26.03.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 4

Frank SteffelCDU/CSU - Verbindliche politische Regeln im Sport

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Göring-Eckardt, auch wenn Sie mittlerweile etwas weiter hinten Platz genommen haben, möchte ich Ihnen sagen, dass ich Sie für Ihre differenzierte und zumeist sehr sachliche Argumentation sehr schätze. Heute war das, was Sie hier vorgetragen haben, allerdings außergewöhnlich oberflächlich, billig und ziemlich plump.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das, was Sie gerade machen, ist billig! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Na, na!)

Das war eine Verallgemeinerung, mit der wir in dieser Debatte überhaupt nicht weiterkommen.

Eine differenzierte Betrachtung beginnt damit, dass man FIFA, IOC und allen anderen Verbände nicht in einen Topf schmeißt. Beim IOC wird – übrigens unter einem deutschen Präsidenten – der schwierige Versuch unternommen, Veränderungen herbeizuführen und viele Länder im Bereich des Sports zu verändern. Die Gesellschaften in diesen Ländern verändern sich ja nicht etwa schneller – eher im Gegenteil.

Meine Damen und Herren, die FIFA hat 209 Mitglieder. Davon ist, wenn überhaupt, die Hälfte demokratisch. In 70 Ländern gibt es noch heute per Gesetz ein Verbot von Homosexualität. Der Sport kann einen Beitrag dazu leisten, dass darüber in diesen Gesellschaften diskutiert wird. Aber er wird die Gesetze in diesen Ländern nicht ändern können. In 57 Ländern dieser Erde gibt es die Todesstrafe, die wir Deutsche aus guten Gründen ablehnen. Wir können für die Veränderungen, die wir uns wünschen, werben; aber wir werden sie in diesen 57 Ländern nicht alleine durch den Sport herbeiführen. Von Frauenrechten und Minderheitenrechten, wie wir sie in Mitteleuropa kennen, können wir in den meisten Ländern dieser Erde nicht sprechen. Wir können nur daran arbeiten, dass es in diesem Jahrhundert zu vielen Veränderungen kommt, auch durch den Sport und auch durch die Sportverbände.

Wenn wir über die FIFA reden, eint uns sehr viel Kritik. Ich bin sehr sicher, dass es heute auch in der FIFA keine Entscheidung mehr mit drei Stimmen Mehrheit – 13 : 7 war das Ergebnis für Russland – geben würde, sondern eine Mehrheit für Spanien und Portugal, die sich damals auch beworben haben. Nur, zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass die Eskalation, die wir heute in Russland erleben, zum Zeitpunkt der Entscheidung der FIFA überhaupt nicht absehbar war.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entscheidungen kann man korrigieren!)

Es war überhaupt nicht erkennbar, dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung in Europa kommen würde. Insofern ist Ihre Forderung, die uns wahrscheinlich eint – wir brauchen Regeln, wir brauchen Standards, wir brauchen Verbände, die definieren, unter welchen Bedingungen sportliche Großereignisse auf diesem Planeten stattfinden können –, völlig berechtigt. Sie hat nur den falschen Adressaten; denn nicht die Bundesregierung kann das umsetzen – wir können alle dazu beitragen –, sondern die Sportverbände müssen ihre Standards diskutieren.

(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nehmen Sie das Beispiel Katar: Ich halte es für einen absoluten Skandal und wundere mich über die Ruhe der Mitbewerber Japan, USA und Australien, dass sie akzeptieren, dass man sich um eine Fußballweltmeisterschaft, die im Sommer stattfinden soll, bewirbt und nach der Entscheidung skrupellos gesagt wird: Na, dann machen wir es eben kurz vor Weihnachten. – Das hat mit Transparenz und mit vernünftigen Entscheidungsprozessen nun überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wahrscheinlich werden die USA und Japan und Australien ihre Chancen, die nächste Fußballweltmeisterschaft austragen zu dürfen, nicht schmälern wollen und sich deswegen bei diesem Thema so zurückhalten.

Wir sind uns einig, dass mitten in der Weihnachtszeit aus deutscher, europäischer, christlicher Sicht generell ein schwieriger Zeitpunkt für eine Fußballweltmeisterschaft ist; das wird uns wohl einen.

(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Die ganze Welt ist nicht Weihnachten unterwegs, sondern es gibt auch andere Feste in anderen Religionen. Aber dann, meine Damen und Herren, muss man das vor der Abstimmung sagen, es vor der Entscheidung zum Kriterium machen und darf nicht danach sagen: Jetzt verlegen wir das Ganze mal schnell in den November und in den Dezember.

Insofern sind wir gut beraten, von den internationalen Verbänden immer wieder Regeln einzufordern und auch lautstark – ich bin den Grünen dankbar für die Debatte, die wir heute hier führen können – zu artikulieren, welche Erwartung wir als deutsche Demokratie an Verbände haben, aber auch an Länder, die internationale Großsportereignisse ausrichten dürfen. Natürlich ist Hamburg der demokratische, der moralische, der sportpolitische, der gesellschaftliche Gegenentwurf zu anderen Orten, an denen wir Großveranstaltungen erlebt haben und in Zukunft erleben werden.

Ich rate uns sehr – da wäre übrigens auch die Linke gefordert, mal ihr eigenes Bild zu klären –, in der Frage Russland nicht doppelzüngig zu argumentieren: einerseits Maßstäbe einzufordern, dann aber einer Fußballmannschaft der Ukraine zuzumuten, dass sie möglicherweise in Moskau bei der Fußballweltmeisterschaft spielen muss, während ihre Verwandten von russischen Soldaten niedergeschossen werden.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das geht doch aus den Kriterien hervor!)

Das muss dann auch kritisiert werden, lieber Herr Kollege Hahn. Das gehört dann auch zur Wahrheit: Dann kann man nicht dort weggucken, weil einem die russische Position aus politischen Gründen näher ist als vielleicht die mitteleuropäische oder die deutsche.

Insofern, meine Damen und Herren, empfehle ich Glaubwürdigkeit. Ich empfehle, dass wir uns sehr differenziert damit beschäftigen. Im Übrigen empfehle ich auch, Frau Göring-Eckardt, dass wir dann Deutsche in die Gremien schicken. Ich war sehr froh, dass Sie bei Ihrer Rede ab und zu Ihre Kollegin Roth angeschaut haben – ich hatte den Eindruck, das hat besänftigend auf Ihr Manuskript gewirkt –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

weil es natürlich richtig ist, dass Frau Roth sich in den Gremien engagiert,

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Für die FIFA ist es ein bisschen früh!)

anders als die Grünen, die sich der Debatte über die Olympiabewerbung Deutschlands verweigern, an ihr nicht teilnehmen, aber vorher und hinterher schlaue Nachrichten verkünden; das ist sicherlich der falsche Weg. Transparenz ist wichtig, Dialog ist wichtig. Beides setzt übrigens voraus, dass wir mit den Verbänden reden, dass wir mit den Verantwortlichen reden und für unsere Werte werben. Ich bin mir ganz sicher: Wir werden kontinuierlich in diesem Jahrhundert in den Sportverbänden eine Entwicklung haben, die auch in der Gesellschaft weitergeht: zu mehr Demokratie, zu mehr Menschenrechten, zu mehr Transparenz. Dazu soll und muss der Sport einen Beitrag leisten. Dafür werden wir uns einsetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Nächster Redner für die SPD ist der Kollege Detlev Pilger.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4809274
Wahlperiode 18
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Verbindliche politische Regeln im Sport
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