Johannes SteinigerCDU/CSU - Verbindliche politische Regeln im Sport
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich als letzten Redner der Debatte zunächst noch auf ein paar Stichworte des Antrags, der uns heute vorliegt, zurückkommen, die im ersten Satz der Begründung aufgeführt sind. Darin ist von Menschenrechtsverletzungen, Gigantomanie, Umwelt- und Naturvernichtung, Korruption, Intransparenz und Vetternwirtschaft die Rede. Man hätte im Vorfeld durchaus auf die Idee kommen können, dass wir heute Morgen über die Bekämpfung des organisierten Verbrechens diskutieren.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der FIFA stimmt das ja auch!)
Dies aber ist das Bild, das der eingebrachte Antrag vom internationalen Sport zeichnet.
Dass es in der Sportwelt durchaus zu schweren Verfehlungen kommt, bestreitet kein Mensch. Ich glaube, es ist gut, dass wir heute in der Kernzeit über die Fraktionsgrenzen hinweg auch die Themen FIFA und Katar angesprochen haben. Dieser Antrag diskreditiert mit seinem implizierten Generalverdacht aber die gesamte internationale Sportfamilie.
Wir dürfen die öffentliche Aufmerksamkeit nicht immer nur auf die einigen Dutzend Spitzenfunktionäre lenken, sondern wir müssen die Sportverbände an sich im Blick haben. Mein Bild etwa der Fußballweltmeisterschaft oder der Paralympischen und Olympischen Spiele in London ist ein anderes: Die weltweiten Spiele stehen aus meiner Sicht vielmehr für Begriffe wie Völkerverständigung, fairer Wettbewerb, internationale Begegnung und kultureller Austausch. Sie stehen für das friedliche Miteinander von Nationen und die Zusammenkunft von Athletinnen und Athleten aus der gesamten Welt, um ein gemeinsames Sportfest zu feiern.
Der von den Grünen eingebrachte Antrag legt allerdings – auch das wurde heute schon angesprochen; es ist einer der wichtigsten Punkte, warum ich den Antrag nicht gut finde – ein Stück weit die Axt an die Autonomie des Sports und stellt diesen grundlegend infrage. Er widerspricht der Grundidee, dass Athletinnen und Athleten und die vielen ehrenamtlich Engagierten in den zahlreichen Sportvereinen sich innerhalb des DOSB und seiner Dachverbände selbst organisieren und dem Sport auch international eine funktionierende Struktur geben. Denn es sind die Verbände selbst, die ihre Zielsetzung und Ausrichtung festlegen.
(Beifall des Abg. Eberhard Gienger [CDU/CSU])
Durch regelmäßige Wahlen und Beratung in ihren Mitgliederversammlungen entscheiden die Sportfachverbände eben ganz autonom über Personal und Inhalte.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Siehe Blatter-Wahl!)
Diese demokratischen Verfahren legitimieren ihr Handeln. Das ist der Wesenskern der Autonomie des Sports.
(Beifall des Abg. Eberhard Gienger [CDU/CSU])
Es ist doch klar, dass es Regeln braucht. Aber in Ihrem Antrag wird der falsche Adressat angesprochen. Natürlich brauchen wir Regeln, und der DOSB muss an erster Stelle mitkämpfen. Aber wer in seinen Aussagen und seinem Wording den DOSB auf diese Weise anspricht, wie Sie seitens der Grünen es tun, Kollege Mutlu, wird keinen großen Erfolg haben.
Ohne die Frage stellen zu wollen, wem mit dieser relativ losen Aneinanderreihung Ihrer 16 Punkte mit diffusen Problemlagen geholfen ist, möchte ich schon darauf hinweisen, dass man einige Ihrer Forderungen getrost abhaken kann, da sie entweder bereits erreicht, angedacht, geplant oder auf einem guten Weg sind. Vieles von dem, was im Antrag beispielsweise in puncto Nachhaltigkeit und Umweltschutz, Transparenz und Bürgerbeteiligung gefordert wird, ist im deutschen Konzept der Olympiabewerbung bereits umgesetzt, übrigens auch mit der klaren Orientierung an der Reformagenda 2020 des IOC.
Wenn die Grünen konsequent wären, müssten sie denklogisch eigentlich die größten Vorkämpfer für Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland sein.
(Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Ja gut, Herr Mutlu. Aber so, wie Sie sich im Vorfeld der aktuellen Bewerbung verhalten haben, habe ich nicht feststellen können, dass Sie die größten Vorkämpfer für Olympische Spiele in Deutschland sind und das auch an erster Stelle beworben haben.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nicht zugehört, oder?)
Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.
(Dagmar Freitag [SPD]: Da haben Sie recht!)
Denn man muss sich entscheiden: Nimmt man in Kauf, dass autoritäre Staaten den Zuschlag für Spiele bekommen, oder begreift man die Herausforderungen und Chancen einer eigenen starken Bewerbung? Dann kann man nämlich die Spiele nach unseren Standards ausrichten und damit für die Zukunft die Messlatte setzen. Es ist besser, Reformen von innen heraus anzugehen, als unrealistische Forderungen an die Politik zu stellen.
Zurück zum Antrag. Der Antrag gibt der „Berliner Erklärung“ als Ergebnis der fünften Weltsportministerkonferenz viel Raum, und zwar aus meiner Sicht zu Recht. Denn sie gilt in der Tat als Meilenstein.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
Die Grünen fordern nun die Bundesregierung auf, die getroffenen Beschlüsse schnell umzusetzen. Ich kann nicht erkennen, weshalb der Innen- und Sportminister des Gastgeberlandes ein Interesse daran haben sollte, dies nicht zu tun. Zum Umsetzungsstand der Vereinbarung der Weltsportministerkonferenz hat die Bundesregierung Anfang März ausführlich Stellung genommen. Beispielsweise wurden für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Leistungssport eine deutliche Verbesserung erreicht und zusätzliche Mittel bereitgestellt.
Weiter wird die Wahrung der Integrität des Sports als zentrales Themenfeld in der „Berliner Erklärung“ beschrieben. Auch dieser zentralen Forderung kommen wir mit einem Anti-Doping-Gesetz nach. Ein entsprechender Gesetzentwurf war bereits gestern Gegenstand der Kabinettssitzung.
Ich komme zum Schluss. Es ist falsch, zu glauben, dass sich die Sportfamilie in Deutschland auf europäischer und internationaler Ebene gewisser Missstände im organisierten Sport nicht bewusst ist. Vom Hochleistungssportler bis zum ehrenamtlich Engagierten haben schließlich alle das gemeinsame Ziel, die Integrität des Sports zu leben. Jeder, der im Sport Verantwortung trägt, weiß um die große Strahlkraft des Sports und die Bedeutung, die er für so viele Menschen in unserem Land hat.
Lassen Sie uns in dem Sinne an dieser Idee weiter gemeinsam arbeiten, sodass es auch 2024 in Hamburg wieder heißen kann: Die Welt zu Gast bei Freunden. – Dieser Antrag leistet dazu leider keinen nennenswerten Beitrag.
Danke schön.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4809340 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Verbindliche politische Regeln im Sport |