und vor allen Dingen Feuer und Flamme für Hamburg!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr. Frank Steffel.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4809273
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Verbindliche politische Regeln im Sport
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